EURO 2020 | Englands Elfmeterdrama geht weiter! Italien ist Europameister!

11. Juli 2021 | Vorschau | BY Victor Catalina

Vorhang auf für den Schlussakkord einer äußerst ereignisreichen Europameisterschaft! Im Finale traf Italien auf England. Nach 120 Minuten stand es 1:1, so ging es zum Punkt, wo England gleich dreimal vergab. Italien gewinnt das Elfmeterschießen 3:2 – und ist neuer Europameister!

Shaw überrumpelt Italien – England führt verdient zur Pause

Italien trat mit genau derselben Elf an, die bereits Spanien 5:3 nach Elfmeterschießen besiegt hatte. Emerson Palmieri vertrat erneut Leonardo Spinazzola, der sich gegen Belgien einen Achillessehnenriss zugezogen hatte, aber trotzdem in Wembley anwesend war.

Gareth Southgate rotierte auf einer Position, Kieran Trippier kam für Bukayo Saka in die Mannschaft. Damit tritt England – wie schon beim 2:0-Sieg gegen Deutschland – im 3-4-2-1 auf. Harry Maguire und Kyle Walker bildeten neben John Stones die defensiven Außen, während Raheem Sterling sowie Mason Mount vorne auf der Doppelzehn für Kreativität sorgen sollten.

 



 

Der Kochtopf Wembley hatte sofort die nötige Temperatur erreicht. Schon nach 30 Sekunden wurden Ballgewinne wie Tore gefeiert. Zwar verursachte Harry Maguire nach weniger als einer Minute relativ leichtsinnig einen Eckball. Den konnte er aber selbst bereinigen. Luke Shaw startete mit einem Ballgewinn den Konter, über Harry Kane kam die Kugel zu Kieran Trippier. Dessen Maßflanke fand am zweiten Pfosten erneut Shaw, der – von Italiens Verteidigung völlig alleingelassen – per Dropkick ins kurze Eck vollendete. In der Mitte kümmerten sich zwei Mann um Kane, auch Donnarumma machte nicht den allerbesten Eindruck. England nahm das Geschenk dankend an. 0:1, 2. Minute – und für Luke Shaw das erste Länderspieltor.

England führt, Italien kommt besser ins Spiel

Zum ersten Mal bei diesem Turnier war Italien in Rückstand. Das sah man der Mannschaft von Roberto Mancini auch an. In den ersten Minuten standen die blaue Lok gänzlich falsch herum am Gleis.Immer wieder gab es Unsicherheiten im eigenen Spiel, Abspielfehler und einfache Ballverluste. Nach 10 Minuten wiederholte England den Angriff, der zum 1:0 führte. Wieder fand Kane rechts Trippier, wieder durfte dieser freistehend flanken. Diesmal hatte Di Lorenzo Glück, dass Shaw nicht mehr in seinem Rücken stand. Er klärte trotzdem zur Ecke, die nichts einbrachte.

Danach verflachte die Partie etwas, England ließ Italien auch mehr kommen, weil sie nun hatten, wonach sie suchten. So dauerte es bis zur 35. Minute, bis sich offensiv wieder etwas tat. Federico Chiesa setzte sich dreimal robust gegen Declan Rice durch, zog in die Mitte. Sein Abschluss ging einen guten Meter am rechten Pfosten vorbei. Italien kam, je näher es Richtung Pause ging, immer besser ins Spiel. 45’+1, Ciro Immobile nahm eine Flanke von rechts per Dropkick, John Stones blockte, den Rebound beförderte Marco Verratti in die Arme von Jordan Pickford. So reichte Shaws Treffer nach 117 Sekunden, der schnellste in einem EM-Finale, zur verdienten Pausenführung. Die italienische Philharmonie spielte bislang nach unterschiedlichen Partituren, während sich England als harmonische, gut funktionierende Einheit präsentierte. Nach der Führung ließen sie die Italiener zwar kommen, blieben aber trotzdem aktiv und lauerten auf weitere Aussetzer.

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Bonucci belohnt Italiens Druck – und rettet seine Mannschaft in die Verlängerung

Ein Aussetzerchen gab es in Minute 48. Torschütze Shaw drehte sich auf dem linken Flügel geschickt und nahm Raheem Sterling mit. Der ging noch ein paar Schritte und fiel – aber Björn Kuipers nicht darauf herein. Im direkten Gegenzug musste Sterling hinten aushelfen, brachte Lorenzo Insigne an der Strafraumkante zu Fall. Des Freistoßes nahm er sich selbst an – rechts vorbei.

Gut zehn Minuten nach Wiederanpfiff wechselte Roberto Mancini erstmals. Bryan Cristante und Domenico Berardi kamen für die blass gebliebenen Nicolò Barella und Ciro Immobile. Ersterer war zudem noch gelb vorverwarnt. In den nächsten Minuten beschränkten sich beide auf Halbchancen. Erst scheiterte Insigne aus kurzer Distanz, dann setzte Harry Maguire eine Freistoßflanke von Luke Shaw relativ deutlich über das Tor.

Photo LaPresse – Fabio Ferrari/imago

Aber Italien gelang es nun, die Engländer am eigenen Strafraum festzutackern. In der 62. Minute setzte sich Federico Chiesa erneut robust durch, zog diesmal von links nach innen. Bei seinem Abschluss aufs lange Eck musste Jordan Pickford alles auspacken. Den ersten Warnschuss hatten die Engländer überstanden, der zweite saß. 67. Minute, ein Eckball rauschte bis an den zweiten Pfosten zu Marco Verratti durch. Pickford lenkte seinen Abschluss an den Pfosten, Leonardo Bonucci verwandelte den Rebound aus einem halben Meter Entfernung. Der inzwischen verdiente Ausgleich.

England fing nun an zu wackeln. In der 73. Minute löste sich Berardi im genau richtigen Moment von Shaw. Seine Direktabnahme ging relativ klar über das Tor. Gareth Southgate war nun gefordert und brachte Bukayo Saka und Jordan Henderson für Kieran Trippier und Declan Rice. Auch die Stimmung in Wembley ist mit wachsender italienischer Dominanz deutlich abgeflacht. Gegen Ende der Partie wurde England nochmal aktiver. Aber letztendlich lief es – wie in beiden Halbfinals – auf die Overtime hinaus.

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Schlagabtausch geht weiter – Italiens Großchance verpufft

Mancini brachte gleich zu Beginn Andrea Belotti für Lorenzo Insigne. Damit war Italien nach der Auswechslung von Ciro Immobile wieder mit einer echten Nummer Neun unterwegs. Diese nahm sich in der 99. Minute aus gut 20 Metern den Abschluss – ohne Gefahr. Es waren die Engländer, die besser in diese Verlängerung fanden, aktiver wirkten. Schon drei Minuten zuvor kam Raheem Sterling über links durch, doch Chiellini klärte im letzten Moment zur Ecke. Auch diese verpuffte wirkungslos.

Je länger diese erste Halbzeit der Verlängerung dauerte, desto mehr kam Italien auf – vor allem in der 103. Minute. Leonardo Bonucci eröffnete stark für Emerson. Der setzte sich über links gegen Kyle Walker durch, gab scharf in den Fünfer. Dort klärte Pickford gerade so vor dem einspringenden Bernadeschi.

Donnarumma klärt vor Stones – Elfmeterschießen zwischen Italien und England

Auch nach der Pause machte England das Spiel. Man sah der Mannschaft an, dass sie – qua eigener Vergangenheit – um ein Elfmeterschießen herumkommen wollte. 104. Minute, ein ansatzloser Schuss von Jack Grealish wurde geblockt, Kane machte die Geschichte per Flanke nochmal scharf, in der Mitte touchierte Gianluigi Donnarumma die Kugel mit dem Unterarm so, dass Stones per Kopf nicht mehr dran kam. In der 120. Minute kamen Marcus Rashford und Jadon Sancho für Jordan Henderson und Kyle Walker. Diese Wechsel waren mit einem klaren Hintergedanken versehen: Elfmeterschießen. Diese Europameisterschaft trieb es auf die Spitze.

Englands Elfmeterdrama geht weiter – Donnarumma pariert Italien zum Titel!

Erst zum zweiten Mal nach 1976 – als Uli Hoeneß die Kugel in den Belgrader Nachthimmel beförderte und Antonin Panenka einem Schuss seinen Namen gab – ging es in einem EM-Finale wieder an den Punkt. Domenico Berardi und Harry Kane hießen die ersten Schützen, beide verwandelten sicher unten links. Andrea Belotti nahm sich des zweiten Elfmeters für Italien an, doch anders als gegen Spanien vergab er diesmal. Seinen Versuch aufs rechte Eck parierte Jordan Pickford. Harry Maguire wusste diesen Vorteil zu nutzen und traf per Vollspan in den rechten Winkel.

Italien war nun gefordert. Torschütze Leonardo Bonucci trat an. Auch er entschied sich für den Winkel, allerdings den gegenüberliegenden. Pickford hatte die Richtung geahnt, konnte diesem platzierten Schuss aber nichts entgegensetzen. Marcus Rashford hatte trotzdem die Gelegenheit, Englands Vorteil wiederherzustellen. Er wartete lange, verzögerte – und setzte die Kugel zentral an den linken Pfosten.

Rashfords Elfmeter läutet das englische Drama ein, Donnarumma und Pickford parieren doppelt

Italien kam in diesem Elfmeterschießen nochmal davon. Auch, weil Federico Bernadeschi sich von der Atmosphäre in Wembley nicht aus dem Konzept bringen ließ und lässig flach in die Mitte traf, das 3:2 für die Azzurri. Mit Jadon Sancho trat nun der zweite Akteur an, den Southgate explizit für das Elfmeterschießen gebracht hat. Auch er verzögerte kurz – und musste mitansehen, wie Donnarumma die rechte Ecke korrekt erahnte und für Schweigen im weiten Rund sorgte.

Das bedeutete nun, das Italien mit dem nächsten Versuch alles klarmachen konnte. Wie schon gegen Spanien schritt Jorge Luiz Frello Filho, Jorginho zum Punkt. Ein kurzer Anlauf, ein kleiner Sprung – und eine große Parade von Jordan Pickford, der die Kugel an den linken Pfosten lenkte. Die italienischen Fans konnten es kaum glauben – und ein ganzes Stadion in weiß schrie die Erleichterung in den Londoner Nachthimmel. Doch noch immer lagen sie zurück. Bukayo Saka musste treffen, damit es weitergeht. Die Hoffnung einer gesamten Nation lag auf den Schultern eines 19-Jährigen. Er entschied sich für das rechte Eck, das tat Donnarumma allerdings auch, England vergab den dritten Elfmeter in Folge. Somit gewinnt Italien 4:3 nach Elfmeterschießen und ist Europameister 2020!

Photo: Andrea Staccioli/Insidefoto/imago

Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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