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Hertha BSC: Das Klinsmann-Dilemma als Offenbarungseid

11. Februar 2020 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Als bekannt wurde, dass Jürgen Klinsmann das Amt des Cheftrainers bei Hertha BSC übernahm, herrschte eine Mischung aus Skepsis und Verwunderung. Nach positiven Ansätzen folgte am heutigen Dienstag der große Knall.

Klinsmann-Rücktritt als kommunikatives Negativbeispiel

Am Vormittag verbreitete sich die Meldung, wonach Jürgen Klinsmann als Trainer von Hertha BSC zurückgetreten sei, wie ein Lauffeuer. Was fehlte, war aber eine offizielle Bestätigung des Klubs.

Lediglich ein Facebook-Post von Klinsmann, in dem der Cheftrainer fehlende Rückendeckung der handelnden Personen beklagte, lag als Information zugrunde. Später bestätigte das Management des ehemaligen DFB-Trainers den Rücktritt, noch bevor der Tabellen-14. ein offizielles Statement abgab.

(Photo by Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Doch warum reagierte der Klub nicht? Möglicherweise sorgten interne Differenzen dafür, dass sich Jürgen Klinsmann für einen Alleingang entschied. Im Hintergrund müssen Dinge vorgefallen sein, die die Öffentlichkeit nicht beurteilen kann, denn noch am gestrigen Montag tauschte sich Klinsmann mit den Fans aus, sprach von Ambitionen mit dem Klub. 

Erst am Dienstag um 11:11 Uhr, zu einer wirklich passenden Uhrzeit, gab der Klub die Trennung bekannt. Dieser gesamte, absurde Vorgang wird dadurch abgerundet, dass Klinsmann weiterhin seinen Posten im Aufsichtsrat behalten wird und somit auch genau die Verantwortlichen überwacht, denen er fehlendes Vertrauen unterstellte.

Chaos bei Hertha BSC

„Wir sind von dieser Entwicklung am Morgen überrascht worden. Insbesondere nach der vertrauensvollen Zusammenarbeit hinsichtlich der Personalentscheidungen in der für Hertha BSC intensiven Wintertransferperiode gab es dafür keinerlei Anzeichen. Über die weiteren Entwicklungen werden wir zu gegebener Zeit informieren“, teilte Michael Preetz in der Pressemitteilung mit. Das rundet das Chaos, das nun rund um Hertha BSC herrscht, noch einmal ab. In eben jener Pressemitteilung wird mitgeteilt, dass Alexander Nouri mit dem restlichen Trainerteam „zunächst“ das Training leiten wird.

Doch wie geht es weiter? Einen konkreten Plan dürfte Hertha BSC derzeit nicht in der Hinterhand haben, sofern der Rücktritt Klinsmanns wirklich so überraschend kam.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass dieser Dienstagvormittag ein schlechtes Licht auf die Außendarstellung des Klubs wirft. Der Alleingang einer Person sorgt für Unruhe und Hektik und eben jene Person trifft in Zukunft weitreichende Entscheidungen. So etwas kann man sich im Normalfall nicht ausdenken.

Gute Ansätze und Visionen

Die Tragweite des Dilemmas wird deutlich, wenn man bedenkt, wie häufig Jürgen Klinsmann über Visionen für die Zukunft sprach. Zudem durfte er im Winter 75 Millionen Euro zur Verstärkung der Mannschaft ausgeben. Die Ambitionen waren groß, Hertha spielte in den ersten Begegnungen unter Klinsmann zum Ende der Hinrunde auch recht solide, vor allem die Defensive wurde stabilisiert. Die Homogenität der letzten Wochen vor der Winterpause verflog jedoch auch schnell, vereinzelt gab es Kritik, insbesondere nach dem enormen Einbruch gegen Mainz am Wochenende.

(Photo by Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)

Doch nach all den Aussagen über das Potenzial dieses Klubs und Neuverpflichtungen wie Ascacibar, Cunha und Piatek, die schon helfen oder kürzlich helfen können, ist ein Rücktritt ein Zeichen von Schwäche und lässt vor allem Michael Preetz & co. nun nicht nur ratlos zurück, sondern auch in einer Rolle dastehen, die der Außendarstellung nicht positiv zuträglich ist.

Klinsmann hinterlässt also einen Scherbenhaufen – und ist einer derjenigen, die selbigen zusammenkehren müssen.

Wie geht es nun weiter bei Hertha BSC?

Die Frage, die sich sofort stellt: Wie geht es nun weiter? Ist Alexander Nouri eine Option bis Saisonende und darüber hinaus oder will man in der Hauptstadt einen neuen Cheftrainer verpflichten?

Potenziell interessante Kandidaten gäbe es genug, Niko Kovac würde weiterhin sehr gut nach Berlin passen. Fraglich ist aber, ob der ehemalige Bayern-Trainer – und das gilt auch für Roger Schmidt, der gegenwärtig vereinslos ist – nach diesem Theater in dieser Situation überhaupt bereit wäre, den Posten zu übernehmen. Möglicherweise präferieren diese Kandidaten eine Übernahme im Sommer, um sich einerseits besser vorzubereiten und andererseits die Entwicklung abwarten zu können.

Eine Übergangslösung zu finden, ist generell ein schwieriges Thema, vor allem, wenn diese eine externe sein soll. Neben Alexander Nouri steht auch noch Pal Dardai bei Hertha BSC unter Vertrag und wäre zumindest wegen seiner Loyalität ein Typ, dem man zutrauen würde, dass er als Notlösung zur Verfügung steht. Das ideale Szenario scheint derzeit jedoch nicht zu existieren und in diese Situation hat man sich im Klub selbst gebracht.

Was im Endeffekt intern vorgefallen ist und wie es zu der Kurzschlussreaktion Klinsmanns kam, ist nur Spekulation. Klar ist jedenfalls, dass Hertha BSC in der Außendarstellung jegliche Souveränität fehlt. Und bevor diese nicht hergestellt wird, kann man in Berlin viel von einem „Big City Club“ sprechen und träumen, realisierbar ist dieser aber sehr wahrscheinlich nicht.

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(Photo by Matthias Kern/Bongarts/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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