WM 2018-Vorschau: Gruppe G – Belgien, England , Panama, Tunesien
12. Juni 2018 | Global News | BY Chris McCarthy
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Am 14. Juni beginnt die Weltmeisterschaft 2018 in Russland und auch in diesem Jahr kämpfen 32 Nationen um den begehrten WM-Titel. In der Gruppe G erwarten uns zwei europäische Schwergewichte und zwei klare Aussenseiter…
Belgien und England sind natürlich die klaren Favoriten auf das Weiterkommen, doch auch Tunesien und Neuling Panama werden mit aller Macht dagegen halten.
Der Spielplan der Gruppe G
18.6., 17 Uhr Belgien vs. Panama (Sotschi)
18.6., 20 Uhr Tunesien vs. England (Wolgograd)
23.6., 14 Uhr Belgien vs. Tunesien (Moskau)
24.6., 14 Uhr England vs. Panama (Nischni Nowgorod)
28.6., 20 Uhr England vs. Belgien (Kaliningrad)
28.6., 20 Uhr Panama vs. Tunesien (Saransk)
Unten geht es zu den jeweiligen Vorschauen…
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Belgien: Hipster-Team oder Geheimfavorit?
Schon seit einiger Zeit zählt Belgien, nicht nur unter den „Fußball-Hipstern“, zu den Geheimfavoriten bei den Europa- und Weltmeisterschaften. Zu verlockend ist die Mischung an talentierten Nachwuchsspielern und gestandenen Stars. Bisher hinkten die roten Teufel den Erwartungen allerdings hinterher. Der erhoffte Durchbruch blieb sowohl bei der letzten EM (Viertelfinal-Aus gegen Wales) als auch der letzten WM (Viertelfinal-Aus gegen Argentinien) aus.
In der Qualifikation zur Endrunde in Russland legte Belgien mit 28 von 30 möglichen Punkten und einem Torverhältnis von 43:6 einen dominanten Durchmarsch hin. Schafft es Trainer Roberto Martinez mit seiner so talentierten Mannschaft, dem Hype um diese goldenen Generation endlich auch bei einem großen Turnier gerecht zu werden ?
Der endgültige Kader
TOR: Koen Casteels (Wolfsburg), Thibaut Courtois (Chelsea), Simon Mignolet (Liverpool)
ABWEHR: Toby Alderweireld, Jan Vertonghen (Tottenham), Dedryck Boyata (Celtic), Vincent Kompany (Manchester City), Thomas Meunier (PSG), Thomas Vermaelen (FC Barcelona)
MITTELFELD: Yannick Carrasco (Dalian Yifang), Kevin de Bruyne (Manchester City), Mousa Dembele (Tottenham), Leander Dendoncker (RSC Anderlecht), Marouane Fellaini (Manchester United), Thorgan Hazard (Gladbach), Eden Hazard (Chelsea), Youri Tielemans (Monaco), Axel Witsel (Tianjin Quanjian), Nacer Chadli (WBA), Adnan Januzaj (Real Sociedad)
ANGRIFF: Michy Batshuayi (BVB), Romelu Lukaku (Manchester United), Dries Mertens (SSC Neapel)
Der Trainer: Roberto Martinez
Als Roberto Martinez Marc Wilmots als Nationaltrainer beerbte, war die Begeisterung in Belgien nicht sonderlich groß. Viele hofften, dass ein etwas klangvollerer Name die ungemein talentierte, allerdings erfolglose „goldene Generation“ zu einer absoluten Fußball-Macht formen würde.
Der Einfluss, den der ehemalige Trainer von Wigan und Everton auf die Mannschaft hatte, ist jedoch nicht zu verachten. Mit Martinez verpflichtete der belgische Verband einen Trainer, der viel Wert auf ballbesitzorientierten Fußball legt. Anders als unter Marc Wilmots, der eher pragmatisch mit dem vielen Talent umging, wusste das Team nun endlich von der starken individuellen Klasse Gebrauch zu machen und ansehnlichen Fußball zu spielen. Trotz der deutlichen Fortschritte der Mannschaft, ist der Spanier in Belgien nicht unumstritten. Er ist bei der WM 2018 in der unbequemen Position, für das Abschneiden des talentiertesten Kader in der Geschichte des Königreichs verantwortlich zu sein. Der Druck, wenngleich wir hier nicht von Titel-Erwartungen reden, ist immens.
Die goldene Generation
Ob im Tor, in der Abwehr, im Mittelfeld oder im Sturm, Belgien ist wirklich in jedem Mannschaftsteil herausragend besetzt und verfügt über enorm viel individuelle Qualität.
Vor der finalen Absicherung des Teams, kein geringerer als der Weltklasse-Torhüter Thibaut Courtois, befindet sich eine sehr namhafte Dreierkette. Sowohl Vincent Kompany, Rekordspieler Jan Vertonghen (99 Spiele) als auch Toby Alderweireld gehören mittlerweile, nicht nur in England, zu den besten ihres Fachs. Das Dreiergespann überzeugt durch eine fabelhafte Mischung aus Dynamik, Erfahrung, Athletik, Zweikampfstärke und Organisation. Auf den „Wingback“-Positionen bearbeiten der eigentlich offensiver angesiedelte Yannick Carrasco und der laufstarke Thomas Meunier die Flügel.
Die Benennung des ebenfalls sehr prominenten Mittelfelds sorgte bereits vor dem Turnier für eine der größeren Überraschungen der WM 2018. Zur Empörung der ganzen Nation verzichtete Roberto Martinez auf Radja Nainggolan. Das Energiebündel der Roma hätte mit seiner Dynamik und Aggressivität den Roten Teufeln zweifelsohne eine Komponente verliehen, die das Team etwas vermissen lässt. Martinez gab ballsicheren, passsichereren und spielerisch etwas überlegenen Kollegen den Vorzug. Sowohl Axel Witsel als auch Mousa Dembélé strahlen Ruhe aus, sorgen mit ihrer Routine selbst in Drucksituationen für Stabilität und ergänzen sich womöglich besser zu Spielmacher Kevin De Bruyne. Dass der Kader allerdings mehr von einem Marouane Fellaini profitieren soll, als von Mittelfeld-Dynamo Nainggolan, ist nichts anderes als verblüffend.
Im Angriff der Belgier finden wir eine angsteinflößende Kombination aus außergewöhnlicher Moblität, Kreativität und physischer Dominanz. Dries Mertens und vor allem der geniale Eden Hazard, der seit seiner Ernennung zum Kapitän mehr Verantwortung übernimmt, dürften sämtlichen Defensiven mit ihrer Beweglichkeit, herausragenden Technik und Einfallsreichtum erhebliche Kopfschmerzen bereiten. Darüber hinaus hat sich Rekordtorschütze Romelu Lukaku (36 Tore) von einem präsenten Sturmtank mit außergewöhnlicher Athletik zu einem spielintelligenten Angreifer weiterentwickelt. Sei es durch anspruchsvollen Kombinationsfußball, blitzschnelle Konter oder durch Flanken, Belgien kann durch sämtliche Methoden zum Torerfolg kommen. Doch der Initiator bleibt in jedem Fall wohl der gleiche: Kevin De Bruyne.
Schlüsselspieler: Kevin De Bruyne
Sicher, mit Mohamed Salah ist der Titel „Premier League Spieler des Jahres“ an einen mehr als würdigen Kandidaten gegangen, doch auch Kevin De Bruyne hatte sehr starke, wenngleich wohl weniger spektakuläre, Argumente auf seiner Seite. Wäre Manchester City nicht in der Champions League so deutlich an Salahs Liverpool gescheitert, würden wir in diesem Textabschnitt wohl darüber spekulieren, dass De Bruyne bei einer starken Weltmeisterschaft zum engen Kreis der Ballon D’Or Favoriten gehören würde – so stark war seine Saison. Sein Problem: Die herausragenden Leistungen des Belgiers werden beinahe als Selbstverständlichkeit betrachtet und sein enormer Einfluss auf das Spielgeschehen lässt sich, trotz starker Scorerwerte (12 Tore & 21 Assists), nicht immer in Zahlen messen.
Neben seinen Weitschusstoren, Assists und Standards macht De Bruyne vor allem durch seine Spielintelligenz, atemberaubenden Pässe in die Schnittstelle oder perfekte Diagonalbälle den Unterschied. Wie auch bei den Citizens wird De Bruyne in der Nationalmannschaft als absoluter Dreh- und Angelpunkt fungieren, der die starken Einzelakteure in der Offensive geschickt in Szene setzen wird.
Die Form von De Bruyne, der mittlerweile aus einer etwas tieferen Mittelfeldposition den Takt angibt, wird dafür ausschlaggebend sein, ob Belgien bei einem großen Turnier endlich ein Ausrufezeichen setzen kann.
Prognose: Jetzt oder nie?
Im Gegensatz zu den Turnieren zuvor demonstriert das Team seit der Verpflichtung von Martinez endlich wieder Balance und Spielfreude. Überlebt haben lediglich die Zweifel hinsichtlich der Siegermentalität. Die einstige Ausrede „Unerfahrenheit“ zählt nicht mehr, sämtliche Top-Spieler sind im besten Fußballer-Alter und Leistungsträger bei europäischen Elite-Klubs. Das Viertelfinale ist in Anbetracht der Kontrahenten in Gruppe G und der potentiellen Achtelfinal-Gegner in Gruppe H Pflicht. Sammelt man auf dem Weg dorthin Selbstbewusstsein und kommt in einen Rhythmus, verfügt Belgien über genügend Qualität, um der Rolle des Geheimfavoriten gerecht zu werden. Es könnte die letzte Chance dieser „goldenen Generation“ sein…
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England: Mit Demut zum Erfolg?
Die Geschichte der englischen Nationalmannschaft war immer die gleiche: Endlos hohe Erwartungen und ebenso hohe Enttäuschungen. Nachdem die hoch gelobten Gerrards, Lampards, Beckhams, Terrys und Co. niemals über das Viertelfinale hinaus kamen, scheint bei der neuen, jungen Generation Demut eingekehrt zu sein. Das peinliche Abschneiden bei der WM 2014 (Rechnerisches Aus nach zwei Spielen) und das Achtelfinal-Aus bei der EM 2016 gegen Island hat Spuren hinterlassen.
Die jungen Löwen konnten aufgrund der gedämpften Erwartungshaltung befreit aufspielen. Die dominante Qualifikation mit acht Siegen, zwei Remis und einem Torverhältnis von 18:3 ist die Konsequenz….gleichzeitig aber für viele auch Anlass, langsam die Erwartungen wieder hochzuschrauben…
Der endgültige Kader
TOR: Jack Butland (Stoke City), Nick Pope (Burnley), Jordan Pickford (Everton)
ABWEHR: Gary Cahill (Chelsea), Trent Alexander-Arnold (Liverpool), Harry Maguire (Leicester), Phil Jones (Manchester United), Danny Rose, Kieran Trippier (Spurs), Kyle Walker, John Stones (Manchester City)
MITTELFELD: Fabian Delph (Manchester City), Eric Dier, Dele Alli (Spurs), Jordan Henderson (Liverpool), Jesse Lingard, Ashley Young (Manchester United), Ruben Loftus-Cheek (Crystal Palace)
ANGRIFF: Raheem Sterling (Manchester City), Jamie Vardy (Leicester City), Danny Welbeck (Arsenal), Harry Kane (Spurs), Marcus Rashford (Manchester United)
Der Trainer: Gareth Southgate
Nach den gescheiterten Versuchen, die englische Nationalmannschaft durch klangvolle Trainer-Namen aus dem Ausland zum Erfolg zu führen (Fabio Capello, Sven-Göran Eriksson) kehrte die FA zum „englischen“ Ansatz zurück. Auf die inspirationslose Amtszeit von Roy Hodgson folgte zunächst ein peinliches Intermezzo mit Sam Allardyce, ehe man die, für viele, „bequemere und günstigere“ Alternative Gareth Southgate wählte. Nicht ganz ohne sportlichen Hintergedanken, denn der langjährige U-21-Nationaltrainer der Three Lions sollte die durchaus talentierte Jugend auf das A-Nationalmannschafts-Level führen.
Southgate hat die Defensive stabilisiert, doch mit dem Toreschießen hapert es, weshalb der 47-Jährige trotz der imposanten Qualifikation (in einer relativ einfachen Gruppe), nicht ganz unumstritten ist.
Pragmatismus statt Glanz
Betrachtet man die letzten Auftritte der englischen Nationalmannschaft, so fällt zunächst einmal die geringe Anzahl an Gegentoren auf. Gut, Slowakei, Litauen, Slowenien, Litauen und Malta gehören nicht gerade zur europäischen Creme de la Creme, aber drei Gegentore in zehn Spielen sind dennoch beachtlich. Die Abwehr hielt aber auch in den Freundschaftsspielen gegen Deutschland (0:0), Brasilien (0:0), Niederlande (1:0) und Italien (1:1). Das Problem daran? Die Three Lions tun sich, gerade gegen qualitativ gute Gegner, schwer, zum Torerfolg zu kommen. Pragmatisch, aber harmlos.
Das liegt mit unter an dem Ansatz des Trainers, eine kompaktere Ausrichtung mit einer Dreier-, beziehungsweise Fünferkette, zu wählen. Mit Jordan Pickford, aber auch Nick Pope und Jack Butland, ist das Tor, trotz fehlender Erfahrung (insgesamt gerade einmal neun Länderspiele), auf den ersten Blick deutlich besser besetzt als in den Jahren zuvor. In Harry Maguire, John Stones und Kyle Walker, der in der Dreierkette spielen wird, verfügt man über zweikampfstarke Verteidiger, im Fall der ersten beiden genannten sogar über außergewöhnlich gute Passspieler. Die offensiven Außenverteidiger, ob Danny Rose und Ashley Young links oder Kieran Trippier und Trent Alexander-Arnold rechts, beleben unermüdlich die Flügel. Sie neigen allerdings dazu, die Defensive zu vernachlässigen und die robusten Innenverteidiger bei schnellen Gegenzügen und gegen wendige Spieler zu entblößen.
So weit so gut, denn betrachtet man sich das Mittelfeld, fällt schnell auf, wieso es womöglich mit dem Toreschießen hapert. Eric Dier und Jordan Henderson, so gut sie in ihren defensiven Rollen auch sind, haben Probleme, offensive und spieleröffnende Impulse zu setzen. Um so verwunderlicher war es für viele, dass Southgate in Russland auf Jack Wilshere verzichtet. Der hoch talentierte Mittelfeldspieler des FC Arsenal spielte nach verletzungsgeplagten Jahren endlich wieder eine volle, wenngleich insgesamt unkonstante Saison. Der Linksfuß hätte durch seinen „Drive“ und seine Direktheit dem Mittelfeld auf anhieb mehr Dynamik und vor allem Kreativität verliehen. Gleiches gilt für den verletzten Alex Oxlade-Chamberlain, der trotz seiner taktischen Defizite eine belebende Komponente geboten hätte.
Dass Dier und Henderson zusammen zu statisch sind, scheint auch dem Trainer aufgefallen zu sein. Aktuell spielt er mit dem Gedanken, einen der „Sechser“ zu opfern und einen offensiveren Ansatz mit zwei „Achtern“ zu wählen. Zu Dele Alli, dessen Torgefahr ein ganz wichtiger Faktor ist, könnte sich Jesse Lingard oder gar der unerfahrene Reuben Loftus-Cheek gesellen. Die pragmatische Kompaktheit könnte leiden, doch das trostlose Offensivspiel hätte bessere Chancen, zu glänzen.
Das würde die Erfolgsaussichten der Engländer erheblich verbessern, denn ausgerechnet vorne sind sie paradoxerweise individuell wohl am stärksten besetzt. Raheem Sterling erlebte als beweglicher und dribbelstarker Freigeist seine beste Saison als Profi, aber auch Marcus Rashford, Jamie Vardy und Danny Welbeck komplettieren einen facettenreichen und interessanten Angriff. Doch der wichtigste Mann der Offensive und der gesamten Mannschaft ist und bleibt Harry Kane…
Schlüsselspieler: Harry Kane
Nach Generationen von Kadern gespickt mit Weltklassespielern, ist Harry Kane in der diesjährigen Auswahl der Three Lions wohl der einzige, auf den dieses Prädikat zutrifft.
Der Engländer hat sich bei Tottenham zu einem der besten Stürmer der Welt entwickelt und wird aufgrund des insgesamt sehr statischen Offensivspiels seiner Mannschaft der Spieler sein, der das kompensieren könnte. Dank seines einzigartigen Instinkts, seiner hervorragenden Antizipation, intelligenter Bewegung im Strafraum und vor allem seines blitzschnellen Abschlusses aus beinaher jeder Lage, ist Kane eine kaum zu verteidigende Tormaschine der Extraklasse.
Sollten Raheem Sterling, Dele Alli oder auch Marcus Rashford im Trikot der englischen Nationalmannschaft eine Schippe drauf legen, so könnte das variable Zusammenspiel mit Kane, trotz fehlender Impulse aus der Schaltzentrale, das schleppende Offensivspiel deutlich beleben.
Prognose: Ohne Druck ins Viertelfinale
Die Erwartungen in England sind endlich mal auf einem gesunden Level. Die junge Mannschaft sollte davon profitieren und aufgrund des kompakten Auftretens enorm an Selbstbewusstsein und Sicherheit gewonnen haben. Gegen qualitativ durchschnittliche Gegner sollten die Three Lions daher keine Probleme haben, gegen die Großen dagegen dürfte das relativ durchschaubare Offensivspiel zu harmlos sein. Der Turnierbaum meint es allerdings gut mit England (in der K.O.-Runde warten die Vertreter der Gruppe H) und so stellt das Erreichen des Viertelfinales eine greifbare und insgesamt sehr zufriedenstellende Möglichkeit dar..
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Panama: Oh wie schön ist die WM!
Die „goldene Generation“ Panamas drohte nach der knapp verpassten Qualifikation 2014 leer auszugehen. Doch die Altstars dieser Ära, motiviert durch Trainer Hernan Dario Gomez, wollten trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch einen letzten Versuch wagen, sich erstmals für eine Weltmeisterschaft zu qualifizieren – mit Erfolg! Dank einer überraschenden Niederlage der USA gegen Trinidad & Tobago und eines, durch ein Phantomtor begünstigen 2:1 Sieges über Costa Rica, sicherte sich Panama das Ticket für Russland.
Die unglaubliche Freude über die erstmalige Teilnahme an einer Weltmeisterschaft, die sogar zur Geburt eines nationalen Feiertags führte, kann Panama keiner mehr nehmen! Trotzdem gibt es für die Mittelamerikaner keinen Grund, sich auszuruhen. Auch in Russland werden die in Europa eher unbekannten Spieler leidenschaftlich kämpfen, als würden ihre Leben davon abhängen. Das Ziel des krassen Aussenseiters ist klar, man möchte das Land stolz machen und sich teuer verkaufen!
Der endgültige Kader
TOR: Jose Caldero (Chorrillo FC), Jaime Penedo (Dinamo Bukarest), Alex Rodriguez (San Francisco FC)
ABWEHR: Felipe Baloy (Municipal), Harold Cummings (San Jose Earthquakes), Erick Davis (Dunajska Streda), Fidel Escobar, Michael Amir Murillo (NY Red Bulls), Adolfo Machado (Houston Dynamo), Luis Ovalle (CD Olimpia), Roman Torres (Seattle)
MITTELFELD: Jose Luis Rodriguez (KAA Gent), Edgar Barcenas (Cafetaleros de Tapachula), Armando Cooper (Universidad de Chile), Anibal Godoy (San Jose Earthquakes), Gabriel Gomez (Atletico Bucaramanga), Alberto Quintero (Universite), Valentin Pimentel (Plaza Amador)
ANGRIFF: Abfiel Arroyo (Liga Deportiva), Ismael Diaz (Deportivo), Blas Perez (Municipal), Luis Tejada (Sport Boys), Gabriel Torres (Huachipato)
Der Trainer: Hernan Dario Gomez: Der Motivator!
Zumindest auf der Trainerposition verfügt der Neuling über eine Menge WM-Erfahrung. Hernan Dario Gomez, liebevoll „Bolillo“ (das Kegelchen) genannt, war schon vier Mal bei einer Weltmeisterschaft. 1990 und 1994 fungierte er als Co-Trainer der kolumbianischen Nationalmannschaft, ehe er 1998 seine Nation selbst beim Turnier in Frankreich trainieren durfte. Nach der erfolglosen Darbietung bei der WM führte sein Weg 1999 nach Ecuardor, wo der 62-Jährige drei Jahre später die Nationalmannschaft erstmals zu einer WM-Endrunde führen sollte.
Nach Zwischenstopps bei der Nationalmannschaft Guatemalas, in der kolumbianischen Liga (Santa Fe CD; Independiente Medellín) und einem erneuten kurzen Intermezzo als Nationaltrainer Kolumbiens, führte Gomez‘ Weg letztendlich nach Panama.
Hier untermauerte der temperamentvolle Trainer seinen Ruf als Motivator. Wie schon bei Ecuador gelang es Gomez, eine Mannschaft mit überschaubarer individueller Qualität Selbstbewusstsein und defensive Struktur einzuimpfen. 2015 führte dies zum dritten Platz beim CONCACAF Gold Cup 2015 und 2018 schließlich zur erstmaligen Qualifikation Panams für die WM-Endrunde.
Der Wille ist da!
Das Überraschungsteam der CONCACAF-Konförderation zeichnet sich nicht über individuelle Klasse und übermäßiges technisches Talent aus, sondern durch mannschaftliche Geschlossenheit, intensivem Verschieben, Ausdauer und großem Kampfgeist.
Die Männer vom Panama-Kanal sind zwar gewillt, durch einen modernen, sauberen, kurzpass-orientierten Fußball, das Spiel aufzubauen, die technischen Defizite und die fehlende Gedankenschnelligkeit stellen hierbei allerdings eine erhebliche Hürde dar. Im Sturm verfügt Panama beispielsweise in Rekordtorschütze Blas Perez (37; 40 Tore in 124 Spielen) oder Gabriel Torres durchaus über spielerische Qualität, doch die Unterstützung aus dem wohl schwächsten Mittelfeld des Turniers lässt den Angriff oft in der Luft hängen. Unterstützung ist hier am ehesten vom dynamischen Armando Cooper zu erwarten. Mit etwas Glück kann das unerfahrene, allerdings sehr spritzige Flügeltalent Jose Luis Rodriguez (19) den ein oder anderen Akzent setzen.
Auch die prinzipiell solide Verteidigung um Kapitän Román Torres offenbart im Vergleich zur Konkurrenz in Russland erhebliche Nachteile und wird des öfteren durch das schwache Stellungsspiel der Vordermänner entblößt. Panama versucht vorbildlich aggressiv in die Zweikämpfe zu gehen, agiert dabei aber oftmals zu stürmisch und vernachlässigt dabei die Positionstreue. Gibt man La Marea Roja Zeit, und diese wird bei der WM gerade gegen Belgien und England eher rar sein, kann sich das Team zu einem sehr unangenehmen Gegner formieren.
Was Teamgeist, Mentalität und auch die Taktik angeht, ist der Wille zweifelsohne da. Was fehlt, ist leider die individuelle Qualität und teilweise auch das Spielverständnis.
Schlüsselspieler: Román Torres
Nicht nur weil er mit seinem Phantom-Tor gegen die USA den Grundstein für die Qualifikation zur Endrunde legte, ist Román Torres hier wohl am ehesten hervorzuheben. Der großgewachsene Innenverteidiger ist der Kapitän der Mannschaft und der Führungsspieler.
Torres konzentriert sich allerdings nicht nur auf die Defensive. Trainer Gómez gibt ihm, nicht zuletzt aufgrund des schwachen Mittelfeldspiels, die Freiheit, das Spiel aufzubauen und mit dem Ball Akzente zu setzen. So sehr Panama sich auf Torres verlässt, gegenüber den qualitativ hochwertigeren Teams wie England oder Belgien, könnte ihm genau das zum Verhängnis werden. Der 32-Jährige ist langsam, behäbig und obwohl sein Passspiel bei den Mittelamerikanern heraussticht, ist es längst nicht auf dem Niveau seiner Kollegen in den europäischen Top-Ligen.
Bei der WM dürfte Gómez die Freiheiten seines Abwehrchefs einschränken und ihn dazu beordern, ausschließlich die größte Hoffnung seines Teams zu organisieren: Die Defensive.
Prognose: Teuer verkaufen
So eingespielt und erfahren die Spieler teilweise auch sind, auf diesem Level sind selbst die Routiniers Neulinge. So klischeehaft das auch klingt, aber Panama hat keine Chance und will genau diese auch nutzen. Der WM-Neuling ist ein unbeschriebenes Blatt, weiß um seine Rolle, hat nichts zu verlieren und wird sich in leidenschaftlicher Manier versuchen, teuer zu verkaufen. Kann die „Rote Flut“ einen der Großen in der Gruppe G ärgern, wäre das ein Erfolg, ganz zu schweigen von einem dritten Platz.
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Tunesien: Wieder zurück
Nach 12 Jahren hat sich Tunesien wieder für die Endrunde einer Weltmeisterschaft qualifiziert. Die stolze Fußballnation aus Nordafrika blieb in der Qualifikation ohne Niederlage, dennoch musste man bis zur letzten Sekunde zittern. Ein 0:0 gegen Libyen am letzten Spieltag genügte letztendlich, um mit einem Punkt Vorsprung gegenüber DR Kongo das Ticket für Russland lösen zu können.
So knapp es letztendlich auch war, die Rückkehr auf die große Bühne ist für Tunesien nicht nur verdient, sondern überfällig. Das fußballbegeisterte Land ist euphorisch, doch schon jetzt ist die Freude gedrückt….
Der endgültige Kader
TOR: Mathlouthi Aymen (Al Patin), Ben Mustapha Farouk (Al Shabab), Mouez Hassen (LB Chateauroux)
ABWEHR: Hamdi Nagguez (Zamalek), Dylan Bronn (KAA Gent), Yohan Benalouane (Leicester City), Rami Bedoui (ES Setif), Siyam Ben Youssef (Kasimpasa), Yassine Meriah (Sfaxien), Oussama Haddadi (Dijon), Ali Maaloul (Al Ahly)
MITTELFELD: Elyess Skhiri (Montpellier), Mohamed Amine Ben Amor (Al Ahly), Ghalene Chalali (ES Tunis), Ferjani Sassi (Al Nasr), Ahmed Khalil (Club Africain), Saif-Eddine Khaoui (Troyes),
ANGRIFF: Fakhreddine Ben Youssef (Al Ittifaq), Anice Badri (Tunies), Bassem Srarfi (Nizza) , Naim Sliti (Dijon), Saber Khalifa (Club Africain), Wahbi Khazri (Stade Rennes)
Der Trainer: Nabil Maaloul
Zählt man seine Funktion als Assistent (u.a. bei der letzten WM-Teilnahme 2006 ) dazu, sitzt Nabil Maaloul nun bereits zum dritten Mal auf der Trainerbank der Adler Karthargos. Bereits 2013 sollte der 55-Jährige Tunesien wieder auf die Spur bringen, doch nach einer peinlichen Niederlage gegen Kap Verde überlebte er damals nicht einmal die Qualifikationsrunde.
Knapp fünf Jahre später soll alles besser werden und obwohl die Qualifikation zum diesjährigen Turnier knapper verlief, als erhofft, scheint es dieses Mal auch zu funktionieren. Maaloul, der seinen größten Erfolge (Triple-Gewinn bei Esperance Tunis) auf Vereinsebene feierte, übernahm im April 2017 erneut den Nationaltrainerposten seines Heimatlandes.
Seit der Verpflichtung des ehemaligen Mittelfeldspielers von Hannover 96 zeigt die Mannschaft sowohl spielerisch, als auch taktisch erhebliche Fortschritte.
Flügel gestutzt
So groß die Freude in Tunesien über die Qualifikation zur Weltmeisterschaft auch war, und heute noch ist, die Sorgenfalten werden von Tag zu Tag größer. Den Adlern aus Karthago wurden nämlich schon vor dem ersten Spiel des Turniers ordentlich die Flügel gestutzt.
Gleich mehrere Leistungsträger stehen den Tunesiern aufgrund von Verletzungen nicht zur Verfügung. Neben Kapitän Yousef Msakni (Kreuzbandriss), nicht nur der wichtigste Spieler Offensive, sondern wohl der gesamten Mannschaft, müssen die Nordafrikaner auch auf Angreifer Yassine Khenissi verzichten. Darüber hinaus bereiten Blessuren von Ghalene Chalali, Ben Amor und Ali Maaloul dem Trainerpersonal Kopfschmerzen.
Von den Verletzungssorgen möchten sich die Adler allerdings nicht unterkriegen lassen. Die Erwartungshaltung ist in Tunesien dennoch hoch! Das liegt vor allem an dem ansehnlichen, kombinationsfreudigen Fußball, den Naabil Maaloul praktizieren lässt.
Das technisch gut veranlagte Team sollte mit fußballerischer Qualität in Russland Aufsehen erregen können. Das spielstarke und kreative Mittelfeld um Sechser Ellyes Skhiri ist die große Stärke, entlastet ganz nebenbei noch die Verteidigung, die insbesondere im Tor eine große Schwachstelle aufweist. Im Spiel nach vorne neigt die Mannschaft sogar dazu, in „Schönheit zu sterben“.
Selbst gegen Belgien oder England sollte sich Tunesien trotz des Ausfalls von Msakni Torchancen erarbeiten können, doch plötzlich ruhen sämtliche Hoffnungen des Offensivspiels auf den Schultern eines Mannes…
Schlüsselspieler: Wahbi Khazri
Als Msakni wegfiel übernahm Wahbi Khazri nicht nur das Kapitänsamt seines Offensivkollegen, sondern zugleich die Verantwortung im Angriffsspiel.
Der 27-Jährige erzielte nach einem erfolglosen Engagement bei Sunderland neun Tore für Leihverein Stade Rennes und demonstrierte dabei, über welche Offensivqualitäten er verfügt. Ohne Msakni könnte die Leistung von Khazri, der zuletzt etwas offensiver, nämlich im Sturm auflief, entscheidend für das Abschneiden der Tunesier sein.
Khazri ist dank seiner intelligenten Laufwege, seines Instinkts und nicht zuletzt wegen seinen gefährlichen Standards die potenteste Torquelle der oftmals ineffizienten Tunesier.
Prognose: Bloß nicht unterschätzen
Offiziell möchte Tunesien lediglich ein ordentliches Turnier spielen. In einer anderen Gruppe wäre das erstmalige Erreichen des Achtelfinals wohl selbst nach den zahlreichen Verletzungen durchaus im Rahmen der Möglichkeiten. In der Gruppe G warten in England und Belgien allerdings zwei große Brocken, die ersatzgeschwächt nur schwer zu meistern sind. Dennoch wären Belgien und England gut beraten, die spielstarken Nordafrikaner nicht zu unterschätzen. Die Adler von Karthago könnten von der gesenkten Erwartungshaltung profitieren, mehr als Platz drei wäre allerdings eine Überraschung.
90Plus-Tabellenprognose
- Belgien
- England
- Tunesien
- Panama
Chris McCarthy
Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.