Premier League | Vintage Mourinho und 101 (vor)entscheidende Sekunden…

7 Awards – Premier League | Der 35. Spieltag ist komplett und wir erlebten einen typischen Mourinho und 101 (vor)entscheidende Sekunden im Kampf um Europa sowie gegen den Abstieg
„Vintage Mourinho“ – Award: José Mourinho
Am Sonntag trafen zwei Klubs aufeinander, die aus dem Norden Londons stammen, eine desolate Hinrunde erlebten und kurz vor Jahresende den Trainer wechselten: Tottenham und Arsenal, bittere Rivalen.
Beide Teams kamen unter ähnlichen Vorzeichen ins Spiel: Die Gunners und die Spurs befinden sich in einem Entwicklungsprozess, brauchen wohl Zeit und Spieler, um die Ideen ihrer Trainer richtig umzusetzen. Mit einem Unterschied: Arsenal ist in Sachen Spielstruktur und -philosophie ein Stück weiter. Bei Tottenham wirkte alles zuletzt sehr leblos und statisch.
Doch wie auch die Spurs wirkten die Gunners zuletzt platt, müde, überspielt. Dies hat zur Folge, dass Arsenal im letzten Drittel zu unentschlossen und unpräzise handelt – bei gewohnter Anfälligkeit in der Defensive. So auch am Sonntag. Ein gefundenes Fressen für José Mourinho und seinen vielkritisierten, allerdings oft effizienten, pragmatischen wie opportunistischen Spielstil.
You want to see the big big problem with Arsenal summed up in one picture? It’s this pic.twitter.com/IMI5CX94rg
— JB™️ (@gunnerpunner) July 12, 2020
Arsenal machte das Spiel, ging mit 1:0 durch einen Strahl von Alexandre Lacazette in Führung, wurde im Anschluss aber zu selten gefährlich. Tottenham dagegen lauerte auf Fehler. Der Plan ging auf. Heung-Min Son bestrafte Sead Kolasinacs missglückten Rückpass zum 1:1, Toby Alderweireld nutzte Abstimmungsprobleme bei einer Ecke zum 2:1 kurz vor Schluss.
Es war keine Glanzleistung der Spurs, musste es auch nicht sein. Vintage Mourinho eben.
„In 101 Sekunden aus der Champions League?“ – Award: Leicester City
Nach einer herausragenden Hinrunde und den zweitmeisten Punkten der Liga schien es eigentlich nur Formsache zu werden, dass sich Leicester City überraschend wie verdient für die Champions League qualifizieren würde.
Doch zum Jahreswechsel schlichen sich im feinen aber kleinen Kader von Trainer Brendan Rodgers Ermüdungserscheinungen und Verletzungen auf Schlüsselpositionen ein. Die Foxes konnten das nicht verkraften, belegen in der Rückrundentabelle nur Platz 13.
Tiefpunkt der Implosion waren 101 Slapstick-artige Sekunden in Bournemouth. Nach 65 Minuten führte Leicester mit 1:0. 101 Sekunden später waren die Foxes mit 1:2 hinten und in Unterzahl. Keeper Kasper Schmeichel hatte bei einem Abschlag seinen Mitspieler Wilfried Ndidi angeschossen. Dieser verursachte beim Klärungsversuch einen Elfmeter: 1:1. Nur 100 Sekunden später folgte nach kollektivem Versagen in der Defensive das 1:2. Zu allem Überfluss ließ sich Çağlar Söyüncü direkt nach dem Treffer noch zu einer Tätlichkeit hinreißen und sah Rot. Das Spiel war gelaufen, Bournemouth erhöhte sogar auf 4:1.
Da Manchester United gegen Southampton nicht über ein 2:2 hinaus kam, bleibt Leicester noch auf Platz vier. Der Vorsprung auf Rang fünf, der nicht mehr zur Champions League genügen würde, ist allerdings bei Punktgleichheit auf drei Tore geschmolzen. In Anbetracht der herben Auflösungserscheinungen womöglich zu wenig, zumal am letzten Spieltag ManUtd zu Gast ist…

„In 101 Sekunden dem Tod von der Schippe gesprungen“ – Award: AFC Bournemouth
Für den AFC Bournemouth waren diese 101 Sekunden ebenfalls von massiver Bedeutung. Kurz zuvor steuerte Bournemouth auf das zehnte sieglose Spiel in Serie und die achte Niederlage zu. Der Abstieg wäre bei sechs Punkten Rückstand wohl nicht zu vermeiden gewesen
101 Sekunden später sieht auch im Süden Englands die Welt wieder anders aus. Die Mannschaft spielte plötzlich befreit auf. Durch den 4:1-Sieg beträgt der Abstand auf Platz 16 (West Ham) und 17 (Watford) nun drei Punkte. In Anbetracht des Restprogramms darf sich Bournemouth plötzlich wieder berechtigte Hoffnungen auf den Klassenerhalt machen.
- 16. West Ham (34 Punkte/ -15 Punkte): Watford, ManUtd (A), Villa
- 17. Watford (34/ -21): West Ham (A), ManCity, Arsenal (A)
- 18. Bournemouth (31/-24): ManCity (A), Southampton, Everton (A)
- 19. Aston Villa (30/-27): Everton (A), Arsenal, West Ham (A)
- 20. Norwich: bereits abgestiegen
„Überlebensversicherung“ – Award: Michail Antonio
Neben Bournemouth gelang auch West Ham Befreiungsschlag im Abstiegskampf. Zu verdanken hatte das Trainer David Moyes, unter dem die Fortschritte nicht gerade ins Auge sprangen, seiner Überlebensversicherung: Michail Antonio.
Seit dem Restart war der 30-Jährige an insgesamt 78% der Tore der Hammers direkt beteiligt. Beim 4:0 gegen Norwich, das dadurch übrigens offiziell abgestiegen ist, erhielt die Zahl eine stolze Aufwertung: Antonio erzielte alle vier Tore!

„Defense wins Championships“ – Award: FC Chelsea
Nach abgelaufener Transfersperre, hoffnungsvoller Ansätze der jungen Spieler und bereits zwei Top-Transfers für die kommende Saison (Hakim Ziyech und Timo Werner), blickt man beim FC Chelsea optimistisch in die Zukunft. Sollte es den Blues sogar gelingen, Kai Havertz an Land zu ziehen, so hätte diese Offensive sicherlich das Potential, wieder um Titel zu spielen.
Doch genau da liegt das Problem. Wie der Spruch „Defense wins Championships“ so schön sagt, genügt hierzu nicht nur eine starke Offensive. Und gerade in der Defensive hat Chelsea mächtig Verbesserungsbedarf. Daran wurden sie am Samstag in Sheffield schmerzhaft erinnert.
Trotz 76% Ballbesitz geriet die Lampard-Elf mit 0:3 unter die Räder. Chelsea hat nach 35 Spieltagen nun 49 Gegentore – die meisten der oberen Tabellenhälfte und ganze 22 mehr als Ligaprimus Liverpool.
So schwer es sicherlich fällt, auf einen Kai Havertz zu verzichten. Bei einem plötzlich so anfälligen Torhüter in Kepa Arrizabalaga und suspekten Innenverteidigern, wäre der FC Chelsea gut beraten, die Transferstrategie zu überdenken.
„Gute Woche“ – Award: Manchester City
Am Samstagabend schoss sich Manchester City erneut den Frust über die verpasste Titelverteidigung von der Seele. Nach Newcastle in der Vorwoche musste nun auch Brighton mit 5:0 abserviert. Raheem Sterling war mit seinem Hattrick der Spieler des Spiels.
Das wahre Highlight der Woche ereignete sich allerdings nicht auf dem Platz. Der internationale Sportgerichtshof hob die Champions-League-Sperre der Cityzens auf. Planungssicherheit für Pep Guardiola und Co. und der Grundstein dafür, Liverpool in der neuen Saison wieder voll anzugreifen.
„Ein Rekord weniger“ – Award: FC Liverpool
Der Titel für den FC Liverpool steht bereits fest. In den verbleibenden Saisonspielen geht es nur noch darum, eine besondere Spielzeit durch Rekorde noch besonderer zu machen.
Eine Bestmarke wurde am Samstag verspielt. Gegen Burnley ließen sich die Reds eine 1:0-Führung nehmen, agierten ungewohnt ineffizient und scheiterten an Abschuss und dem bärenstark aufgelegten Gästekeeper Nick Pope. Durch das 1:1 kann Liverpool nun nicht mehr alle Heimspiele in einer Saison gewinnen. Das gelang zuletzt dem AFC Sunderland vor 128 Jahren.
Alle Rekorde, die der FC Liverpool geknackt hat und noch knacken kann, gibt es hier.
Chris McCarthy
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