WM2018-Vorschau: Gruppe D – Argentinien, Island, Kroatien, Nigeria

9. Juni 2018 | Global News | BY Damian Ozako

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Am 14. Juni beginnt die Weltmeisterschaft 2018 in Russland und auch in diesem Jahr kämpfen 32 Nationen um den begehrten WM-Titel. In der Gruppe D trifft Argentinien mit Superstar Lionel Messi auf Island, Kroatien und Nigeria. Diese Konstellation verspricht große Spannung.

Natürlich sind Argentinien und Kroatien die großen Favoriten in dieser Gruppe, aber mit Nigeria und Island haben die beiden Mannschaften zwei unangenehme Gegner. Island will nach der starken EM 2016 ein weiteres Ausrufezeichen setzten und die Afrikaner sind so gefestigt wie schon lange nicht mehr. Reicht es für eine Überraschung?

 

Der Spielplan der Gruppe D

16.06., 15 Uhr – Argentinien vs. Island (Moskau)

16.06., 21 Uhr – Kroatien vs. Nigeria (Kaliningrad)

21.06., 21 Uhr – Argentinien vs. Kroatien (Nischni Nowgorod)

22.06., 17 Uhr – Nigeria vs. Island (Wolgograd)

26.06., 20 Uhr – Nigeria vs. Argentinien (St. Petersburg)

26.06., 20 Uhr – Island vs. Kroatien (Rostov)

 

Unten geht es zu den jeweiligen Vorschauen…

 

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Argentinien: Durchwachsene Quali

Die „Albiceleste“ können froh sein, dass sie überhaupt für die WM qualifiziert sind. Aus den ersten drei Quali-Spielen konnte der aktuelle Vizeweltmeister gerade mal zwei Punkte holen und startete denkbar schlecht in die Qualifikation. Danach legte man zwar eine kleine Siegesserie hin und konnte vier Spiele in Folge gewinnen, aber sie konnten die verbesserte Ausgangslage nicht nutzen um die Quali souverän zu Ende zu spielen. Immer wieder trat die Mannschaft merkwürdig lethargisch auf und ließ unnötig Punkte liegen. Vier Spiele vor Schluss übernahm dann Jorge Sampaoli die Argentinier und sollte für eine Leistungssteigerung sorgen. Aber es folgten drei ernüchternde Unentschieden gegen Uruguay, Venezuela und Peru. Erst am letzten Spieltag konnten sie noch dank eines Sieges gegen Ecuador vom sechsten auf den dritten Platz klettern. Argentinien hat begnadete Einzelspieler, vor allem im Offensivbereich, aber sie müssen zusehen, dass sie im Kollektiv besser agieren. Ansonsten könnte die WM aus der Sicht der Südamerikaner schnell zu einer Katastrophe werden.

Der endgültige Kader

TOR: Willy Caballero (Chelsea),  Franco Armani (River Plate), Nahuel Guzman (Tigres)

ABWEHR: Gabriel Mercado (Sevilla), Javier Mascherano (Hebei Fortune), Nicolas Otamendi (Man. City), Eduardo Salvio (Benfica), Federico Fazio (Roma), Marcos Rojo (Man. United),  Nicolas Tagliafico (Ajax), Marcos Acuna (Sporting), Cristian Ansaldi (FC Turin)

MITTELFELD: Maximiliano Meza (Independiente), Lucas Biglia (Milan),  Ever Banega (Sevilla), Giovani Lo Celso, Angel Di Maria (PSG), Cristian Pavon (Boca Juniors)

ANGRIFF: Gonzalo Higuain, Paulo Dybala (Juventus), Lionel Messi (Barcelona), Sergio Agüero (Man. City)

Anmerkung: Manuel Lanzini zog sich einen Kreuzbandriss zu und verpasst das Turnier in Russland. Bis jetzt wurde noch kein Spieler für ihn nachnominiert.

 

Der Trainer: Jorge Sampaoli

Jorge Sampaoli will bei dieser Weltmeisterschaft beweisen, dass seine vorherigen Erfolge als Nationaltrainer nicht zufällig waren. Mit Chile sorgte er bei der WM in Brasilien schon für Furore und ließ unter anderem Spanien in der Gruppenphase hinter sich. Im Achtelfinale verlor man dann knapp gegen den Gastgeber im Elfmeterschießen. Im darauffolgenden Jahr holte er dann Chiles ersten Titel als man sich im Finale der Copa América gegen Argentinien durchsetzte. Dieses Jahr will er mit der „Albiceleste“ seine erfolgreiche Zeit auf Verbandsebene fortsetzen.

(LLUIS GENE/AFP/Getty Images)

Findungsphase

Kurz vor WM-Beginn weiß Argentinien noch nicht so richtig wo es steht. Sampaoli hat noch nicht herausgefunden wie er spielen lassen soll. Die Mannschaft wirkte teilweise überfordert und verlor unter anderem gegen Gruppengegner Nigeria mit 2:4 und gegen Spanien gab es ein 1:6-Debakel. In beiden Spielen trat Argentinien ohne Messi an, aber sie haben trotzdem genug starke Einzelspieler, sodass solche Ergebnisse eigentlich nicht zustande kommen dürften. Das aggressive Pressing, das Sampaoli in Chile exzellent ausführen ließ, greift bei den Argentinieren noch absolut gar nicht und die Defensive steht oftmals vor größeren Problemen. Wirklich stabil wirkt das ganze Konstrukt noch nicht. In der Offensive sucht man hingegen noch nach dem richtigen Lösungsansatz um die Spieler effektiv in Szene zu setzen.

 

Bis zur WM muss Sampaoli noch einiges klären, aber er hat auch eine ordentliche Grundlage geschaffen. Mit Mascherano, Otamendi, Biglia, Lo Celso und Banega hat man genügend Spieler im Kader, die ein ballbesitzintensives Spiel bestreiten können und das Spiel von hinten heraus gut aufbauen können. Spielkontrolle dürften sie ohne Probleme entwickeln, aber die Mannschaft wirkt noch nicht gefestigt genug um daraus auch ordentlich Kapital zu schlagen. In der Offensive müssen sie mehr Zug entwickeln und das vorhandene Spielermaterial effektiver einsetzen. Das Potenzial um beim Titelkampf mitzumischen ist auf jeden Fall vorhanden. Aber ob sie es bis dahin umgesetzt bekommen, ist fraglich.

 

Schlüsselspieler: Lionel Messi

Der Erfolg Argentiniens hängt hauptsächlich von einem Mann ab: Lionel Messi. Er hält diese Mannschaft am Leben und führte sie nach seinem Rücktritt vom Rücktritt noch nach Russland. Die Argentinier waren kurz davor zum ersten Mal eine WM zu verpassen bis „La Pulga“ im letzten Quali-Spiel nach Rückstand noch drei Tore gegen Ecuador erzielte und den Traum vom dritten WM-Titel aufrecht erhielt. Ohne ihn ist Argentinien direkt zwei Klassen schlechter und trotzdem hat es Messi bei seinen Landsmännern nicht leicht. Er steht im Schatten von Diego Maradona, der 1986 Weltmeister wurde. Messi hingegen verlor schon vier Endspiele im Trikot der Südamerikaner. Es ist seine vermutlich letzte Chance um sich doch noch zu einem der ganz Großen in seinem Land zu erheben. Ansonsten bliebe ein fader Beigeschmack, wenn man an Messis Nationalmannschaftskarriere denken würde. Er wird von Sampaoli alle Freiheiten gewährt bekommen um sein Spiel vollkommen entfalten zu können. Der 58-Jährige weiß, dass Argentinien nur mit einem Messi in Topform eine Chance auf den Titel hat.

(Photo by Gabriel Rossi/Getty Images)

Prognose: Individuell zu stark

Egal wie viele Schwächen das System Sampaolis noch zu Turnierbeginn haben wird, diese Mannschaft wird definitiv ins Achtelfinale einziehen. Gegen Kroatien könnte es extrem unangenehm werden, aber Island und Nigeria wird man allein schon aufgrund der individuellen Qualität der Einzelspieler hinter sich lassen. Nach der Gruppenphase kann dieses Turnier für die Argentinier jedoch noch in jede Richtung gehen. Sie sind die Wundertüte unter den Mannschaften des Favoritenkreises. 

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Island: Überraschend souverän

Nach ihrer starken EM vor zwei Jahren sind die Isländer auch bei der diesjährigen WM vertreten. Sie hoffen, dass sie für die nächsten Furore sorgen können. Es ist die erste WM-Teilnahme für die isländische Nationalmannschaft. Vor fünf Jahren scheiterte man noch in den Playoffs knapp am kommenden Gruppengegner Kroatien. Diesen ließ man dann in der vergangenen WM-Quali überraschend hinter sich und qualifizierte sich als Gruppenerster für die Endrunde in Russland. Nach einem Unentschieden zum Auftakt gegen die Ukraine holte man zwei Siege gegen Finnland und die Türkei. Kroatien war dann am 4. Spieltag eine Nummer zu groß und fügte den Isländern die erste Niederlage hinzu. Danach präsentierte sich der Underdog bis auf eine überraschende Niederlage in Finnland äußerst souverän und konnte die restlichen Spiele allesamt für sich entscheiden. Vor allem in den letzten drei Gruppenspielen ließ man absolut nichts mehr anbrennen und trat insbesondere beim Auswärtsspiel in der Türkei ziemlich abgebrüht auf. Dort gewann man letztendlich mit 3:0 und war nun endgültig auf WM-Kurs. Mit einem 2:0-Heimsieg gegen den Kosovo machte man den Gruppensieg letztendlich perfekt. Ob sie wie bei der EM in die K.O.-Phase einziehen können, ist fraglich, aber sie haben definitiv die Qualitäten um die anderen Teams in der Gruppe vor Probleme zu stellen.

 

Der endgültige Kader

TOR: Hannes Thor Halldorsson (Randers FC), Frederik Schram (Roskilde), Runar Alex Runarsson (Nordsjaelland)

ABWEHR: Kari Arnason (Aberdeen), Ari Freyr Skulason (Lokeren), Ragnar Sigurdsson (Rostov), Birkir Mar Saevarsson (Valur Rejkjavik), Holmar Örn Eyjolfsson (Levski Sofia), Hördur Magnusson (Bristol City), Sverrir Ingi Ingason (Rostov)

MITTELFELD: Aron Gunnarsson (Cardiff City), Olafur Ingi Skulason (Karabükspor), Rurik Gislason (SV Sandhausen), Emil Hallfredsson (Udinese Calcio), Birkir Bjarnason (Aston Villa), Gylfi Sigurdsson (Everton), Arnor Ingvi Traustason (Malmö), Samuel Fridjonsson (Valerenga)

ANGRIFF: Björn Sigurdarson (Rostov), Alfred Finnbogason (Augsburg), Johann Berg Gudmundsson (Burnley), Jon Dardi Bödvarsson (Reading) , Albert Gudmundsson (PSV Eindhoven)

 

Der Trainer: Heimir Hallgrímsson

Vor zwei Jahren führte das Trainer-Duo Lars Lagerbäck und Heimir Hallgrímsson den krassen Außenseiter Island ins Viertelfinale der Europameisterschaft. Nach diesem großartigen Turnier trat der Schwede zurück und der Zahnarzt Hallgrímsson wurde der alleinige Cheftrainer. Seit Herbst 2011 war er als Assistent im Trainerteam tätig und nach der knapp verpassten Qualifikation für die WM 2014 stieg er zum gleichberechtigten Partner Lagerbäcks auf. Jetzt hat der 50-Jährige bewiesen, dass er auch alleine sehr gut klar kommt und ein gestandener Trainer ist. Seine Tätigkeiten als Zahnarzt musste er aufgrund der Verpflichtungen als alleiniger Coach ruhen lassen und konzentrierte sich fortan komplett auf den Fußball. Das hat offensichtlich sehr gut funktioniert.

(Photo by Mike Stobe/Getty Images)

Simpler Fußball

Es hat sich im Vergleich zur EM relativ wenig getan und die Isländer legen den Fokus weiterhin auf eine stabile Defensive. In einem simplen 4-4-2 ordnen sich die Nordeuropäer an und versuchen den Gegner mit aggressivem Pressing unter Druck zu setzen. Die Offensivspieler sind permanent unterwegs um den Aufbau des Gegners zu stören und im Mittelfeld lassen sie ihrem Gegenüber keine Zeit für ein geordnetes Aufbauspiel. Der Mannschaft von Hallgrímsson ist es wichtig den Ball sehr früh zu erobern, weil ihr für ein gefährliches Umschaltspiel aus der eigenen Defensive heraus das Tempo fehlt. Bis auf Gylfi Sigurdsson und Johann Berg Gudmundsson fehlt ihnen auch das spielerische Talent im Kader um gepflegten Ballbesitzfußball zu spielen. Die Isländer setzen lieber auf lange und hohe Bälle. Als Abnehmer dienen der Augsburger Alfred Finnbogason und Björn Sigurdarson.

 

Gelingt es den Gegnern eine hohe Dominanz im Spiel gegen die Isländer zu entwickeln, werden diese Probleme bekommen ihr Pressing vernünftig auszuführen. Werden die Nordeuropäer über einen längeren Zeitraum an den eigenen Sechzehner gedrängt, greifen ihre Mechanismen nicht mehr und die defensive Stabilität geht verloren. Deshalb werden sich die Partien mit isländischer Beteiligung zumeist im Mittelfeld entschieden. Geht hier der Plan von Island auf, kann es für jeden Gegner schwierig werden.

 

Schlüsselspieler: Gylfi Sigurdsson

Für Island wird die Form von Gylfi Sigurdsson elementar wichtig sein. Der 28-Jährige Offensivallrounder hat eine schwierige Saison beim FC Everton hinter sich und ob der Rekordeinkauf der „Toffees“ zur WM in Topform sein wird, bleibt fraglich. Mitte März hat er sich am Knie verletzt und konnte nicht mehr für seinen Klub auflaufen. Nach seinem Wechsel von Swansea wirkte er teilweise gehemmt und brauchte ein wenig Anlaufzeit. Im Laufe der Saison kam er zwar immer besser in Fahrt, aber von konstant guten Leistungen war er noch weit entfernt. In Islands Elf übernimmt er eine defensivere Rolle als bei Everton ein und kommt hauptsächlich im zentralen Mittelfeld zum Einsatz. Wenn bei Island irgendetwas spielerisch gelöst werden muss, ist er derjenige der dies angehen muss. Auch im Pressing spielt er eine wichtige Rolle. Ohne Sigurdsson verliert Island die Bindung zwischen Defensive und Offensive.

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Prognose: Knappe Kiste

Island wird genauso auftreten wollen wie vor zwei Jahren in Frankreich. Der Spirit stimmt wieder und die Spieler haben ordentlich Selbstvertrauen getankt. Dass sie in der WM-Quali Kroatien schon einmal hinter sich lassen konnten, zeigt, dass mit ihnen zu rechnen ist. Eine Überraschung ist nicht komplett ausgeschlossen, aber die Aufgaben bei dieser WM sind deutlich komplizierter als noch bei der letzten EM. Die Isländer werden sich ordentlich präsentieren, aber knapp scheitern.

 

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Kroatien: Letzte Chance

Die Kroaten landeten in ihrer Quali-Gruppe überraschenderweise nur auf dem zweiten Platz hinter Island. Gegen die Isländer sowie gegen die Türken verloren sie jeweils ein Spiel, aber vor allem das Unentschieden gegen Finnland am vorletzten Spieltag kostete den Kroaten die direkte Qualifikation für die WM. In den Playoffs gegen Griechenland stürmten die Favoriten dann sofort los und führten schon nach 33 Minuten mit 3:1. Kurz nach der Pause erzielte der Hoffenheimer Andrej Kramaric den Treffer zum 4:1 und sorgte dafür, dass man ohne großen Druck ins Rückspiel gehen konnte. Nach einer Nullnummer war dann klar, dass Kroatien zum fünften Mal an einer WM-Endrunde teilnehmen darf. Die Mannschaft ist eine der ältesten des Turniers und hat das Potenzial um ziemlich weit zu kommen. Ein gewisser Druck ist jedoch auch vorhanden, weil es eben für viele Leistungsträger die letzte WM sein dürfte.

 

Der endgültige Kader

TOR: Danijel Subasic (AS Monaco), Lovre Kalinic (KAA Gent), Dominik Livakovic (Dinamo Zagreb)

ABWEHR: Vedran Corluka (Lok. Moskau), Domagoj Vida (Besiktas), Dejan Lovren (Liverpool), Sime Vrsaljko (Atletico), Tin Jedvaj (Leverkusen), Josip Pivaric (Dynamo Kiew), Duje Caleta-Car (RB Salzburg), Ivan Strinic (Sampdoria)

MITTELFELD: Filip Bradaric (Rijeka), Milan Badelj (Fiorentina), Marcelo Brozovic (Inter), Mateo Kovacic, Luka Modric (Real Madrid), Ivan Rakitic (FC Barcelona)

ANGRIFF: Ante Rebic (Eintracht Frankfurt), Marko Pjaca (Schalke 04), Andrej Kramaric (Hoffenheim), Ivan Perisic (Inter), Nikola Kalinic (Milan), Mario Mandzukic (Juventus)

 

Der Trainer: Zlatko Dalic

Der 51-Jährige Dalic übernahm die kroatische Auswahl erst zum letzten Gruppenspiel und startete mit einem 2:0-Auswärtssieg gegen die Ukraine. Dass die Favoriten nur auf dem zweiten Platz hinter Island landeten, lag also nicht an Dalic. Nach den souveränen Playoffs gegen Griechenland sprach Verbandspräsident Davor Suker dem neuen Trainer sein vollstes Vertrauen aus. Denn nicht wenige zweifelten am neuen Trainer. Zuvor arbeitete er fast drei Jahre lang für den FC Al-Ain in der ersten Liga der Vereinigten Arabischen Emirate. Keine beeindruckende Karrierestation, aber trotzdem hat er die Chance bekommen die kroatische Startruppe trainieren zu dürfen.

(Photo by Dan Mullan/Getty Images)

Noch kein passendes System

Kroatien hat das Zeug zum Geheimfavoriten, aber macht aus seinen Möglichkeiten deutlich zu wenig. Der Kader ist individuell in fast allen Mannschaftsteilen sehr stark besetzt, aber agiert dann im Kollektiv ein wenig kopflos. Mit Rakitic und Modric haben sie zwei herausragende Mittelfeldspieler, die beide aber am liebsten die rechte Achterposition bekleiden. Das führt dazu, dass einer von ihnen nicht auf seiner Lieblingsposition ran darf. Unter Dalic ist es Modric, der im 4-2-3-1 auf die Zehn geschoben wird. Es gibt natürlich schlechtere Alternativen auf dieser Position, aber dadurch kann der Mittelfeldspieler von Real Madrid nicht so stark wie gewohnt im Spielaufbau mitwirken. Ein herber Verlust für alle Beteiligten.

 

Kroatien wird versuchen seine Gegner über einen hohen Ballbesitzanteil zu dominieren, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass dafür in vielen Bereichen noch Kleinigkeiten fehlen. Findet Dalic in einem passenden System die richtige Aufteilung für seine Spieler, dürfte Kroatien das Achtelfinale nicht zu nehmen sein. Hinten stehen sie solide und vorne haben sie mit Perisic, Mandzukic, Kramaric und Rebic viele starke und unterschiedliche Spielertypen. Sie müssen es nur endlich schaffen Konstanz in ihr Spiel zu kriegen. Dann können all diese individuell so brillanten Fußballer gut in Szene gesetzt werden.

 

Schlüsselspieler: Luka Modric

Obwohl Modric gezwungenermaßen ein anderes Spiel aufziehen muss als bei Real, ist er der wichtigste Spieler im Kader Kroatiens. Ohne ihn wäre diese Mannschaft sofort eine Klasse schlechter. Zusammen mit Rakitic bildet er eines der stärksten Mittelfeldpaare dieser WM. Jede Nation wäre froh, wenn sie einen so dermaßen ballsicheren und zugleich kreativen Spieler in ihren Reihen hätte. Auch wenn Dalic ihn weiter vorne einsetzt, kann er sich in schwierigen Situationen fallen lassen und den Spielaufbau kurzerhand selbst einleiten. Im letzten Drittel behält er die Ruhe am Ball und kann für den entscheidenden letzten Pass sorgen. Wie erfolgreich das Turnier für die Kroaten läuft, hängt zu großen Teilen auch von Modrics Leistung ab.

(Photo by Alex Livesey/Getty Images)

Prognose: Weiterkommen gesichert

Kroatien spielt den gepflegtesten Fußball in dieser Gruppe. Trotz aller Schwächen in ihrem System. Klar ist, dass sie deutlich mehr aus ihren Möglichkeiten machen müssten, aber das Achtelfinale sollte mindestens drin sein. Nur durch eigene Unzulänglichkeiten könnten sie schon in der Gruppenphase scheitern, aber die Mannschaft ist erfahren genug um sich souverän durchzusetzen. 

 

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Nigeria: Wiedererstarkt

Die „Super Eagles“ sind so stark wie schon lange nicht mehr und kommen mit Euphorie nach Russland. Die WM-Quali haben sie äußerst souverän hinter sich gebracht. Nigeria stieg in der zweiten Runde ein und setzte sich dort gegen Swasiland durch. In der darauffolgenden Gruppenphase hatten sie eine deutlich kompliziertere Aufgabe vor sich. Mit Sambia, Kamerun und Algerien hatten die Westafrikaner durchaus unangenehme Gegner vor der Brust. Doch keiner dieser Mannschaften schaffte es die Nigerianer aufzuhalten. Die einzige Niederlage kassierten sie am grünen Tisch: Da Rohr am letzten Spieltag gegen Algerien Abdullahi Shehu einsetzte, obwohl dieser eine Gelbsperre hätte absitzen müssen, wurde das Spiel mit 3:0 für Algerien gewertet. Eigentlich endete es mit 1:1. Also ändert auch dieser Patzer nichts daran, dass sich Nigeria, zumindest sportlich gesehen, souverän qualifizieren konnte.

 

Der endgültige Kader

TOR: Ikechukwu Ezenwa (Enyimba Aba), Daniel Akpeyi (Chippa United), Francis Uzoho (La Coruna B)

ABWEHR: William Troos-Ekong, Abdullahi Shehu (Bursaspor), Leon Balogun (Mainz 05), Kenneth Omeruo (Kasimpasa), Bryan Idowu (Amkar Perm), Chidozie Awaziem (FC Nantes), Elderson Echiejile (Cercle Brügge), Tyronne Ebuehi (Den Haag)

MITTELFELD: John Obi Mikel (Tianjin Teda), Ogenyi Onazi (Trabzonspor), John Ogu (Beer Sheva), Wilfried Ndidi (Leicester City), Oghenekaro Etebo (Las Palmas), Joel Obi (FC Turin)

ANGRIFF: Odion Ighalo (Changchu), Ahmed Musa (ZSKA Moskau), Victor Moses (Chelsea), Alex Iwobi (Arsenal), Kelechi Iheanacho (Leicester),  Simeon “Simy” Nwankwo (Crotone)

 

Der Trainer: Gernot Rohr

Mit Gernot Rohr ist neben Löw ein weiterer deutscher Trainer bei der Weltmeisterschaft in Russland vertreten. Der gebürtige Mannheimer hat in den Siebzigern in Deutschland für Bayern München, Waldhof Mannheim und die Kickers Offenbach gespielt. Danach zog es ihn nach Frankreich, wo er über 350 Pflichtspiele für Girondins Bordeaux absolvierte. Dort wurde er nach seiner Karriere Trainer im Jugendbereich. In Frankreich trainierte er in der Vergangenheit Nizza, Ajaccio und Nantes. Nach zwei Jahrzehnten als Coach bekam er dann ein Angebot von Gabun und seitdem Rohr als Nationaltrainer in Afrika. Nach Gabun übernahm er noch den Niger und Burkina Faso bevor er 2016 als neuer Trainer Nigerias vorgestellt wurde. Was vor acht Jahren noch als Abenteuer startete, ist für Rohr mittlerweile Alltag. Der 64-Jährige kann sich nicht mehr vorstellen wieder ins Vereingeschäft in Europa einzugreifen.

(KIRILL KUDRYAVTSEV/AFP/Getty Images)

Solide, mehr aber auch nicht

Nigeria hat eine hohe physische Präsenz in seinem Spiel. Der Kader kann mit Robustheit, hohem läuferischen Einsatz und vielen schnellen Spielern punkten. Was den „Super Eagles“ fehlt, sind richtige Ausnahmespieler. Kapitän John Obi Mikel ist auch eineinhalb Jahre nach seinem Wechsel nach China immer noch der Anführer der Nationalelf und zeigt, dass er immer noch gut kicken kann, aber von gehobener internationaler Klasse kann man nicht mehr sprechen. Mit Ndidi, Iwobi, Iheanacho und Awaziem haben sie einige junge Spieler, denen noch ein großer Entwicklungssprung zuzutrauen ist, aber bei denen man noch nicht sicher sein kann, ob sie bei der WM in Russland dazu fähig sind ein Team zu tragen. Bei den erfahreneren Spielern ist viel Durchschnitt dabei und außer Victor Moses und Mikel konnte sich keiner von ihnen langfristig bei einem Spitzenclub durchsetzen.

 

Umso wichtiger ist es, dass Rohr es geschafft hat der nigerianischen Auswahl mehr Disziplin und taktisches Verständnis einzuhauchen. In der Defensive zeigten sich die Nigerianer sehr kompakt und konnten individuelle Schwächen im Kollektiv gut abfangen. Unter Rohr haben sie oftmals in einem 4-2-3-1 agiert, aber können mittlerweile ohne Probleme auch innerhalb des Spiels auf ein 4-4-2 oder 5-2-3 wechseln. Vor seiner Amtszeit wäre dies undenkbar gewesen. Gegen den Ball besitzen die Westafrikaner auf jeden Fall genug Klasse um allen Gruppengegnern unangenehm zu werden und ihr Umschaltspiel kann aufgrund der schnellen Außenspieler zur Waffe werden. Das Problem ist, dass Nigeria im Aufbauspiel Probleme bekommt, sobald der Gegner etwas stärkeres Pressing betreibt. Lässt man sie jedoch kontern und stört sie nicht früh genug, kann diese Mannschaft gefährlich werden.

 

Schlüsselspieler: Wilfred Ndidi

Im zentralen Mittelfeld hat Nigeria ein Talent, das jetzt schon eine wichtige Rolle im Spiel einnimmt und zur Hoffnung des Turniers werden könnte: Wilfred Ndidi. Der 21-Jährige bildet zusammen mit John Obi Mikel das zentrale Mittelfeld und ist mittlerweile genauso unverzichtbar geworden wie der 31-Jährige Kapitän. Der Spieler von Leicester City verfügt über ein starkes Passspiel. Er kann das Spiel mittlerweile immer besser lenken und setzt seine Mitspieler immer öfter gut in Szene. Seine größte Qualität ist jedoch das Spiel gegen den Ball. Hier zeigt sich Ndidi schon extrem routiniert und sorgt mit seinem Stellungsspiel und seiner Zweikampfstärke dafür, dass Mikel auch mal ins letzte Drittel vorstoßen kann und sich nicht komplett auf die Defensive fokussieren muss. Ob der 21-Jährige nach seiner Oberschenkelverletzung wirklich komplett auf der Höhe ist, bleibt abzuwarten. Er konnte zumindest am 6.6. im Spiel gegen Tschechien (0:1) sein Comeback feiern und spielte sofort durch. Für Nigeria wäre es wichtig, dass er rechtzeitig zum ersten Gruppenspiel vollkommen fit wäre.

(DANIEL LEAL-OLIVAS/AFP/Getty Images)

Prognose: Klarer Außenseiter

Nigeria ist der Underdog der Gruppe und spielerisch am schwächsten einzuschätzen. Gegen Kroatien und Argentinien müssten die Westafrikaner schon auf ein Wunder hoffen um dort einen Punkt zu holen. Gegen Island müssten sie definitiv gewinnen um ihre Chance aufs Achtelfinale zu wahren, aber auch das wäre eine extrem komplizierte Aufgabe. Im Normalfall ist für Nigeria in der Gruppenphase Schluss.

 

90Plus-Tabellenprognose
  1. Kroatien
  2. Argentinien
  3. Island
  4. Nigeria

Damian Ozako

Als Kind von Tomas Rosicky verzaubert und von Nelson Haedo Valdez auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht worden. Geblieben ist die Leidenschaft für den (offensiven) Fußball. Seit 2018 bei 90PLUS.


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