Olympique Lyon vs. FC Bayern: Pflichtaufgabe oder harter Brocken?

19. August 2020 | Champions League | BY Manuel Behlert

Vorschau | Nach einer Gala gegen den FC Barcelona trifft der FC Bayern München im Halbfinale der Champions League nun, wie schon 2010, auf Olympique Lyon. Die Franzosen wollen den Favoriten ärgern.

Anpfiff der Partie ist am Mittwoch, 21:00 Uhr, Live auf Sky & DAZN (Registriere dich jetzt auf DAZN und erhalte einen Gratismonat).

  • FC Bayern: Großes Selbstvertrauen nach dem 8:2 gegen Barça
  • Olympique Lyon: Juventus und ManCity bezwungen
  • FC Bayern als haushoher Favorit: Wir man dieser Rolle gerecht?

Vor dem Halbfinalduell zwischen Olympique Lyon und dem FC Bayern sprachen wir mit Johannes Mittermeier von Focus Online über die Partie.

Olympique Lyon: Folgt der dritte Streich?

Die Reise von Olympique Lyon begann in dieser Champions-League-Saison in einer ausgeglichenen Gruppe mit Benfica, Zenit und RB Leipzig. Dass ausgerechnet aus dieser Gruppe zwei Halbfinalisten entspringen würden, hätte wohl kaum jemand für möglich gehalten. Und doch ist es so. Olympique Lyon hat es nicht nur geschafft, Juventus nach dem Hinspielsieg erneut zu schocken und mit dem Auswärtstor das Weiterkommen zu fixieren, auch gegen Manchester City konnte gewonnen werden.

 (Photo by FRANCK FIFE/POOL/AFP via Getty Images)

Das war möglicherweise die größere Sensation. Gegen die Skyblues agierte OL sehr diszipliniert, machte die Räume eng und setzte Nadelstiche nach vorne. Die typischen Charakteristika eines Teams, das als Außenseiter in ein Spiel geht, führten also zum Erfolg. Dabei war es nicht so, dass Lyon nichts zugelassen hat. Im Gegenteil, Manchester City hatte mehr Chancen und vor allem hochkarätige Chancen. Doch Fehler in der Hintermannschaft des Gegners und etwas Glück sorgten dafür, dass die Franzosen nun im Halbfinale stehen. Hier soll jetzt der dritte Streich folgen.

OL: Alles, nur nicht chancenlos

Das Selbstvertrauen bei Olympique Lyon und Trainer Rudi Garcia (56) ist nach den jüngsten Ergebnissen sehr groß. Gegen Manchester City brillierte wieder einmal das Mittelfeld aus Maxence Caqueret (20), Bruno Guimaraes (22) und Houssem Aouar (22). Die brillante Mischung aus cleverer Raumbesetzung in der Defensive, Dynamik im Spiel nach vorne und Spielwitz sorgt für ein sehr homogenes Zentrum. Drei Innenverteidiger sorgen für Stabilität und vor allem über die linke Seite treibt Maxwel Cornet (23) das Offensivspiel sehr engagiert an. Memphis Depay agiert als Freigeist, Karl Toko Ekambi (27) als umtriebiger und lautstarker Stürmer. Mit Spielern wie Thiago Mendes für das Mittelfeld oder Moussa Dembele, zweifacher Torschütze gegen Manchester City, für den Angriff, stehen entsprechende Alternativen zur Verfügung.

Das sorgt dafür, dass OL keinesfalls chancenlos ist. In einem Spiel, besonders in einem Spiel über 90, vielleicht auch 120 Minuten, sind Einflussfaktoren wie das eben beschriebene Glück noch einmal von größerer Bedeutung. Darauf spekulieren die Franzosen auch gegen den FC Bayern, der zwar sehr stark, aber nicht unverwundbar ist. „Durch das sehr „hoch“ angeordnete Gegenpressing ergeben sich ja zwangsläufig Räume im Rücken der letzten oder vorletzten Linie. Das war insbesondere im DFB-Pokalfinale gegen Leverkusen ersichtlich, als Bayern durchaus Glück hatte, dass Leverkusen seine Konter bzw. Tempogegenstöße inkonsequent ausspielte. Barcelona ebenfalls. Dort offenbarten (der zurecht hochgelobte) Alphonso Davies (19) und Joshua Kimmich (25) defensiv doch einige offene Flanken – im wahrsten Sinne des Wortes“, erklärt Johannes Mittermeier mögliche Ansätze für OL.

(Photo by FRANCK FIFE/POOL/AFP via Getty Images)

Das bedeutet im Umkehrschluss: „Die Art und Weise, wie Lyon gegen ManCity gewann, könnte hier zum Problem werden. Und so begeistert ich von Jerome Boatengs (31) Renaissance bin: In Laufduelle sollten sie ihn nicht mehr schicken.“ Doch genau zu solchen Laufduellen könnte es kommen, wenn die Franzosen den Ball erobern und ihrerseits schnell umschalten. Der pressingresistente und technisch versierte Aouar ist hier ein unglaublich wichtiger Faktor. Seine Ballbehandlung ist grandios, er kann die Verbindung zwischen Defensive und Offensive herstellen, muss dafür aber unter hohem Druck nahezu fehlerfrei agieren. Gegen Manchester City gelang ihm das in mehreren Phasen des Spiels, hier initiierte er zahlreiche Umschaltmomente. Mit zunehmender Spieldauer ging aber auch ihm die Puste aus.

Olympique Lyon: Eine Frage der Kraft

Das traf nicht nur auf Aouar zu, sondern auf die gesamte Mannschaft. Gegen Juventus wirkte Olympique Lyon in den letzten Minuten platt, gegen Manchester City ebenfalls. Allerdings konnten beide Gegner diesen Vorteil nicht für sich nutzen. OL wird auch gegen den FC Bayern wieder viel laufen und an die eigenen Grenzen gehen müssen. Und auch diesmal wird in den letzten Minuten der ein oder andere Sprint nicht mehr mit 100 % angegangen werden können.

Für Trainer Rudi Garcia stellt sich deswegen vor dem Spiel gegen den FC Bayern eine wichtige Frage. Passt man die Startelf etwas an und hat frischere Spieler auf dem Feld oder vertraut man der Eingespieltheit in dieser Konstellation? Wahrscheinlich ist, dass es bei Olympique Lyon keine Anpassungen in der Startelf geben wird. Allerdings könnte im Spielverlauf früh gewechselt werden. Ausfälle gibt es jedenfalls nicht zu beklagen.

FC Bayern: Kühler Kopf nach Barcelona-Gala

Der FC Bayern zeigte gegen den FC Barcelona eine Gala-Vorstellung. Noch beeindruckender war allerdings der unglaubliche Fokus, der nach dem Spiel herrschte. Es wurde nicht gefeiert, sich lediglich respektvoll auf die Schulter geklopft. Dabei war Historisches passiert. Die Gefahr nach einem solchen Spiel ist, dass eine Mannschaft zu selbstbewusst, fast leichtsinnig wird. Das sieht man beim FC Bayern derzeit aber nicht, die Spieler wirken sehr bodenständig und wissen um die Aufgaben, die noch auf sie zukommen. Die Favoritenrolle ist aber dennoch vorhanden.

(Photo by Manu Fernandez / POOL / AFP)

Das sieht auch Johannes Mittermeier so: „Für mich war der FC Bayern schon vor Beginn des Finalturniers klarer Favorit, weil er in meinen Augen die derzeit beste Mannschaft Europas ist. Mit Betonung auf: Mannschaft. Es greift einfach alles ineinander, der Spielstil stimmt, die Arbeitsbereitschaft, die Atmosphäre, die Athletik; die Individualisten strahlen aufs Kollektiv und umgekehrt. Eine spektakuläre Entwicklung, die inzwischen über ein Dreivierteljahr anhält und natürlich sehr viel mit Trainer Hansi Flick (55) zu tun hat. Ironischerweise hatte ich Manchester City als potentiell gefährlichsten Gegner für Bayern auserkoren. Und jetzt ist es Lyon. Ich hab’s in einem Text so formuliert: trügerisch machbar.“

Das eigene Spiel durchziehen

Auch gegen Olympique Lyon wird der FC Bayern sein eigenes, typisches Spiel durchziehen. Das bedeutet: Hohes Pressing, konsequente Arbeit gegen den Ball und eine ungeheure Wucht in der Offensive. Der Rekordmeister bringt die gegnerischen Defensivreihen an den Rand der Verzweiflung und darüber hinaus. Überdies ist die Flick-Elf derart überzeugt von ihrem Plan und ihrer Qualität, dass selbst Rückschläge ihr wenig ausmachen. Sinnbildlich dafür steht die Reaktion von David Alaba (28) nach seinem Eigentor zum 1:1 gegen den FC Barcelona. Der Österreicher ärgerte sich kurz, lachte – und spielte weiter.

Neben der Wucht, Dynamik und Entschlossenheit im Offensivspiel wird es gegen Olympique Lyon aber auch wichtig sein, die Balance zu halten. Denn die Gegenangriffe der Franzosen sind nicht schlecht, in Rückstand zu geraten sollte vermieden werden. Denn das setzt Kräfte bei einem Gegner frei, die man lieber nicht geweckt hätte. Ist sich der FC Bayern dieser Gefahren aber bewusst, steht einem erfolgreichen Halbfinale nicht mehr viel im Weg.

FC Bayern: Pavard wieder fit, aber…

Entspannt ist auch die Personalsituation. Es steht ein wichtiges K.O.-Duell auf dem Programm und der FC Bayern kann aus dem Vollen schöpfen. Das hat es zuletzt selten gegeben. Benjamin Pavard (24), der nach Lissabon nachreiste, hat die Belastungsproben im Training bestanden und wird im Kader stehen. Auch sonst trug man aus dem Barça-Spiel keine nennenswerten Blessuren davon.

(Photo by MANU FERNANDEZ/POOL/AFP via Getty Images)

Pavard ist zwar wieder dabei und könnte ein stabilisierendes Element auf der rechten Seite sein, allerdings wird er wohl trotzdem nicht von Beginn an auflaufen. Die Kraft reicht sehr wahrscheinlich nicht für 90 Minuten (+X) und sollte der FC Bayern in Führung liegen, wäre Pavard eine gute Alternative, um auf der rechten Seite defensiver zu agieren. Die Startelf aus dem Barcelona-Spiel wird auch gegen Lyon auflaufen, offen ist lediglich, ob Ivan Perisic (31) oder Kingsley Coman (24) beginnt.

Prognose von Johannes Mittermeier

Der FC Bayern kommt weiter. Alles andere als unveränderte Fokussierung, unveränderte Bereitschaft, unveränderte Form kann ich mir nicht vorstellen. Wenn sie halbwegs auf den Rasen bringen, was sie können, muss es einen Sieg geben. Ich sage: 3:1.

Mögliche Aufstellungen:

Olympique Lyon: Anthony Lopes – Dubois, Denayer, Marcelo, Marcal, Cornet – Caqueret, Bruno Guimaraes, Aouar – Depay, Toko Ekambi

FC Bayern: Neuer – Kimmich, Boateng, Alaba, Davies – Thiago, Goretzka – Gnabry, Müller, Perisic (Coman) – Lewandowski

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(Photo by Manu Fernandez / POOL / AFP)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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