Nachspielzeit: Der Mythos um den „faulen“ Özil und den „engagierten“ Sanchez

Nachspielzeit

Gerade in Zeiten der Krise kann man gut erkennen, wie die beiden Starspieler des FC Arsenal unterschiedlich wahrgenommen werden.

Während der „faule“ Mesut Özil oftmals für seine lethargische Art kritisiert wird, genießt der „engagierte“ Alexis Sanchez bezüglich seines aufopferungsvollen Einsatzes einen hervorragenden Ruf. Doch die Zahlen erzählen eine andere Geschichte…

 

Zahlen lügen nicht?

Alexis Sanchez (27) steht derzeit heftig in der Kritik. Er soll nach einem Disput mit Arsene Wenger (67) nicht nur das Training vorzeitig abgebrochen haben, sondern auch für mächtig Unruhe innerhalb des Teams sorgen. Darüber hinaus wurde der frustrierte Sanchez in den letzten beiden Pleiten dabei erwischt, wie er die aussichtslose Situation der Mannschaft scheinbar zynisch belächelte.

Ganz nebenbei sind auch noch die Vertragsgespräche mit dem Top-Scorer (27 Torbeteiligungen) im Sande verlaufen. Der Vertrag des Chilenen läuft 2018 aus und momentan gibt es keine Anzeichen auf eine Verlängerung.

(Photo IAN KINGTON/AFP/Getty Images)

Eines, und da sind sich die meisten Anhänger des krisengeschüttelten Vereins sicher, könne man Sanchez nicht vorwerfen: Mangelnden Einsatz. Das Energiebündel ist als unermüdlicher und aufopferungsvoller Kämpfer bekannt.

Auf der anderen Seite haben wir einen Mesut Özil, der wahrlich keine hervorragende Saison spielt und sichtlich mit sich selbst zu kämpfen hat. Zwar würde kein Fußball-Kenner das überragende Spielverständnis oder die exzellente Technik des „Zehners“ jemals in Frage stellen, doch was Leidenschaft und Einsatz angeht, hat der Nationalspieler viele Kritiker: Özil wirke oft behäbig, desinteressiert und lauffaul.

Schaut man sich die Lauf-Statistik der beiden Stars des FC Arsenal genauer an, wird man eines Besseren belehrt:

[vtftable ]
{f1}Premier League 2016/2017;;;{f1}Alexis Sanchez;;;{f1}Mesut Özil;nn;
Spiele über 90 Minuten;;;20;;;16;nn;
Davon Spiele mit mind. 10km Laufdistanz;;;0;;;14;nn;
[/vtftable]

Zahlen via Sky Sports UK

Überraschenderweise hat der „Kämpfer“ Alexis Sanchez in 20 Spielen, in denen er die vollen 90 Minuten auf dem Feld stand, nicht einmal die 10-Kilometer-Marke geknackt. Der „lethargische“ Mesut Özil dagegen erreichte diesen Wert in 14 von 16 Partien.

Ist es also Sanchez, der in Wahrheit faul und desinteressiert ist?

 

Verhältnismäßigkeit & Wahrnehmung

Natürlich nicht! Man kann diese beiden Werte nicht einfach über einen Kamm scheren.

Während die Sprints eines aggressiven Stürmers natürlich leichter ins Auge springen, sind die Laufwege eines Spielmachers unspektakulärer – wenngleich genauso notwendig. Der Weltmeister von 2014 hat eine lässige und lethargisch wirkende Aura, das heißt jedoch nicht zwingend, dass er „faul“ ist. Özil ist über die letzten Jahre betrachtet nämlich einer der laufstärksten Spieler im Team von Arsene Wenger.

(Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Sanchez läuft also weniger als sein deutscher Mannschaftskollege. Fairerweise muss man jedoch betonen, dass er positionsbedingt eher die Meter macht, die „wehtun“. Seine Sprints in die Schnittstelle und die unermüdlichen Pressingversuche, oftmals in aussichtslosen Situationen und spät im Spiel, gehen viel mehr an die Substanz als die „Dauerläufe“ eines Mittelfeldspielers.

Das relativiert etwas die Anzahl der gelaufenen Kilometer, auch weil Sanchez im Schnitt nicht weit von den 10 Kilometern entfernt ist (9,04km pro Spiel). Insgesamt ist eine geringere Gesamtdistanz mit vielen Sprints wohl ähnlich ermüdend wie eine höhere Gesamtdistanz mit wenigen Sprints. Die Unterschiede sind also typen- und positionsbedingt.

Aus diesem Grund sollte man diese Zahlen nicht überbewerten.

Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte: Alexis Sanchez ist nicht der aufopferungsvollste Kämpfer aller Zeiten und Mesut Özil ist sicherlich alles andere als faul!

 

Aber…

Es ist jedoch nicht abzustreiten, dass der „Kämpfer“ Alexis Sanchez seit Dezember 2016 deutlich abgebaut hat. Dabei sei zu erwähnen, dass dies zufälligerweise auch der Zeitpunkt war, an dem die Krise der Gunners ungefähr begann.

Neben einer zunehmenden Anzahl von Ballverlusten, ist auch ein negativer Trend hinsichtlich seiner läuferischen Leistung zu erkennen:

[vtftable ]
{f1}PL 2016/2017;;;{f1}bis November 2016;;;{f1}seit Dezember 2016;nn;
Spiele über 90 Minuten;;;10;;;10;nn;
Gelaufene Kilometer pro Spiel;;;9,31;;;8,77;nn;
Sprints pro Spiel;;;59,5;;;55;nn;
[/vtftable]

Zahlen via Sky Sports UK

Das kann natürlich mehrere Gründe haben. Frustration, Ermüdung, Form, taktische Ausrichtung, Position, schwankende Unterstützung der Teamkollegen, vielleicht sogar Desinteresse. Wer weiß? Letztendlich ist es wohl eine Mischung aus vielen Faktoren.

Fakt ist: Der „Kämpfer“ Sanchez ist mit der aktuellen Situation unzufrieden und das merkt man auch…

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.

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