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Weißt du noch..? 7:1! Uniteds Erlösung und Romas Debakel

22. April 2020 | Weißt du noch...? | BY Victor Catalina

Die Mitte der 2000er waren für Manchester United eine relativ frustrierende Zeit. Zuerst mussten sie sich Arsène Wengers Invincibles geschlagen geben, anschließend mischte ein junger Trainer namens José Mourinho die Liga mit Chelsea auf. So dauerte es vier Jahre, bis sie 2007 wieder Meister wurden – und noch länger, bis sie auch in Europa wieder Ausrufezeichen setzten.

Eine Erlösunng namens 7:1

Es gibt Spiele, bei denen reicht es, nur das Ergebnis zu nennen. 7:1 ist ein solches. Wenngleich auch vor dem 8. Juli 2014 Spiele mit diesem Ergebnis endeten, gilt dieses 7:1 als das wahrscheinlich denkwürdigste. Für die deutsche Nationalmannschaft war es ein Auswärtsspiel, wie es auswärtiger nicht hätte sein können. Das Halbfinale einer Weltmeisterschaft, im Haus des Rekordweltmeisters und gegen selbigen. Noch vor dem Spiel schmetterten die Brasilianer ihre Nationalhymne in gewohnter Überlänge. Man konnte fast meinen, ihr Finaleinzug hinge davon und nicht von den anschließenden 90 Minuten ab.

Die gingen nämlich komplett an Deutschland. 7:1 hieß es am Ende, der höchste Halbfinalsieg bei einer Weltmeisterschaft und gleichzeitig Brasiliens höchste Niederlage aller Zeiten, zusammen mit einem 0:6 gegen Uruguay aus dem Jahr 1920. Es war die Erlösung: Nach zwei missglückten Halbfinals 2006 und 2010 hatte Deutschland diesmal das Finalticket gebucht. Schon vor dem Spiel sagte Philipp Lahm bezüglich eines weiteren Spiels um Platz 3: „Das brauche ich wirklich nicht, da reise ich vorher ab.“.

Nun ist eine Weltmeisterschaft eine besondere Veranstaltung, die nur alle vier Jahre ausgetragen wird. Verliert man ein Halbfinale, ist nicht klar, ob man auf absehbare Zeit ein weiteres bekommt – anders, als in der jährlich ausgetragenen Champions League.

Manchester United: Erstes Halbfinale seit 1999

Selbst dort kann man aber auch mit großem Namen schneller in einer Abwärtsspirale geraten, als einem lieb ist. Manchester United kann das bestätigen. Während die „Class of 92“ in den Neunzigerjahren national so gut wie alles abräumte und sich 1999 mit dem Triple krönte, waren die 2000er eine schwierige Zeit für United.

(Photo by ERIC CABANIS/AFP via Getty Images)

In der Liga tat sich Arsène Wengers Arsenal als Konkurrent auf, später wurden sie zu den Invincibles. United wusste diese Serie zwar mit einem 2:0-Heimsieg zu beenden, doch die nächste, aufstrebende Mannschaft aus der Hauptstadt ließ nicht lange auf sich warten. Diesmal war es Chelsea mit einem jungen, portugiesischen Trainer namens José Mourinho. Zur Erinnerung: Mourinho hatte United schon 2004 mit Porto im Achtelfinale der Champions League eliminiert.

So mussten die Red Devils geschlagene vier Jahre auf eine Meisterschaft warten. In der Champions League ergab sich dasselbe Bild. Nach dem Triple 1999 gab es für United manchmal Fahrkarten, meistens war jedoch im Viertelfinale Endstation. 2005/06 belegten sie in einer Gruppe mit Villarreal, Benfica und Lille gar den letzten Platz.

Die Saison 2006/07 war daher keine ganz unwichtige für United und ihr Selbstverständnis als zukünftiger Rekordmeister. Mourinhos Chelsea wies man national mit sechs Punkten Vorsprung in die Schranken. Auch international bekam Sir Alex Ferguson den Motor wieder ans Laufen. Die Gruppe gegen Celtic, Benfica und Kopenhagen gewann man relativ souverän, im Achtelfinale besiegte United Lille zweimal 1:0. Nun stand wieder das ungeliebte Viertelfinale an. Der Gegner diesmal: Die AS Rom, seines Zeichens italienischer Vizemeister.

Es schien fast, als würde sich Uniteds Horrorserie fortsetzen, das Hinspiel im Olimpico gewann die Roma 2:1. Aber diesmal wusste sich United gegen das drohende Unheil zu wehren – deutlich und eindrucksvoll.

Die Aufstellungen:

Manchester United: van der Sar – O’Shea, Ferdinand, W. Brown, Heinze – Carrick, D. Fletcher – Cristiano Ronaldo, Giggs, Rooney – Al. Smith
Trainer: Sir Alex Ferguson

AS Rom: Doni – Panucci, Chivu, Mexes, Cassetti – de Rossi, D. Pizarro –
A. Mancini, Vucinic, Wilhelmsson – Totti
Trainer: Luciano Spalletti

Die erste Chance im Spiel gehörte den Gästen, aber Francesco Totti verzog aus 20 Metern. Das sollte für längere Zeit das letzte, offensive Lebenszeichen der Römer sein. 11. Minute, Cristiano Ronaldo spielt den Ball vom rechten Flügel in die Mitte und Michael Carrick hob den Ball aus 20 Metern über den etwas zu weit vor seinem Tor stehenden Doni – 1:0. Dank des Auswärtstreffers im Hinspiel wäre Uniteds Viertelfinalfluch damit gebannt. Es war Carricks erstes Champions League-Tor.

(Photo by FILIPPO MONTEFORTE/AFP via Getty Images)

Uniteds magische sieben Minuten

Weiter ging es in Minute 17, nach einer schönen Serie von schnellen, direkten Pässen steckt Giggs für Alan Smith durch, Doni hat erneut keinen Auftrag – 2:0. Für Smith war es der erste Treffer vor eigenem Publikum seit Dezember 2004.

Luciano Spalletti schaute auf der Bank der Römer schon ein wenig entgeistert drein, so, als ahnte er schon, was an diesem Abend noch über seine Mannschaft hereinbrechen sollte. Minute 19, Smith spielt Giggs auf der rechten Außenbahn frei und weil alle Verteidiger der Roma offensichtlich in dringlicheren Terminen verwickelt sind, hat Rooney in der Mitte leichtes Spiel – 3:0, Game, Set and Match für die einen, Game Over für die anderen.

United erzielte drei Tore in sieben Minuten – und wirklich jedem der Torschützen sah man die Freude und Erleichterung an. Der Bann war gebrochen, United stand zum ersten Mal seit 1999 wieder im Halbfinale der Champions League. Mit dem 3:0 im Rücken ließ es die Mannschaft von Sir Alex Ferguson etwas ruhiger angehen. Die Roma musste mindestens zwei Tore schießen und keines kassieren. Das als Fußballwunder zu bezeichnen, wäre eine ziemliche Untertreibung.

Besonders, weil ein Spieler seinen Namen noch vergeblich auf der Torschützenliste suchte: Cristiano Ronaldo. Minute 44, Giggs spielt Ronaldo auf der rechten Seite an, Chivu lässt dem Portugiesen atemberaubend viel Freiraum, Ronaldo zieht nach innen und den Ball außen vorbei an allen Verteidigern und Torhüter Doni – 4:0, das erste Champions League-Tor von mittlerweile 128. Der folgende Pausenpfiff war die beste Nachricht für die Roma. Mit einem 2:1 waren sie in dieses Spiel gegangen, inzwischen führte United nach Hin- und Rückspiel 5:2.

United weiter torhungrig, Roma weiter apathisch

Das einzige, was sich in Halbzeit zwei änderte, war die Spielrichtung. Stretford End sollte auch seinen Teil des Spektakels bekommen. Darauf warten mussten sie gerade einmal vier Minuten. 49. Minute, Rooney spielt den Ball links raus zu Giggs, Smith verpasst seine Hereingabe, aber nicht Cristiano Ronaldo, der am zweiten Pfosten lauerte – 5:0.

Und weil der Abend es hergibt, darf auch Carrick nochmal. Cristiano Ronaldos Flanke findet im Strafraum keinen Abnehmer, Gabriel Heinze hält die Chance am Leben, spielt 23 Meter vor dem Tor Carrick an – und der schlenzt die Kugel butterweich in den rechten Winkel – 6:0 nach einer Stunde. Langsam wurde es aus Sicht der Gäste ein wenig peinlich.

(Photo by FILIPPO MONTEFORTE/AFP via Getty Images)

Aber zumindest konnten sie ein wenig Schminke aufs Elend packen. Panucci gewinnt den Ball und spielt ihn raus zu Totti. Der dribbelt sich auf den rechten Flügel durch und flankt den Ball in die Mitte. Daniele de Rossi lässt van der Sar mit einer fulminanten Direktabnahme im kurzen Eck keine Chance – 6:1.

Uniteds Antwort: Ole Gunnar Solskjaer bedient in Minute 81 an der Strafraumkante Patrice Evra. Der Franzose nimmt Maß, vom Innenpfosten springt der Ball ins Tor – 7:1. Für Evra war es der erste Champions League-Treffer im Trikot von Manchester United.

Endstation Halbfinale

Damit hatten die Römer genug gelitten. Lubos Michel setzte der Partie ein Ende. United stand jetzt auch offiziell im Halbfinale der Champions League und schlug die Roma in zwei Spielen 8:3.

Im Halbfinale ging es wieder gegen eine italienische Mannschaft, den AC Mailand. Grob gesagt, war diese Begegnung ein Spiegelbild von Uniteds Viertelfinale. Diesmal waren sie es, die das Hinspiel knapp 3:2 gewannen. Im San Siro sah United jedoch kein Land: Milan gewann nach Treffern von Kaka, Clarence Seedorf und Alberto Gilardino 3:0. Im Finale von Athen sicherte sich die Mannschaft von Carlo Ancelotti mit einem 2:1 gegen Liverpool den siebten und bis heute letzten Titel.

(Photo by MUSTAFA OZER/AFP via Getty Images)

Für United hingegen war dieses 7:1 gegen die Roma und auch die Saison im Allgemeinen der Start in eine letzte, erfolgreiche Ära mit Sir Alex Ferguson. In den darauffolgenden beiden Jahren wurde United jeweils Meister, 2008 gewannen sie in Rom die Champions League gegen Chelsea und standen 2009 und 2011 zwei weitere Male im Endspiel. Dort unterlagen sie aber jeweils Pep Guardiola und dem FC Barcelona.

“ I want to knock Liverpool off their f****n perch! And you can print that!“

Alex Ferguson 1986 über seine Ziele mit Manchester United

Viel wichtiger dürfte für den Schotten sowieso die Premier League-Saison 2010/11 gewesen sein. In diesem Jahr gewann United seinen 19. Meistertitel, überholte Liverpool und wurde neuer Rekordmeister. Damit hatte Sir Alex Ferguson auch sein 1986 ausgerufenes Ziel erreicht. Damals sagte er: „Ich will Liverpool von ihrem verdammten Ast runterholen. Und das können Sie so drucken!“

Der Katalysator dafür? Ein 7:1.

(Photo by Clive Mason/Getty Images)

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Victor Catalina


Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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