„Zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ – Wie Solskjaer United daran erinnert, United zu sein

15. Januar 2019 | Nachspielzeit | BY Chris McCarthy

22. Spieltag der Premier League. Manchester United hat soeben 1:0 bei den Tottenham Hotspur gewonnen, das fünfte Spiel in Serie. Interimstrainer Ole Gunnar Solskjaer und sein Trainerstab liegen sich in den Armen…“united“. Ein Moment, symbolisch dafür, was der Norweger derzeit bei seinem neuen alten Verein bewegt…

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Insbesondere die Fans des FC Bayern München werden sich schmerzlich daran erinnern, dass Ole Gunnar Solskjaer als Spieler vor allem eine Qualität auszeichnete: Er war stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das bekannteste Beispiel dafür ist natürlich das Champions-League-Finale 1999.

Zwei Minuten nach dem späten Ausgleich durch Teddy Scheringham war Edeljoker Solskjaer zur Stelle, um die Münchner mit seinem Siegtreffer in der Nachspielzeit in ein Tal der Tränen zu stürzen. Der „Baby-faced Assassin“, wie Solskjaer dank seines jugendlichen Aussehens und seines Killerinstinkts vor dem Tor genannt wurde, hatte wieder zugeschlagen. 

Auch 20 Jahre später scheint Solskjaer diesen Instinkt nicht verloren zu haben, wie er nun als Trainer unter Beweis stellt. 

(Photo by Laurence Griffiths/Getty Images)

Interimslösung nach Mourinho

16. Dezember 2018, 17. Spieltag der Premier League. Manchester United wurde beim 1:3 an der Anfield Road vom großen Rivalen Liverpool regelrecht über den Platz gescheucht. Die Mannschaft von José Mourinho präsentierte sich lethargisch, unorganisiert, verkrampft und ohne jegliches Selbstbewusstsein. Es würde das letzte Mal sein, dass der polarisierende Portugiese auf der Trainerbank des stolzen Klubs aus Manchester sitzt.

United, meilenweit von dem Teamgeist, der Angriffslust und der Moral der einzigartigen Ferguson-Ära entfernt, ersetzte Mourinho daraufhin durch eine Vereinslegende. Ole Gunnar Solskjaer, mittlerweile Trainer bei FK Molde, wurde bis Saisonende ausgeliehen. Kaum einer traute dem Norweger zu, mehr als eine Übergangslösung zu sein. Immerhin war seine bisher einzige Trainerstation fernab der Heimat, Zweitligist Cardiff, nur ein kurzes und erfolgloses Intermezzo.

Zum Auftakt der Ära Solskjaer gewann Manchester United vier Spiele in Folge. Selbst nach diesem Einstand – der beste in der Vereinshistorie nach dem legendären Matt Busby – verwiesen die Kritiker auf das schwache Kaliber der Gegner. Diese Serie, so der Tenor, wäre wohl auch unter Mourinho zustande gekommen. Sogar die Art und Weise, wie sich Manchester United plötzlich präsentierte, nämlich regelrecht befreit von den destruktiven Fesseln des egozentrischen Vorgängers, sei nicht der Verdienst Solskjaers. Plausibler erschien die Erklärung, dass es eben nicht Mourinho ist, der nun an der Seitenlinie steht und Freigeister wie Paul Pogba in ihrem Dasein hemmt.

Die Zweifel am Mourinho-Nachfolger blieben bestehen…

(Photo OLI SCARFF/AFP/Getty Images)

„Das echte United“

Vergangenes Wochenende bestand Solskjaer dann wider Erwarten seinen ersten großen Härtetest. Manchester United gewann auswärts 1:0 bei Tottenham.

„Das ist das echte United“, schwärmte Schlussmann David De Gea nach dem Spiel. Und in der Tat, auch wenn der Sieg letztendlich ein wenig der Abschlussschwäche der Spurs und vor allem den Heldentaten des Spaniers zu verdanken war, hatte er damit nicht unrecht. Obwohl die Leistung lange nicht perfekt war, demonstrierte die Mannschaft eine Vielzahl der fast schon vergessenen Werte, für die Manchester United jahrzehntelang stand, allen voran „Teamgeist, Glaube und Spaß“, wie es Solskjaer nach der Partie formulierte. Dafür ist vor allem er selbst verantwortlich.

Spaß„, weil er dem Team die totgeglaubte Freude am Fußballspielen eingehaucht hat. Das hat zur Folge, dass die zuvor fast schon kastrierte Offensive endlich forsch nach vorne spielt. So auch gegen die Spurs, als die entfesselten Einzelkönner Paul Pogba, Marcus Rashford oder Anthony Martial den Angriffsplan des Trainers insbesondere in der ersten Halbzeit mutig und zielorientiert umsetzten. Bestes Beispiel dafür, das 1:0 durch Marcus Rashoford nach einem Weltklasse-Zuspiel Pogbas.

In der zweiten Hälfte stießen die Red Devils bei den wütenden Angriffsbemühungen der Spurs zunehmend körperlich und defensiv an ihre Grenzen. Hier kamen die Tugenden „Teamgeist“ und „Glaube“ zum Vorschein. Also genau das, was United zu Solskjaers Zeit als Stürmer nicht nur im Champions-League-Finale auszeichnete und er nun als Trainer weitervermittelt. In der hektischen Schlussphase gegen Tottenham nahmen sich das seine Spieler zu Herzen und konnten schließlich mit vereinten Kräften den Sieg erzwingen.

Am Sonntag sahen wir „das echte United“. Selbst wenn es nicht lange anhalten sollte, selbst wenn im Sommer ein anderer auf der Trainerbank sitzt und es für Ole Gunnar Solskjaer bei einem typischen Jokerauftritt bleibt, für seine Red Devils wäre er mal wieder zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Dieses Mal mit der überfälligen Erinnerung daran, was es bedeutet, United zu sein. 

Egal wie und mit wem der Verein in die Zukunft geht, das muss der Grundstein sein… 

(Photo OLI SCARFF/AFP/Getty Images)


Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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