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Ist das FFP jetzt am Ende? – Ein Kommentar zum ManCity-Urteil

14. Juli 2020 | Spotlight | BY Christoph Albers

Manchester City darf auch in der kommenden Saison in der Champions League antreten. Das entschied der Internationale Sportgerichtshof, besser bekannt als CAS, am Montag. Der von der UEFA verhängte, zweijährige Wettbewerbsausschluss wurde durch das Urteil aufgehoben und die Geldstrafe von 30 auf „nur“ zehn Millionen Euro reduziert.

Die Reaktion auf die Entscheidung war zu erwarten: Vielerorts machte sich Empörung breit, das Urteil sei ein Witz, das Financial Fairplay der UEFA sei am Ende und die reichen Vereine könnten eh machen, was sie wollen. Eine verständliche Haltung, wenn man auf einen prominenten Präzedenzfall gehofft hat, doch die Entscheidung ist genauso wenig überraschend, wie eindimensional. Ein analytischer Kommentar.

Was wurde überhaupt entschieden?

Um dieser Sache auf den Grund gehen zu können, sollte zunächst einmal geklärt werden, was überhaupt entschieden worden ist. Da die schriftliche Urteilsbegründung des Gerichts aber noch nicht vorliegt, muss zunächst die Pressemitteilung des CAS ausreichen. Diese beginnt mit folgender Feststellung: Manchester City hat sich nicht der Verschleierung einer Eigenkapitalfinanzierung mittels Sponsoring schuldig gemacht, aber versäumte es mit den UEFA-Behörden zu kooperieren“.

In der weiteren Begründung wurde zudem darauf verwiesen, dass die meisten vermeintlichen Verfehlungen, die von der UEFA-Kammer gemeldet wurden, entweder nicht festgestellt werden konnten oder bereits verjährt waren. Damit wurde der Vorwurf der Verschleierung der Eigenkapitalfinanzierung abgewiesen, sodass nur der Vorwurf der mangelnden Kooperation zurückbliebt, der aber als nicht schwerwiegend genug erachtet wurde, um die verhängte Strafe aufrecht zu erhalten. Folglich wurde das Strafmaß auf die Zahlung von zehn Millionen Euro, die innerhalb von 30 Tagen zu leisten sei, reduziert.

Diese „erhebliche“ (Wortlaut CAS-Pressemitteilung) Geldstrafe wurde wiederum aufgrund der finanziellen Ressourcen des Clubs, der Wichtigkeit der Kooperation und der Abhängigkeit der UEFA von ebendieser und der Missachtung dieses Grundsatzes seitens des Clubs verhängt.

Zusammengefasst bedeutet das, dass Manchester City einen wertvollen Teilsieg errungen hat. Hinsichtlich der vermeintlichen Verschleierung der Eigenkapitalfinanzierung durch Sponsorings wurde ein Freispruch erwirkt, der vor allem auf eine unzureichende Begründung/Beweisführung und die Verjährung von wichtigen Vorwürfen zurückgeht, sodass nur der Tatbestand der mangelnden Kooperation zurückblieb und bestraft wurde, was ingesamt zu einem deutlich verringerten Strafmaß führt. Von einem vollständigen Freispruch oder der Anerkennung der Unschuld kann aber keine Rede sein.

Die UEFA sah in ihrer Pressemitteilung im Übrigen von weiteren Kommentaren in dieser Sache ab.

(Photo by FABRICE COFFRINI/AFP via Getty Images)

Hätte Manchester City härter bestraft werden müssen?

Die erste Antwort lautet ganz klar „Nein“. Man darf davon ausgehen, dass der Internationale Sportgerichtshof, der eine große Anerkennung genießt, korrekt und gut begründet entschieden hat. Das heißt allerdings nicht, dass keine härtere Strafe möglich gewesen wäre. Sie wäre nur nicht in diesem Verfahren möglich gewesen und damit kommen wir zum kritischen Punkt dieser Angelegenheit, zur Frage, warum bestimmte Vorwürfe bereits verjährt waren und warum bestimmte Punkte nicht ausreichend begründet werden konnten.

In dieser Frage muss vor allem die UEFA kritisch beäugt werden. Die Financial Fairplay Regeln wurden von der UEFA selbst festgelegt, sodass es im ersten Moment schlichtweg unerklärlich zu sein scheint, warum die Verjährungsfrist von fünf Jahren, die damit natürlich ebenfalls selbst festgelegt wurde, „übersehen“ wurde. Warum war es nicht möglich früher ein Verfahren anzustreben, um dem Problem vorzubeugen? Welche Probleme gab es dabei und wer ist dafür verantwortlich? Diese Fragen stehen offen im Raum und geben viel Raum für Spekulationen und Verdächtigungen (verfolgt jemand in der UEFA andere Ziele?).

Auch die Frage, warum bestimmte, vermeintliche Vergehen vom CAS verworfen worden sind, steht im Raum. Waren die Vorwürfe schlecht ausgearbeitet und nur unzureichend begründet? Wurden bestimmte Beweismittel aufgrund einer potenziellen Unzulässigkeit (Football Leaks?) nicht berücksichtigt? Auch hier bleiben viele Fragen offen, die aber vielleicht durch die schriftliche Urteilsbegründung, die in ein paar Tagen folgen soll, zumindest teilweise beantwortet werden können.

Es bleibt auf jeden Fall ein „Geschmäckle“ zurück, insbesondere was die UEFA angeht (dem CAS ist vorerst kein Vorwurf zu machen). Die Vorwürfe, dass sie vor den „Großen“ des Geschäfts zurückziehen und mitunter sogar als Erfüllungsgehilfen für deren Machenschaften dienen, bekommen neuen Rückenwind. Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Verbands haben erneut Hochkonjunktur.

Was bedeutet das Urteil für das Financial Fair Play?

Das Financial Fairplay steht nach diesem Urteil womöglich sogar noch mehr in der Kritik, als die UEFA selbst. Das FFP sei offensichtlich nutzlos und nun auch endgültig gestorben, so äußerten sich viele Fußballfans im ersten Impuls. Doch ist das wirklich so?

Zunächst einmal muss man vielleicht festhalten, dass in diesem Fall vor allem die UEFA und deren Strafverfolgung versagt hat und nicht das FFP selbst. Allerdings muss grundsätzlich natürlich zugeben, dass Regeln nur wirksam sein können, wenn sie auch durchgesetzt werden können – anders als in diesem Fall. Trotzdem ist dieser Fall grundsätzlich nicht nur negativ zu bewerten, schließlich ist es sehr wichtig, dass ein Beschuldigter die Möglichkeit hat Urteile anzufechten, wenn er der Meinung ist, das dieses ungerecht ist. Dieses Prinzip ist in einer demokratischen Struktur unerlässlich und das Urteil gibt Manchester City recht und der UEFA einen verdienten Rüffel für die eigenen Versäumnisse.

Doch auch der UEFA muss man sicherlich zugestehen, dass es nicht immer leicht ist Regeln und Sanktionen auch juristisch durchzusetzen. Der Verband verfügt mit Sicherheit über kompetente Juristen, aber die Gegenseite hatte mit ihren finanziellen Ressourcen auch die Möglichkeit die „Crème de la Crème“ der Anwälte zu beschäftigen, sodass man hier sicherlich auch von einem echten Härtetest sprechen muss. Zudem gilt es auch immer zu beachten, dass Regeln oft nur die Möglichkeiten haben nachzuziehen, um die Lücken, die die „Spieler“ ausnutzen, zu schließen. Die Regeln müssen sich also auch weiterentwickeln und genau das muss jetzt eine Forderung an die UEFA sein. Doch dazu später mehr.

(Photo by FABRICE COFFRINI/AFP via Getty Images)

Es geht nicht um mehr Wettbewerbsgleichheit

Zunächst nochmal zurück zum Financial Fair Play und der Frage, ob dieses Instrument jetzt nutzlos geworden ist. Um diese Frage beantworten zu können, muss erstmal die Frage beantwortet werden, wozu es überhaupt eingeführt worden ist. Das vorrangige Ziel des FFP ist es, die Clubs dazu zu animieren, nachhaltiger und solider zu wirtschaften, anstatt nur auf den kurzfristigen Erfolg hinzuarbeiten, um sie davor zu bewahren, in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Es ist ausdrücklich nicht das Ziel, die Clubs anzugleichen oder für Wettbewerbsgleichheit zu sorgen.

Ursprünglich eingeführt wurde es als Reaktion auf die enormen Verluste, die viele Vereine Ende der 00er-Jahre erzielten. Und knapp zehn Jahre später kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dass sich die Situation deutlich gebessert hat und viele Clubs sogar große Gewinne erzielen. Die Entwicklung lässt sich natürlich nicht allein auf das FFP zurückführen, da auch noch viele weitere Faktoren eine Rolle gespielt haben, aber man sollte diese Tatsache auch nicht völlig ignorieren.

Als Hinweis dazu: Der Kern des FFP ist gewissermaßen ein Break-even-Modell, das den Clubs dabei helfen soll Verluste zu vermeiden. Demnach dürfen sie über drei Jahre hinweg maximal fünf Millionen Euro Verlust machen, der allerdings bis auf 30 Millionen erweitert werden kann, wenn der Besitzer bereit ist, ihn mit Eigenkapital auszugleichen. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Clubs bestimmte Ausgaben (z.B. Investitionen in den Nachwuchs, in den Frauenfußball oder in Infrastruktur) nicht in diese Rechnung einbeziehen müssen, sodass eine bloße Betrachtung der GuV-Rechnung nicht ausreicht. So ist es möglich insgesamt deutlich größere Verluste zu machen, als es zunächst den Anschein macht. Außerdem ist der Schutz vor einer möglichen Zahlungsunfähigkeit nur bedingt gegeben, da Liquiditätskennzahlen keine Rolle spielen.

Ein schlechtes Zeichen?

Ein großes Problem in diesem Zusammenhang liegt also auch darin, dass die Erwartungshaltung an das FFP falsch bzw. unrealistisch ist. Es wird nicht für eine größere Wettbewerbsgleichheit sorgen. Ansonsten hätten die großen Vereine, die von dieser Regelung wesentlich profitieren, die Einführung wohl kaum zugelassen. Geht man nur davon aus, dass es darum geht finanziellen Schwierigkeiten vorzubeugen, ist dieser Fall erstmal unproblematisch, schließlich gehört Manchester City sicherlich nicht zu den bedrohten Clubs.

Problematisch ist hierbei vor allem, dass die UEFA nicht dazu in der Lage war, die Sanktionen juristisch durchzusetzen. Die fehlende Durchsetzbarkeit ist sicherlich ein schlechtes Zeichen, doch um zu sagen, dass das FFP damit am Ende ist, ist sicherlich verfrüht.

(Photo by Paolo Bruno/Getty Images)

Was muss die UEFA nun am FFP ändern?

Vielmehr wird es nun, im Nachgang dieses Urteils, darum gehen, wie das Financial Fairplay angepasst werden muss, um zukunftsfähig zu sein. Ein erster, einfacher Schritt wäre sicherlich die Verlängerung der Verjährungsfrist, z.B. von fünf auf zehn Jahre. Damit hätte die UEFA sicherlich ein wesentliches Problem ausgemerzt.

Doch darüber hinaus gibt es noch viele weitere Stellschrauben, an denen gedreht werden kann. So wäre eine größere Transparenz wünschenswert und notwendig, um die Glaubwürdigkeit der UEFA und das Vertrauen in sie zumindest ein stückweit wiederherzustellen. Die UEFA ist abhängig von der gesellschaftlichen Akzeptanz und ist daher umso mehr gefordert ihrem schlechten Ruf mit sinnvollen Maßnahmen zu begegnen.

Darüber hinaus erscheint die Einführung von weiteren Maßnahmen im Sinne einer größeren Nachhaltigkeit sinnvoll zu sein. Die Nachhaltigkeit sollte sich nicht mehr nur auf den ökonomischen Aspekt, sondern auch auf die ökologische und soziale Dimension beziehen, um vermehrt gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen – auch im Kerngeschäft und nicht nur nebenbei. In diesem Sinne wäre die Einführung einer umfassenderen Lizenzierung, ähnlich wie bei der DFL (aber mit etwas anderen Schwerpunkten), sinnvoll.

In diesem Sinne passt dieses Urteil sehr gut in die momentane Gemengelage, da sich auch hieraus der Bedarf nach einer weitreichenden Veränderung des Profifußballs speisen kann.

Von Christoph Albers

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(Photo credit should read LLUIS GENE/AFP via Getty Images)

Christoph Albers

Cruyff-Jünger und Taktik-Liebhaber. Mag präzise Schnittstellen-Pässe, schwarze Leder-Fußballschuhe, Retro-Trikots und hat einen unerklärlichen Hang zu Fußball-Finanzen. Seit 2016 bei 90PLUS.


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