Der Benjamin Button der Premier League und „Schuster, bleib bei deinem Leisten“

3. September 2018 | Premier League Awards | BY Chris McCarthy

Der vierte Spieltag der Premier League ist abgeschlossen und hatte mal wieder einige interessante Geschichten parat. Wie immer gibt es an dieser Stelle unsere 7 Awards. Viel Spaß…

 

„Frühstarter 2.0“ – Award: Watford FC

Bereits letzte Woche händigten wir Watford FC den „Frühstarter“ – Award:

[…]Sicher, die Londoner werden sich mit dem Verlauf der Saison wohl eher im Mittelfeld ansiedeln. Doch die Struktur, Effizienz und Homogenität, die der Trainer seinen Männern eingehaucht hat, ist beachtlich und so deutet vieles darauf hin, dass der Frühstarter 2018/2019 deutlich besser auf die Saison vorbereitet ist, als zunächst angenommen.[…]

Nach dem 2:1 über Tottenham müssen wir dahinter noch mal ein dickes Ausrufezeichen setzen. Watford überkam einen 0:1 Rückstand (Eigentor), eine schwache erste Hälfte und konnte dank einer inspirierenden Mannschaftsleistung das Spiel noch drehen. Die Spurs taten sich über das gesamte Spiel schwer, gegen die beherzte Verteidigung Chancen zu kreieren und kamen in Halbzeit zwei nicht mit der gestiegenen Intensität der Hausherren klar. Durch zwei Kopfballtore nach Standardsituationen fuhren die Hornets den vierten Sieg im vierten Spiel ein. Der beste Erstliga-Start in der Vereinsgeschichte der Londoner!

Javi Gracia hat eine Einheit mit Siegermentalität geformt, die es mit Struktur, Leidenschaft und Intensität dieses Jahr wohl jedem Gegner schwer machen wird.

(Photo by Stephen Pond/Getty Images)

 

„Benjamin Button“ – Award: Glenn Murray

Wir alle kennen die Geschichte von Benjamin Button, einem Mann der anders als normale Menschen nicht altert, sondern immer jünger wird.

Das könnte auch auf Sturm-Routinier Glenn Murray zutreffen. Bereits letzte Saison hielten es die meisten Experten für naiv, sich in der Premier League auf einen 34-Jährigen Stürmer zu verlassen, der die meiste Zeit seiner Karriere in den unteren Ligen der Fußballinsel aufhielt. Brighton-Trainer Chris Hughton tat es dennoch und wurde mit zwölf Toren durch den Engländer für sein Vertrauen belohnt.

Diese Saison jedoch, konnten sich die Seagulls nun wahrlich nicht mehr auf Murray als Stamm-Stürmer verlassen. Immerhin wird der Routinier im September 35 Jahre alt und die gegnerischen Verteidiger jünger und schneller. Falsch! Ihnen fehlt eine besondere Eigenschaft, die Murray nun mal auszeichnet: Die Erfahrung aus knapp 500 Pflichtspielen und so belehrt uns der spielintelligente Angreifer auch 2018/2019 eines Besseren:

Im Heimspiel gegen Fulham holte Brighton einen 0:2 Rückstand auf. Alles Dank Glenn Murray, der zunächst in der 67. den Ausgleich beisteuerte, ehe er in der 84. Minute eiskalt einen Handelfmeter verwandelte.

Der Benjamin Button der Premier League steht damit nach vier Spielen schon bei drei Toren.

(Photo by Nigel Roddis/Getty Images)

 

„Schuster, bleib bei deinem Leisten“ – Award: Alisson

70 Millionen Euro nahm der FC Liverpool im Sommer in die Hand, um die Dauerbaustelle im Tor ein für alle Mal zu beheben. Eine Summe, die einem schon mal zu Kopf steigen kann!

Nichts desto trotz, Alisson deutete bereits in den ersten drei Spielen an, es wert zu sein, sorgte mit sehenswerten Paraden dafür, dass die Reds Spiele gewannen (Crystal Palace, Brighton), die sie letzte Saison vielleicht nicht gewonnen hätten. Als moderner Torhüter muss man aber auch Fußballspielen können, auch das deutete der Brasilianer an, gut zu können. Vielleicht etwas zu gut, denn ein gewisse Überheblichkeit schien sich bereits in den ersten Spielen bei Alisson breit zu machen und diese kostete Liverpool gegen Leicester beinahe Punkte.

Beim Stand von 2:0 hatte Alisson am Rande seines Sechszehners die grandiose Idee, gegen den pressenden Demiray Gray ins Dribbling zu gehen. Der Keeper vertändelte den Ball und leitete damit den Anschlusstreffer ein. In einem Spiel, in dem Liverpool erneut nicht hundertprozentig überzeugte, konnte man von Glück reden, dass Leicester im Angriff ohne den gesperrten Jamie Vardy die Durchschlagskraft fehlte. Die Foxes hielten nämlich munter mit!

Es blieb beim 2:1, dem vierten Sieg im vierten Spiel, und der Erkenntnis: Schuster bleib bei deinem Leisten, denn dieser Leisten, in diesem Fall das traditionelle Torwartspiel, kann sich bei Alisson sehen lassen. Kein Grund, sich das durch unnötige Überheblichkeiten kaputt zu machen…

(Photo by Charles McQuillan/Getty Images)

 

„Glücksbringer“ – Award: Alexandre Lacazette

Alexandre Lacazette oder Pierre-Emerick Aubameyang. So schlecht der FC Arsenal in der Defensive aufgestellt ist, so beeindruckend sind die Auswahlmöglichkeiten im Sturm. Nach einer sensationellen Debüt-Halbserie letzte Rückrunde setzte Unai Emery jedenfalls zunächst auf den Gabuner im Sturmzentrum.

Was Arsenal allerdings an Lacazette hat, wurde beim krampfhaften 3:2 bei Cardiff City deutlich. Der Franzose ist deutlich kombinationsstärker, setzte gegen die Waliser beispielsweise seinen eigentlichen Konkurrenten sehenswert in Szene, als dieser zum 2:1 traf. Nachdem die wackelige Hintermannschaft erneut einen Treffer hinnehmen musste – erst der zweite der zahnlosen Waliser in dieser Saison überhaupt – krönte Lacazette seine starke Leistung. Torreira bediente den Stürmer rechts am Sechzehner, dieser zimmerte den Ball unwiderstehlich und unhaltbar unter die Latte.

Alexandre Lacazette steht dank seiner klugen Bewegung, guten Intuition und Abschlussstärke für Tore, war in seinen letzten neun Startelf-Einsätzen an zehn Treffern direkt beteiligt.

Unai Emery dürfte es schwer fallen, den Knipser von nun an nicht öfter einzusetzen. Immerhin hat Arsenal seit seinem Debüt im August 2017 58% der Spiele gewonnen, in denen er auflief. Ohne ihn dagegen nur 33%. Ein wahrer Glücksbringer…

(Photo by Steve Bardens/Getty Images)

 

„Verteidiger mit Tordrang“ – Award: Marcos Alonso

Nach dem Einbahnstraßen-Fußball der vergangenen Woche (2:1 gg. Newcastle) biss sich Chelsea gegen Bournemouth erneut an einem extrem passiven und defensiven Gegner die Zähne aus. Die Cherries ließen kaum Chancen zu und wussten lange die Offensivspieler weitestgehend zu neutralisieren.

Wie auch letzte Woche musste sich Chelsea daher auf die offensiven Impulse der Verteidigung, besser gesagt des Verteidigers mit Tordrang verlassen. Marcos Alonso interpretierte seine Linksverteidigerposition gewohnt offensiv, stellte für Bournemouth ein kaum zu bremsendes und dynamisches Angriffselement dar. Es war auch sein Impuls, der das 1:0 in der 72. Minute durch Pedro einleitete, ehe der Spanier die Entscheidung durch Hazard selbst vorbereitete.

In dieser jungen Saison hat Marcos Alonso bereits ein Tor und vier Vorlagen auf dem Konto. Seit seinem Wechsel zum FC Chelsea im Sommer 2016 ist er damit der Premier League Verteidiger mit dem größten Tordrang. An seine 21 beigesteuerten Tore über diesen Zeitraum (14 Treffer, 7 Vorlagen) kommt am ehesten Mannschaftskollege Cesar Azpilicueta ran(3 Tore, 11 Vorlagen).

(Photo by ADRIAN DENNIS/AFP/Getty Images)

 

„BURxit“ – Award: Burnley

Dass die Doppelbelastung durch die unerwarteten Qualifikationsspiele für die Europa League nicht spurlos an Burnley vorbeigehen würden, war zu erwarten. Die Clarets, letzte Saison das große Überraschungsteam, konnten ihren ohnehin dünnen Kader im Sommer nur marginal verstärken. Im Vergleich zum ohnehin schon übermächtigen Gegner Manchester United hatte Burnley vor der Partie  Mehrheit der Premier League hat Burnley nach drei Spieltagen jedoch bereits neun Pflichtspiele in den Beinen – allesamt nach 90 Minuten sieglos. Nicht umsonst schonte der Coach in Europa einige Stammkräfte.

Und dennoch war vom Überraschungsteam Burnley der Vorsaison gegen Manchester United nicht viel zu erkennen. Die Clarets wirkten müde, kamen nicht in die Zweikämpfe und ließen ihre berühmte Intensität deutlich vermissen. Die Red Devils hatten beim 2:0 Auswärtserfolg, der im Übrigen auch deutlich höher hätte ausgehen können, keinerlei Mühe.

Folglich dürfte Sean Dyche nicht am Boden zerstört sein, dass das europäische Abenteuer nach dem 1:1 gegen Olympiakos in den Playoffs für Burnley schon jetzt wieder vorüber ist. Für die Clarets ist der „BURxit“ jedenfalls positiv, denn der kleine Kader kann sich jetzt ausschließlich auf den Liga-Alltag konzentrieren. Dieser wird nach dem sensationellen Platz sieben im Vorjahr schwer genug…

 

 

„Falscher Mann“ – Award: Manuel Pellegrini

2 Tore, 10 Gegentore und 0 Punkte nach vier Spielen. Der Fehlstart West Hams ist perfekt.

So sehr sich die Hammers im Sommer auch verstärkten, das Chaos war mal wieder vorprogrammiert. So gut einige offensiven Neuzugänge auch sind, bzw. eher sein können, die schlechteste Defensive aller Nichtabsteiger der Vorsaison wurde im Sommer fast komplett vernachlässigt. Der einzige brauchbare Sechser, Cheikh Kouyaté, wurde abgegeben und halbherzig durch Carlos Sanchez ersetzt. Die Verteidigung hat in Issa Diop lediglich einen brauchbaren Neuzugang vorzuweisen, und der wird aufgrund seiner Unerfahrenheit noch Zeit brauchen, ehe er eine zuverlässige Stütze darstellen kann. Ganz nebenbei ist der neue Trainer, Manuel Pellegrini, nicht gerade defensivorientiert.

Die defensiven Probleme waren schon vor dem Spiel gegen Wolverhampton bekannt, West Ham agierte auch hier in der Rückwärtsbewegung wie ein kopfloses Huhn, desorganisiert, phasenweise sogar desinteressiert. Das erschreckende am Heimspiel gegen die Wolves war allerdings die Lustlosigkeit und Lethargie, mit der die Hammers auftraten. Dass das Spiel nur 0:1 ausging, ist alleine Keeper Lukasz Fabianski zu verdanken.

Manuel Pellegrini ist sicherlich ein guter Trainer. Doch aufgrund seines fehlenden Defensivbewusstseins und ohne brauchbare Defensivspieler könnte der Chilene für West Ham leider der falsche Mann sein. Erst recht, wenn er die Mannschaft nicht mehr erreicht oder überhaupt motivieren kann. Danach sah es gegen die Wolves leider aus….

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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