Blick über den Tellerrand | Rollentausch zwischen Feyenoord und Ajax, Benfica strauchelt erstmals

18. Januar 2023 | Trending | BY Yannick Lassmann

Die Berichterstattung über den internationalen Fußball dreht sich hauptsächlich um die führenden fünf europäischen Ligen und ihre Topklubs. Doch auch dahinter wird attraktiver Fußball geboten, auf den wir regelmäßig im „Blick über den Tellerrand“ ein genaueres Auge werfen. Unser Blick richtet sich dabei auf die deutschen Nachbarländer Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz sowie Portugal und Schottland, die in der UEFA-Fünfjahreswertung starke Positionen einnehmen.

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Primeira Liga: Braga rückt an Benfica heran, Sporting ohne Konstanz

In Portugal waren die Profimannschaften selbst während der Weltmeisterschaft aktiv. In der Taca de Liga, dem sogenannten Ligapokal, qualifizierten sich der FC Porto, Sporting, Arouca sowie Zweitligist Academico Viseu für die Halbfinals. Etwas überraschend dort nicht vertreten ist Benfica (41 Punkte). Der Ligaprimus strauchelte zuletzt auch in der Liga, fuhr nach der WM nur vier Punkte aus drei Partien ein. Im 29. Pflichtspiel setzte es beim sehr gut aufgelegten Sporting Braga (37) die erste Saisonniederlage. Der ärgste Verfolger hatte das Geschehen nahezu über die gesamte Spielzeit unter Kontrolle und gewann glatt mit 3:0. Abel Ruiz sowie der treffsichere, einen Doppelpack markierende, Ricardo Horta waren für die Tore verantwortlich.

Beflügelt vom Sieg im Topspiel ließ Braga ein 4:0 bei Santa Clara folgen und rückte bis auf vier Punkte an Benfica heran. Der von Roger Schmidt trainierte Spitzenreiter ließ nämlich auch im Stadtderby gegen Sporting (29) Federn. Immerhin egalisierte er allerdings einen zweifachen Rückstand, sodass nach 98 unterhaltsamen Minuten ein 2:2 auf der Anzeigetafel stand. Sporting selbst landete einen durchaus bedeutungsvollen Achtungserfolg. Die Stimmung lag der peinlichen 0:1-Niederlage auf Madeira bei Maritimo Funchal (10), dem aktuellen Tabellenvorletzten, nämlich am Boden.

(Photo by CARLOS COSTA/AFP via Getty Images)

Insgesamt fehlt es der zweiten Lissabonner Kraft in der laufenden Saison an Konstanz in den Leistungen, was sich auch in verhältnismäßig mageren 29 Punkten aus 16 Ligaspielen ausdrückt. Der Rückstand auf den FC Porto (36), der auf fremden Platz sich schon den ein oder anderen Ausrutscher erlaubte, aber den Startplatz zur Champions-League-Qualifikation belegt, beträgt bereits sieben Zähler. Noch sechs Punkte vom Relegationsplatz trennen Pacos de Ferreira (6), das reichlich Lehrgeld zahlen musste. Am vergangenen Samstag gelang bei Rio Ave dank eines Treffers von Nigel Thomas der befreiende erste Saisonsieg, der spätestens in eineinhalb Wochen im Heimspiel gegen den direkten Konkurrenten Gil Vicente (10) veredelt werden soll.

Eredivisie: Ajax und PSV mit Fehlstart ins neue Jahr, Feyenoord ist zur Stelle

Schon vor der langen Eredivisie-Unterbrechung war die Stimmung bei Ajax (32) alles andere als rosig. Die Stimmen, die sich für eine Entlassung des erst im Sommer verpflichteten Alfred Schreuder aussprachen, gab es in nicht gerade geringer Anzahl. Mittlerweile dürften sie sich nochmals vermehrt haben, denn der amtierende Meister blieb im Ligabetrieb des Kalenderjahres 2023 bislang sieglos und konnte nach dem 1:1 in Nijmegen sogar froh sein, nicht eine Niederlage gegen Twente Enschede zu kassieren. Das torlose Remis fiel nach fast 60-minütiger, durch einen harten Platzverweis für Devyne Rensch entstandene, Unterzahl recht schmeichelhaft aus.

Zur Unzeit kommt der für den kommenden Sonntag angesetzte „De Klassieker“. Erzrivale Feyenoord (37) befindet sich nämlich in wesentlich besserer Verfassung, setzte sich am vergangenen Wochenende sehr souverän mit 3:0 in Groningen durch. Im letzten Spiel der Hinserie besteht für die Mannschaft des stets nach vorne denkenden Trainers Arne Slot die Möglichkeit, Ajax auf gleich acht Punkte zu distanzieren. Auf die Amsterdamer würde eine sehr komplizierte Rückrunde – möglicherweise ohne Coach Schreuder – zukommen, während in Rotterdam die Träume von der ersten Meisterschaft seit 2018 weiter anwachsen.

Dazu trägt auch das Auftreten der PSV Eindhoven (32) bei. Sie strauchelte nämlich ebenfalls im neuen Kalenderjahr. Insbesondere im Heimspiel gegen Sparta Rotterdam (0:0) machte sich bereits der Abgang von Topscorer Cody Gakpo bemerkbar. Es könnte noch schlimmer kommen, denn auch Noni Madueke wird mit einem Winterwechsel in Verbindung gebracht. Aus finanziellen Gründen ist der Vierplatzierte auf Einnahmen im laufenden Transferfenster angewiesen. Entschärft werden könnte die wirtschaftliche Situation durch das Erreichen der Champions League. Dafür müssen aber Gastspiele wie in Sittard siegreich gestaltet werden. Die PSV kassierte jedoch, trotz numerischer Überlegenheit, in der achten Minute der Nachspielzeit den Ausgleich und spürt im Nacken bereits den Atem von Twente Enschede (31), wo der Ex-Schalker Lars Unnerstall erst neun Gegentore hinnehmen musste.

Jupiler Pro League: Nur Saint-Gilloise kann Genk noch folgen

Rund 48 Stunden nach dem WM-Finale meldete sich der belgische Profifußball mit Pflichtspielen zurück – zunächst im Pokal, wo Machelen, der SV Zulte Waregem, Royal Antwerpen und Royal Union Saint-Gilloise (45) die Runde der letzten Vier erreichten. Letztgenannter Klub spielt auch in der Liga eine große Rolle, befindet sich derzeit auf Kurs neuerliche Vizemeisterschaft. In 2023 gab es drei teils ziemlich überzeugende Siege gegen Anderlecht (3:1), Gent (4:0) und Antwerpen (2:0), die unterstrichen, dass die Qualität im Kader äußerst vielversprechend für die kommenden Monate ist. Seit Saisonbeginn tritt jedoch der KRC Genk (52) bereits meisterlich auf. Die Zweifel nach der unerwarteten Pleite in Kortrijk (0:1) behob der Spitzenreiter durch ein 3:1 über Brügge und einen 1:0-Arbeitssieg über Zulte Waregem.

Der Vorsprung auf den FC Brügge (35) wuchs auf schon 17 Zähler an. Eine Ablösung des Noch-Meisters gilt somit als Frage der Zeit. Dieser trennte sich zum Jahreswechsel von Trainer Carl Hoefkens, obwohl in der Champions League das eindrucksvolle Weiterkommen vor Porto, Leverkusen und Atlético heraussprang. Scott Parker, zuvor in der Premier League bei Fulham und Bournemouth tätig, übernahm, brachte aber keineswegs Besserung. Seine Mannschaft stand in Genk auf verlorenem Posten, konnte auch vom frühen Führungstreffer durch Hans Vanaken nicht profitieren. Gegen den RSC Anderlecht (24) – ein weiterer großer Name des belgischen Fußballs, der zurzeit als Sorgenkind firmiert – brachte Brügge ebenfalls ein 1:0 nicht über die Ziellinie.

(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Der 34-fache belgische Meister wechselte schon vorher den Trainer. Seit Anfang Dezember hat Brian Riemer, zuvor langjähriger Assistent des Brentforder Erfolgstrainers Thomas Frank, das Kommando inne. Die Leistungen des mit einem Durchschnittsalter von 23,9 jüngsten Kaders der Jupiler Pro League blieben allerdings durchwachsen. Akute Abstiegsgefahr besteht angesichts von sieben Punkten Polster nicht. Die bedrohliche Zone beginnt jedoch schon ab Platz 14, wo der KAS Eupen (19) zu finden ist. Ihn trennen nur vier Zähler vom Schlusslicht Seraing (15), dessen Formkurve nach oben zeigt, sodass die Rote Laterne schon durch einen Sieg im Kellerduell bei Kortrijk (18) abgegeben werden könnte.

Premiership: Celtic auf und davon

Sogar noch vor Austragung des WM-Finals kehrte die Scottish Premiership zurück. Den Anfang machten am Donnerstag, den 15. Dezember, die Rangers (49) unter ihrem neuen Trainer Michael Beale, der auf den zur Saisonunterbrechung entlassenen Giovanni van Bronckhorst folgte. Sein Debüt glückte: Gleich zweimal antworteten die Gers auf einen Rückstand und bezwangen Hibernian (27) letztlich mit 3:2. Danach legten sie mit vier weiteren Siegen im Ligabetrieb sowie dem Einzug ins Finale des League Cups nach. Als bedeutungsvoller erwies sich allerdings wohl das 2:2 gegen Celtic (58). Denn anders als im ersten Vergleich, der mit 0:4 veloren ging, befanden sich die Rangers mindestens auf Augenhöhe und hätten nach packenden 98 Minuten sogar die Nase vorn haben können.

Celtic eilt derweil auf den 53. Meistertitel zu, da es genauso souverän wie der Stadtrivale agierte. Lediglich im Aberdeen mussten die Bhoys um den Sieg zittern, gewannen aber durch ein spätes Tor von Callum McGregor mit 1:0. Der Vorsprung auf die Rangers beträgt weiterhin elf Punkte. Darüber hinaus gelang ebenfalls der Einzug ins Endspiel des League Cups. Somit steigt am 26.02.2023 im Hampden Park der nächste Old Firm, der trotz des eher bedeutungslosen Wettbewerbs, reichlich Brisanz bieten wird.

Den Titel „Best of the Rest“ könnten sich die Hearts of Midlothian (35) sichern. Sie zeigten sich seit der Wiederaufnahme der Scottish Premiership ebenfalls hervorragend aufgelegt, gewannen vier der sechs Partien. Darunter war auch ein überzeugendes 3:0 im ebenfalls mit reichlich Tradition behafteten Edinburgher Stadtderby gegen Hibernian (27). Luke Shankland, der gemeinsam mit Celtic-Angreifer Kyogo Furuhashi die Torjägerliste mit 15 erzielten Treffern anführt, stellte die Weichen per Doppelpack frühzeitig auf Sieg. Ebenfalls wichtige drei Punkte gegen Hibernian hätte beinahe Dundee United (20) eingesammelt. Bis zur 92. Minute befand es sich auf dem Weg zum zweiten Auswärtssieg in Folge, dann glich Kevin Nisbet zum 2:2 aus. Dennoch ist der Trend beim Traditionsklub nach dem katastrophalen Saisonstart eindeutig positiv. Die Rote Laterne wanderte schon vor einigen Wochen an das seit 08. November sieglose Ross County (17)

Die Österreichische Bundesliga und die Schweizer Super League befinden sich aktuell noch in der Winterpause.

(Photo by PIETER STAM DE JONGE/ANP/AFP via Getty Images)

Yannick Lassmann

Rafael van der Vaart begeisterte ihn für den HSV. Durchlebte wenig Höhen sowie zahlreiche Tiefen mit seinem Verein und lernte den internationalen Fußball lieben. Dem VAR steht er mit tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2021 bei 90Plus.


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