Tuchels Rückkehr – BVB gegen PSG

18. Februar 2020 | Vorschau | BY Julius Eid

Vorschau | PSG marschierte durch die Gruppenphase der Champions League und nun geht es für Frankreichs Serienmeister gegen den BVB. Der konnte sich in einer umkämpften Gruppe gegen Inter Mailand durchsetzen und hofft nun Ex-Trainer Thomas Tuchel bei seiner Rückkehr zu besiegen.

BVB

Die Dortmunder erleben eine Saison, die in der Rezeption oft zwischen Himmel und Hölle schwankt. Mit dem ausgerufenen Ziel Meisterschaft erhöhten die Verantwortlichen vor der Saison noch einmal den Druck und sorgten im Sommer- sowie auch im Wintertransferfenster für einige Ausrufezeichen. Die Euphorie war groß und Platz 3 in der Bundesliga sowie das DFB-Pokalaus scheinen kräftige Dämpfer dieser Euphorie gewesen zu sein. An guten Tagen kann Dortmund überragen, an schlechten maßlos enttäuschen. Und nach diesen wird immer wieder deutlich, wie wenig Rückhalt Trainer Favre bei den Fans hat.

Weiterkommen trotz schwerer Gruppe

Der erste Stimmungsabfall war bei Teilen der Anhängerschaft schon nach der Auslosung der diesjährigen Gruppenphase angesagt. Denn den BVB traf es durchaus hart. Das große Barcelona führte die Gruppe als Kopf an und aus Topf 3 stieß mit Inter Mailand wohl der stärkste Gegner dazu. Dass Slavia Prag sich als vierter Mitbewerber schon in der letztjährigen Europa League stark präsentierte, ging fast unter, doch durch starke Auftritte der Tschechen wurde schnell klar, dass es sich bei keinem einzigen Duell in dieser Gruppe um ein leichtes handelt.

Dennoch starteten die Borussen mit einem kleinen Ausrufezeichen in die Champions-League-Saison. Im heimischen Stadion überzeugte man gegen Barça. Dass es für die Katalanen zu einem Punkt reichte, lag nur an mangelndem Abschlussglück und einem bärenstarken Ter Stegen. Dortmund wies also nach, dass man immer in der Lage ist, auch mit großen Teams mitzuhalten. Doch wie so oft in den letzten Jahren wurde die Hoffnung, die ein gutes Heimspiel auslöste, durch ein schwaches Auswärtsspiel erst einmal beendet. Obwohl Trainer Favre überraschend eine Fünferkette aufbot, unterlag man in Mailand und präsentierte sich äußerst harmlos.

Die Partie gegen den direkten Konkurrenten um Platz 2 der Gruppe ging also verloren, aber im Rückspiel drehte Dortmund nach einem 0:2-Rückstand zur Halbzeit auf. Der BVB gewann noch mit 3:2 und legte eine herausragende zweite Halbzeit hin. Es sollte der letzte überzeugende Auftritt der Gruppenphase gewesen sein. Im Camp Nou unterlag Dortmund mit 1:3 und enttäuschte mit einem weitestgehend mutlosen Auftritt. Das letzte Spiel gewann der BVB zuhause gegen Prag glücklich mit 2:1. Da Inter zeitgleich gegen Barcelona verlor (0:1), schloss die Favre-Elf die Gruppe auf dem zweiten Rang ab.

Gute Einkäufe, aber…

Die Dortmunder unterstrichen schon in den ersten Tagen des Sommers ihre Ambitionen. Mit Brandt, Hazard und Schulz wurden drei aufsehenerregende Transfers getätigt. Die Meinung aller Experten war, dass dieser BVB gestärkt in die neue Saison geht. Als Sahnehäubchen folgte die Rückkehr von Mats Hummels. Doch auf die Euphorie folgte schnell die Ernüchterung. Gerade zu Beginn der Saison wirkten die Neuzugänge noch nicht ordentlich eingebunden. Allen voran Julian Brandt, der auf dem linken Flügel verloren schien. An gute Ergebnisse schlossen sich immer wieder enttäuschende Spiele an. Man verlor bei Union Berlin und verspielte im Laufe der Hinrunde etliche Führungen. In diesen Phasen stand auch Trainer Favre immer wieder heftig unter Beschuss.

Photo by Christian Kaspar-Bartke / Bongarts / Getty Images

Im Winter sah man sich also genötigt erneut in die Kaderstruktur einzugreifen und holte Emre Can sowie Toptalent Erling Haaland für die Sturmspitze. Doch auch diese konnten das Pokalaus in Bremen und die Niederlage in Leverkusen nicht verhindern. Es wurde wieder einmal unruhig. Das letzte Ligaspiel wurde dann allerdings wieder sehr souverän mit 4:0 gegen Frankfurt gewonnen. Der BVB bleibt zu inkonstant. Trainer Favre zeigt sich allerdings überraschend flexibel und versucht immer wieder Details anzupassen. Sogar ein Systemwechsel erfolgte während der Saison. Auch die (meisten) Neuzugänge bewiesen bereits, dass sie eine Verstärkung sein können. Can beeindruckte z. B. zuletzt durch seine Präsenz auf der Sechs.

Der BVB hat gerade in der Offensive herausragend viel Qualität zu bieten und kann immer wieder mit attraktivem Fußball überzeugen. Ein Spieler wie Jadon Sancho ist nicht nur in der Bundesliga, sondern weltweit selten zu finden und in dieser Saison liefert der junge Engländer Zahlen, die man kaum genug loben kann. Thorgan Hazard fällt als unermüdlicher Arbeiter im Angriff der Borussen auf. Julian Brandt, als Partner von Axel Witsel im zentralen Mittelfeld, ist nicht nur kreatives Element, sondern reißt regelmäßig riesige Lücken alleine durch seine Auftaktbewegung. Es macht Spaß zuzuschauen, wenn Dortmund stürmt. Haaland, als neuestes Gadget im Arsenal der feuerkräftigen Borussia, schlug noch stärker ein als erwartet. Der 19-Jährige erzielte schon acht Ligatreffer und tut der Struktur im letzten Drittel auffällig gut. Die Außenverteidiger Guerreiro, der wohl beste BVB-Spieler im Moment, und Hakimi verfügen zudem über große Qualität was die Vorwärtsbewegung angeht.

(Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Doch auf der anderen Seite des Platzes plagen den BVB Probleme. Die Defensive der Borussia ist manchmal ein fast unerklärliches Trauerspiel, welches nicht nur Trainer Favre zur Verzweiflung zu treiben scheint. Nachdem man sich gänzlich der Dreierkette zuwendete, erhoffte man sich Besserung und kassierte dann alleine gegen Augsburg, Leverkusen und Bremen zusammengerechnet zehn Gegentore. Dabei ragen Spieler wie Zagadou und eben Guerreiro oft mit guter Leistung heraus, aber im Kollektiv läuft dennoch gefühlt alles schief. Dies liegt beileibe nicht nur an Manuel Akanji, der insgesamt eine schwache Saison spielt und gegen Frankfurt auf der Bank landete. Die Abstimmung der kompletten Mannschaft scheint, was die defensiven Abläufe betrifft, nicht zu funktionieren. Dazu kommen noch etliche individuelle Aussetzer, die zu Gegentoren führten.

Dem Team scheint oft die Souveränität zu fehlen. Wenn der Druck sich erhöht, sind Fehler nur noch eine Frage der Zeit. Diese spürbare Angst der Borussia ermutigt auch immer wieder Gegner weiter an einen Punktgewinn zu glauben und so ließ man sich schon einige Führungen aus der Hand nehmen. Auch Mats Hummels ist nicht der erhoffte Stabilisator. Und so bleibt Dortmund oftmals eine wahnsinnig schnelle, vielversprechende und junge Mannschaft, die sich selbst das Leben unnötig schwer macht.

PSG

Die Ligue 1 wird seit Jahren von PSG dominiert und auch in diesem Jahr gibt es kaum Zweifel an der nächsten Meisterschaft. Zehn Punkte Vorsprung stehen mittlerweile für die Hauptstädter in der Tabelle zu Buche. Doch der große Traum der katarischen Geldgeber ist und bleibt der Gewinn der Champions League.

Ein verdienter erster Platz

Die Gruppenphase war für PSG in großen Teilen ein Schaulaufen. Die Offensive der Franzosen beeindruckte immer wieder. Der größte Konkurrent aus der eigenen Gruppe war Real Madrid. Dazu gesellten sich noch der FC Brügge und Galatasaray Istanbul. Für viele stellte sich also hauptsächlich die Frage, ob Paris oder Madrid den Gruppensieger stellen wird.

Am ersten Spieltag gab es diesbezüglich bereits einen deutlichen Fingerzeig. Im Hinspiel gegen die Madrilenen deklassierte die Tuche-Elf Zidanes Team mit 3:0 und ließ wenig Fragen offen. Oft wird Paris zu wenig Balance vorgeworfen, aber in diesem Duell zeigte man sich nicht nur offensiv, sondern auch defensiv in Topform und unterstrich früh die bekannten Ambitionen des Klubs. Es folgten vier weitere Siege und ein Remis in Madrid. Mit 16 Punkten von möglichen 18, 17 erzielten Toren und nur zwei Gegentoren, lieferte man eine extrem souveräne Qualifikation für das Achtelfinale.

Der einzige Punkt, den man hier kritisch erwähnen könnte, sind die vermeintlich schwachen Gruppengegner aus Istanbul und Brügge. Doch gerade Brügge spielte schon im letzten Jahr keinen schlechten Fußball und bestätigte die Qualität auch in dieser Saison. Ein absoluter Selbstläufer war es also nicht. Und die direkten Duelle mit Real unterstrichen, dass man bereit ist für die ganz großen Gegner.

Man kann gar nicht alle bringen

Trotz ordentlicher Defensivleistungen in diesem Jahr, bleibt natürlich die Offensive das Prunkstück der Franzosen. In diesem Mannschaftsteil tummelt sich absurd viel Qualität. Mit Icardi und Cavani stehen zwei Mittelstürmer von Weltklasseformat zur Verfügung, Ángel Di María ist in herausragender Verfassung und kaum wegzudenken. Kylian Mbappé unterstreicht immer wieder, welch besonderes Talent in ihm schlummert. Der Angreifer ist in der Offensive überall unterwegs und kann mit seinem Tempo sowie seinen technischen Fertigkeiten jeden Gegner vor Probleme stellen.

PSG Monaco
(Photo by ANNE-CHRISTINE POUJOULAT/AFP via Getty Images)

Neuzugang Pablo Sarabia funktioniert in der Zentrale und spielt eine starke Saison. Dazu kommt natürlich noch Neymar, der zuletzt angeschlagen ausfiel. Doch Tuchel kündigte an, dass der teuerste Spieler der Geschichte mit nach Dortmund reisen werde. Es ist also schlicht unmöglich, all diese Spieler in der Startelf unterzubringen. Das ist die Definition von Luxusproblem. Meist erhält mittlerweile Icardi den Vorzug vor Edinson Cavani, der den Verein verlassen wird. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Icardi, Mappe, Neymar und Di Maria auf die wacklige BVB-Abwehr zustürmen werden. Eine Tatsache, die es schwer macht in PSG nicht den Favoriten in diesem Duell zu sehen.

Der Trainer und die Stars

Natürlich werden nicht nur die Superstars im Rampenlicht stehen, sondern auch Coach Thomas Tuchel. Denn dieser kehrt zurück an seine alte Wirkungsstätte. Schon an sich ein gutes Narrativ, doch wenn man sich jetzt noch an die Art des Abgangs erinnert, schreiben sich die Geschichten von selbst. Der berühmte Dissens mit Hans Joachim Watzke sorgte für das Ende der BVB-Karriere Tuchels und aufgrund des Schweigens beider Parteien immer noch für teils wilde Spekulationen. Der DFB-Pokal, den Tuchel in seinem letzten Spiel gewann blieb bis heute der letzte Titel für den BVB, wenn man mal den Supercup außer Acht lässt. Feststeht: Tuchel ist kein einfacher Charakter und nur aus Lust und Laune wird wohl kein erfolgreicher Coach entlassen. Es dürfte also nahe liegen, dass das Verhältnis zwischen Tuchel und seinem Ex-Klub auch heute nicht fantastisch ist.

(Photo by Kenzo TRIBOUILLARD / AFP)

Genau solche Nebengeschichten machen Fußball dann eben zu mehr als einem Sport und geben einem Champions-League-Duell die letzte Würze. Vieles spricht für einen besonderen Abend vor einer tollen Kulisse. Doch nicht nur in Dortmund scheint Tuchel zwischenmenschliche Probleme gehabt zu haben. Auch in seiner jetzigen Mannschaft kommt es immer wieder zu Konflikten mit den nicht so pflegeleichten Superstars. Mbappé zeigte sich mehrfach bei Auswechslungen deutlich verstimmt, Neymar wollte schon im Sommer wechseln und Cavani dürfte aufgrund geringer Spielzeit auch nicht der beste Freund des Coaches sein. Der deutsche Trainer ist eben Teil eines Haifischbeckens in Paris. Große Egos und keine Sicherheit für den Trainer, wenn man nicht auch auf europäischer Ebene überzeugt. Tuchel spielt effektiv im Stadion seines alten Arbeitgebers um seine neue Arbeitsstelle.

Prognose

Beide Teams überragen gerade offensiv. Der BVB ist defensiv oft überfordert, scheint diese Probleme im heimischen Stadion allerdings meist deutlich besser beheben zu können als auf fremden Rasen. Das bedeutet auch, dass dieses Hinspiel die große Chance für Dortmund ist, vorzulegen. Favorit ist dennoch das Team aus Paris. Viele Vorzeichen deuten auf eine spektakuläre Partie hin, die unabhängig vom Ergebnis zumindest alle Zuschauer zu Gewinnern machen könnte.

Aufstellungen

BVB: Bürki, Zagadou, Hummels, Piszczek, Guerreiro, Witsel, Can, Hakimi Sancho, Haaland, Hazard

PSG: Navas, Bernat, Silva, Kimpembe, Meunier, Gueye, Verratti, Neymar, Di Maria, Mbappé, Icardi

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(Photo by Kenzo TRIBOUILLARD / AFP)

Julius Eid

Julius Eid

Seit 2018 bei 90PLUS, seit Riquelme Fußballfan. Gerade die emotionale Seite des Sports und Fan-Themen sind Julius‘ Steckenpferd. Alleine deshalb gilt: Klopp vor Guardiola.


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