Blick über den Tellerrand | FC Porto mit Titelpremiere, Ajax-Ablösung greifbar

1. Februar 2023 | Spotlight | BY Yannick Lassmann

Die Berichterstattung über den internationalen Fußball dreht sich hauptsächlich um die führenden fünf europäischen Ligen und ihre Topklubs. Doch auch dahinter wird attraktiver Fußball geboten, auf den wir regelmäßig im „Blick über den Tellerrand“ ein genaueres Auge werfen. Unser Blick richtet sich dabei auf die deutschen Nachbarländer Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz sowie Portugal und Schottland, die in der UEFA-Fünfjahreswertung starke Positionen einnehmen.

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Primeira Liga: Porto feiert Titelpremiere, Casa Pia aus Liga zwei nach Europa?

In Portugal wurde am Samstag bereits der erste Titel der Saison vergeben. Zuvor stiegen unter der Woche die Halbfinals des Ligapokals (Taca de Liga). Sporting setzte sich mit 2:1 gegen den FC Arouca durch, während der FC Porto souverän mit 3:0 gegen Zweitligist Academico Viseu gewann. Das in Leiria durchgeführte Finale begann rasant. Stephen Eustáquio brachte die Dragoes nach zehn Minuten mit einem nicht unhaltbaren Distanzschuss in Führung. Die postwendende Antwort durch Marcus Edwards kassierte der VAR aufgrund einer hauchdünnen Abseitsstellung ein. Insgesamt stellten die Lissabonner die wesentlich aktivere Mannschaft, trafen noch vor der Pause zweimal das Aluminium und scheiterten zudem mehrmals an Claudio Ramos.

Nach dem Seitenwechsel nahm die Anzahl der Chancen ab, die Hektik dafür zu. Dies gipfelte in einigen Gelben Karten. Zu hart agierte Paulinho, der sich nach 72 Minuten die Ampelkarte einhandelte. In Überzahl ließ Porto nichts mehr anbrennen. Ivan Marcano erhöhte per Kopf infolge einer butterweichen Flanke von Pepe auf 2:0 (86.). Der titelmäßig eigentlich verwöhnte FCP feierte eine Premiere, denn erstmals seit Einführung des national eher unbedeutenden Wettbewerbs darf er die Trophäe sein Eigen nennen.

(Photo by PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP via Getty Images)

Die Primeira Liga führte angesichts des Endspiels keinen kompletten Spieltag am Wochenende durch. Vier Partien fanden dennoch am Sonntag statt. Im Einsatz befand sich auch Aufsteiger Casa Pia, der nach zwei Niederlagen am Stück wieder in die Spur fand und den insgesamt starken Eindruck bestätigte. Den 2:1-Siegtreffer  gegen das auf einem Abstiegsplatz verweilenden Santa Clara erzielte Clayton, einer von acht Brasilianern im Kader, in der fünften Minute der Nachspielzeit. Casa Pia festigt mit beeindruckenden 32 Punkten Rang fünf und kann nicht nur allmählich für eine weitere Saison in der Erstklassigkeit planen, sondern sich auch mit wohl vorhandenen Europapokal-Ambitionen auseinandersetzen.

Eredivisie: Feyenoord vor Alkmaar, Ajax trennt sich von Schreuder, Wahnsinn in Alkmaar

Anders als in Portugal gingen in der niederländischen Eredivisie in den vergangenen 14 Tagen gleich drei komplette Spieltage über die Bühne. Diese hatten es in sich. So stand das bedeutendste Spiel des Landes, „De Klassieker“, auf dem Programm. Dort besaß Feyenoord (42 Punkte) im Vergleich mit Ajax (37) Vorteile, konnte diese aber trotz der Führung durch Igor Paixao nicht in einen Sieg umwandeln. Davy Klaassen glich für über weite Strecken uninspirierte Gäste aus. Die Rotterdamer meisterten im Anschluss die Pflichtaufgabe gegen NEC Nijmegen (2:0), ehe sie beim ebenfalls hervorragend aufgelegten Twente Enschede vor eine große Herausforderung gestellt wurden. Nach turbulenten 95 Minuten stand ein leistungsgerechtes 1:1 auf der Anzeigetafel.

Feyenoord liegt somit zwei Punkte vor AZ Alkmaar (40), das sich nach Siegen über Sittard (3:1) und die Go Ahead Egales (4:1) in eine noch bessere Position hätte bringen können. Stattdessen erlebten die 16.765 Zuschauer im AFAS Stadion am Samstagabend aber ein unvergessliches Gastspiel des FC Utrecht. 0:2, 3:2, 3:3, Halbzeit, 3:4, 5:4, 5:5 lautete die Torfolge. Angesichts von 39 Torschüssen hätten sogar noch mehr Treffer fallen können. Besonders genau zielten die Spielgestalter Evangelios Pavlidis und Anastasios Douvikas, die für ihre Seiten jeweils dreimal einnetzten.

 

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Wesentlich weniger Freude empfinden momentan die Anhänger von Ajax Amsterdam. Das unglückliche 1:1 gegen Kellerkind Volendam am Donnerstagabend brachte das Fass auch bei den Verantwortlichen zum Überlaufen. Sie verkündeten nach dem Spiel die Trennung vom erst im Sommer verpflichteten, aber schon stark in der Kritik stehenden Alfred Schreuder. „In den letzten Wochen wurde immer deutlicher, dass er das Blatt nicht wenden konnte, während wir glauben, trotz der vielen Transfers über einen starken und meisterschaftswürdigen Kader verfügt zu haben“, erklärte Geschäftsführer Edwin van der Sar die Entscheidung. Interimsmäßig übernahm mit John Heitinga ein Ajax-Kenner. Sein Debüt gelang beim 4:1 über Excelsior Rotterdam. Weitere erfolgreiche Resultate müssen folgen, da Platz vier und fünf Punkte Rückstand auf die Spitze den Ansprüchen des Rekordmeisters längst nicht genügen.

Jupiler Pro League: Genk ist weiter nicht zu stoppen, Oostende und Seraing taumeln im Keller

Ebenso standen drei Spieltage in Belgien auf dem Programm. An der Spitze gab der KRC Genk (58) erneut eine herausragende Figur ab, obwohl das Gastspiel in Eupen verschoben werden musste. Dafür sammelte der Spitzenreiter die Zähler 53 bis 58 ein. Dafür musste er in Westerlo Schwerstarbeit verrichten. Die Hausherren holten nämlich einen 0:2-Rückstand auf. Daniel Munoz erzielte in der 64. Minute das 3:2-Siegtor. Mit seinen elf Scorerpunkten aus 21 Einsätzen rangiert der Kolumbianer teamintern an vierter Stelle. Ganz oben steht Joseph Paintsil, der zuletzt beim souveränen 4:0-Erfolg über Schlusslicht Seraing traf, ansonsten aber überwiegend durch maßgenaue Zuspiele auffällt, was alleine 15 Vorlagen unterstreichen. Davon profitiert der 2,01 Meter großbewachsene Paul Onuachu, der inzwischen schon 16 Ligatore beisteuerte und im Sommer wohl den Sprung in eine anspruchsvollere Liga wagen wird.

Zielstrebig eilt der KRC Genk auf die Meisterschaft zu, die gleichbedeutend mit der Teilnahme an der Champions League ist, womit zumindest der ein oder andere herausragende Akteur gehalten werden könnte. Royal Union Saint-Gilloise (52) hält aber weiterhin den Anschluss, während Royal Antwerpen (46) diesen durch ein Formtief im Herbst verlor. Zuletzt überwogen bei der Mannschaft von Mark van Bommel, an dem schon erste Zweifel laut wurden, wieder die ansprechenden Leistungen sowie stimmigen Resultate. Das hitzige 0:0 in Anderlecht stellte jedoch einen kleinen Dämpfer dar.

Wesentlich größere Rückschläge erlitt in den letzten Wochen der KV Oostende (18). Sechs Ligapartien am Stück gingen verloren. Dabei setzte es auch im eigenen Stadion üble Pleiten, wie das 1:2 gegen Seraing oder das 0:3 gegen Antwerpen. Einen Hoffnungsschimmer gab es am Wochenende. Erstmals seit dem 06.11.2022 punktete Oostende wieder, musste sich aber nach Schlusspfiff ärgern, denn das 2:2-Ausgleichstor für den direkten Konkurrenten Kortrijk (22) fiel erst in der 89. Minute. Seinen letzten Sieg fuhr Seraing (15) in Oostende ein. Seitdem lief allerdings nahezu alles schief beim Schlusslicht, das zuletzt dreimal hintereinander das Spielfeld als Verlierer verließ und am Sonntag in Genk beim 0:4 noch glimpflich davonkam. Der Rückstand auf das rettende Ufer beträgt elf Spieltage vor Schluss schon fünf Zähler. Die Trendwende muss also dringend her.

Premiership: Keine Bewegung an der Spitze, Aberdeen in der Krise

In der schottischen Premiership hielt sich die Aufregung zuletzt in Grenzen. An der Spitze erfüllen Celtic (64) und die Rangers (55) weiter konsequent ihre Pflicht – auch im Pokal, wo jeweils ungefährdet das Achtelfinale erreicht wurde. Daher entwickelt sich allerdings auch kein packender Meisterschaftskampf. Die Bhoys liegen nämlich neun Punkte vor ihrem Erzrivalen und gewannen 21 von 23 Ligaspielen.

Als dritte Kraft etablieren sich wie schon im Vorjahr die Hearts of Midlothian (39). Seit der Rückkehr aus der WM-Pause gewannen sie sechs von neun Pflichtspielen. Das jüngste 0:0 in Livingston erwies sich als verkraftbar, insbesondere für die Fans, die im Januar gleich zwei Derbysieger bejubelten. Erst sprang im eigenen Stadion ein klares 3:0 heraus, dann triumphierten die Hearts nach einem überlegenden Auftritt im SFA-Cup ebenso glatt, diesmal im Stadion von Hibernian. Der pfeilschnelle Toby Sibbick und der treffsichere Lawrence Shankland, der sich noch in der Nachspielzeit eine Gelb-Rote Karte einhandelte, stellten den Erfolg für die Hearts sicher.

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Die Ergebnisse klingen aus Sicht der Hibs (30) nach einem Monat zum Vergessen. Ansonsten punkteten sie jedoch ordentlich und glänzten am vergangenen Samstag sogar. Sie fegten den FC Aberdeen (29) mit 6:0 vom Platz. Dieser wiederum befindet sich in einem Tief und droht erneut die Meisterrunde zu verpassen. Seit der Rückkehr in den Spielbetrieb sprang nur ein Sieg heraus. Gekrönt wurden all die negativen Momente mit der höchst peinlichen Niederlage beim Sechstligisten Darvel FC (0:1) – der womöglich größten SFA-Cup-Sensation der Geschichte. Für Besserung soll die Entlassung von Chefcoach Jim Goodwin sorgen. Seine Stelle nimmt der zuvor in der Akademie tätige Barry Robson ein.

Super League: Bern setzt sich weiter ab, enges Verfolgerrennen, FC Zürich im Aufwind

Am 21. Januar nahm auch die Schweizer Super League wieder an Fahrt auf. Seitdem fanden zwei Spieltage statt. Sechs Punkte sammelte lediglich der Ligaprimus aus Bern (41) ein. Auf den knappen 2:1-Erfolg im erstaunlich spärlich gefüllten Letzigrund, wo die Grasshopper Zürich weiterhin ihre Heimspiele austragen müssen, folgte eine fulminantes 5:1 über den FC Winterthur. Die Young Boys unterstrichen während der 90 Minuten die Qualitätsunterschiede zwischen beiden Kadern, die sich auch im Marktwert widerspiegeln. Beide Vereine trennen in dieser Kategorie rund 47 Millionen Euro, was die größte Differenz innerhalb der Liga darstellt.

Schon 14 Punkte hinter den Young Boys liegt der Zweitplatzierte. Für den FC Lugano (27) ist dieser Zustand mit einem großen Erfolg gleichzusetzen, besitzt der Kader doch den zweitniedrigsten Marktwert innerhalb der Super League. Die Mannschaft von Mattia Croci-Torti, der den Klub im Vorjahr schon zum Pokalsieg, dem ersten Titel seit 29 Jahren führte, sammelte immerhin vier Zähler zum Start ins neue Jahr ein. Ob es auf Dauer zu Rang zwei reichen wird, darf allerdings weiter bezweifelt werden. So bringt es der FCL auf einen für einen Tabellenzweiten eher mageren Punkteschnitt von 1,5 sowie ein Torverhältnis von 30:29.  Direkt dahinter lauern mit dem ebenfalls positiv überraschenden Servette Genf (26), FC St. Gallen (25), FC Luzern und dem auch in 2023 strauchelnden FC Basel (22) ambitionierte Teams.

(Photo by FABRICE COFFRINI/AFP via Getty Images)

Mit großen Zielen startete auch FC Zürich (16) in die neue Saison. Davon ist nichts mehr übrig geblieben, denn der amtierende Meister kassierte zahlreiche Niederlagen und war zum Ende des Jahres 2022 Inhaber der roten Laterne. Inzwischen zeigt die Tendenz nach oben. Der FCZ holte dank eines späten Doppelpacks der Salzburger Leihgabe Roko Simic ein 2:2 in Luzern und rang anschließend in Unterzahl den FC St. Gallen nieder. Das goldene Tor fiel wieder spät, Verteidiger Marc Hornschuh netzte in der 88. Minute zum umjubelten 1:0 ein. Das seit Oktober von Bo Henriksen trainierte Zürich rückt damit aufgrund der besseren Tordifferenz vorerst auf Rang neun vor, könnte aber diesen schnell wieder abgeben, wenn der punktgleiche FC Winterthur im Nachholspiel gegen Genf punktet.

Die österreichische Bundesliga befindet sich noch bis zum 10. Februar in der Winterpause.

(Photo by PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP via Getty Images)

Yannick Lassmann

Rafael van der Vaart begeisterte ihn für den HSV. Durchlebte wenig Höhen sowie zahlreiche Tiefen mit seinem Verein und lernte den internationalen Fußball lieben. Dem VAR steht er mit tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2021 bei 90Plus.


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