„They are who we thought they were“, „Ranieri-Effekt“ & Sonntagskind Aubameyang…

27. November 2018 | Premier League Awards | BY Chris McCarthy

Die Länderspielpause ist vorbei und die Premier League zurück. Wir blicken wie immer anhand unserer 7 Awards auf den erneut sehr ereignisreichen Spieltag auf der Fußballinsel…

 

„They are who we thought they were“-Award: Chelsea

Wir beginnen mit dem Topspiel zwischen Chelsea und Tottenham. Zunächst schauen wir aber darauf zurück, was wir vor der Saison bei den Blues prognostizierten:

Im Südwesten Londons bahnt sich ein Jahr der Transition an. Das 4-3-3 und die ballsichere, kurzpassorientierte Spielweise Sarris wird bei Chelsea weder über Nacht funktionieren, noch stehen dazu die geeigneten Spieler zur Verfügung. Darüber hinaus offenbart die Defensive einige personelle Fragezeichen. Ein weiteres Jahr ohne Champions League könnte sich anbahnen…

Zugegeben, auf den ersten Blick nicht die treffsicherste Prognose. Die Transition zum „Sarri-Ball“ hat nämlich deutlich schneller und besser funktioniert als erwartet. Dafür gebühren Trainer und Team natürlich die größte Hochachtung. Unsere nächste Sorge, die Defensive, schien anfangs ebenfalls keine Probleme zu machen. Bis zum Samstag, als der FC Chelsea beim 1:3 gegen Tottenham regelrecht überrannt wurde.

Die Blues gingen naiv in die Partie, unterschätzten den Elan, mit dem die beindruckend gut aufgelegten Spurs starteten und ließen sich komplett überrumpeln. Die defensiven Probleme eines Jorginho, der als Taktgeber im zentral-defensiven Mittelfeld natürlich besseren Spieleinfluss hat, allerdings nicht mal Ansatzweise die Defensivarbeit verrichten kann, wie ein N’Golo Kanté, wurden komplett entblößt. David Luiz, bisher überraschend konstant, sah bei allen drei Gegentoren nicht gut aus und erinnerte stark an den fahrlässigen Verteidiger, der 2014 nach Paris verfrachtet wurde. Gepaart mit den Schnelligkeitsdefiziten der Außenverteidiger Cesar Azpilicueta und Marcos Alonso, hat die Hintermannschaft des FC Chelsea wie erwartet individuell einige Probleme, die nun bei der Niederlage gegen den Stadtrivalen plötzlich überdeutlich und geballt zum Vorschein kamen.

„They are who we thought they were“, zumindest in der Defensive. Bisher wurde das von einer beachtlich guten Organisation, gutem Coaching und vor allem den gewohnt extrem hohen Ballbesitzwerten einer Sarri-Elf geschickt kaschiert. Auch das ist ein Verdienst des Trainers. Um die Londoner allerdings wieder ganz an die Spitze zu bringen, bedarf es nicht nur an mehr taktischer Flexibilität, sondern an Korrekturen in der Defensive. Diese werden sicherlich noch folgen, spätestens im Sommer und wahrscheinlich sogar personell…

(Photo by Jan Kruger/Getty Images)

 

„Wachrüttler“– Award: Tottenham

Das 3:1 im Topspiel, es war nicht nur ein Wachrüttler für Chelsea, sondern für die gesamte Premier League. Eine Erinnerung, dass mit Tottenham zu rechnen ist.

Obwohl die Spurs den besten Saisonstart der Vereinsgeschichte hinlegten, waren die Leistungen bisher alles andere als überzeugend. Der kleine und erschöpfte Kader von Mauricio Pochettino ging in den letzten Wochen deutlich auf dem Zahnfleisch, holte die Punkte primär durch Pragmatismus, Effizienz und einen Hauch Spielglück.

Gegen Chelsea lieferte Tottenham nun wie aus dem Nichts die beste Leistung der Saison. Die Spurs überrumpelten den Stadtnachbarn mit ihrer berühmten, fast schon totgeglaubten Intensität. Darüber hinaus entwickelte Pochettino einen taktischen Masterplan. Das Herzstück der Blues, Jorginho, wurde attackiert und aus dem Spiel genommen. Die gesamte Defensive des Gegners wurde entblößt.

Es war eine eindrucksvolle Erinnerung daran, zu was die Spurs in der Lage sind. Untermauert wird das durch Platz drei in der Tabelle. Die Frage ist nur, können sie das über eine gesamte Saison aufrecht erhalten und wichtiger noch, können sie weiterhin konsequent die Punkte einfahren, wenn die Leistungen eben nicht stimmen?

(Photo by Catherine Ivill/Getty Images)

„Da waren’s nur noch zwei“ – Award: Liverpool und Manchester City

Durch die Niederlage der Blues riss auch eine beachtliche Serie an der Spitze der Tabelle. Erstmals in der Geschichte der Premier League waren nach zwölf Spieltagen noch drei Teams ungeschlagen. Nach 13 Spieltagen waren’s nur noch zwei: FC Liverpool und Manchester City.

Die zwei Ungeschlagenen machten ihre Hausaufgaben. Die Reds mit Hilfe der neuen, pragmatischen Spielphilosophie beim 3:0 über Watford und die Cityzens durch eine Offensivgala (mit Handbremse) gegen West Ham (4:0).

Manchester City führt nun mit 35 Punkten die Tabelle an, danach folgt mit 33 Zählern der FC Liverpool. Der Abstand zu Platz drei beträgt zwar nur drei Zähler, aber dieses Duo gilt es in England 2018/2019 wohl zu schlagen. Betrachtet man sich die bisherigen Auftritte der Teams, ist es allerdings wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich das eigentliche „Team to Beat“, die Elf von Pep Guardiola, alleine absetzen wird…

 

„Sonntagskind“ – Award: Pierre-Emerick Aubameyang

Endlich wieder für den verletzten Alexandre Lacazette im bevorzugtem Sturmzentrum, konnte Pierre-Emerick Aubameyang seine außergewöhnliche Serie am Sonntag gegen Bournemouth fortsetzen.

Beim schweren Auswärtsspiel gegen die Cherries, die den taktisch sehr reif auftretenden Gunners alles abverlangten, sorgte der Gabuner in 67. Minute für die Entscheidung, als er einen schön herausgespielten Angriff zum 2:1 Endstand vollendete.

Es war sein 18. Premier-League-Tor, viel auffälliger aber, der 14. Treffer an einem Sonntag! Ein wahres Sonntagskind.

(Photo by Naomi Baker/Getty Images)

 

„Der Schein trügt“ – Award: Crystal Palace

Everton auswärts, Arsenal zuhause, Chelsea auswärts, Tottenham zuhause und jetzt auswärts bei Manchester United. Wahre Horror-Wochen für Crystal Palace, in denen die Londoner sich rückblickend beachtlich gut schlugen!

Verloren die Eagles noch verdient bei den Toffees, stoppten sie zuhause die Siegesserie der Gunners (2:2). Gegen die zuvor ungeschlagenen Blues und die Spurs verlor man nur knapp und vielleicht sogar etwas unglücklich. Zum Abschluss des harten Programms folgte nun ein mehr als verdienter Zähler bei den Red Devils.

Crystal Palace agierte gegen United erneut taktisch klug, setzte gefährliche Konter und verteidigte konsequent. Es sind zwar nur zwei Punkte aus den letzten fünf Spielen, doch der Schein trügt. Betrachtet man sich die Gegner, die Form vor dem Horror-Programm und die guten Leistungen, wird man eher gestärkt aus dieser Phase herauskommen.

Die Punkte gegen den Abstieg müssen ohnehin erst jetzt, gegen Kaliber wie Burnley, Brighton und Co., geholt werden.

(Photo by Harry Trump/Getty Images)

 

„Ranieri-Effekt“ – Award: Claudio Ranieri

2015/2016 wurde der vermeintliche Abstiegskandidat Leicester City total unerwartet englischer Meister. Die Hauptgründe dafür waren die außergewöhnlich gut organisierte und konsequente Defensive, die mannschaftliche Geschlossenheit und Stabilität, aber auch ein schnelles, zielorientiertes Angriffsspiel.

Alles Tugenden, die Aufsteiger Fulham in dieser Saison bisher schmerzlich vermissen ließ. So sehr, dass sich die Cottagers vor der Länderspielpause von ihrem Aufstiegstrainer Stanislav Jokanovic trennen mussten. Sein Nachfolger? Claudio Ranieri, eben der Mann, der Leicester 2015/2016 genau diese Tugenden einimpfte und somit zum sensationellen Titel führte.

Diese sollen bei Fulham nun dafür sorgen, dass man möglichst schnell die Abstiegsränge verlassen kann. Ranieri verbrachte zwar erst zwei Tage mit dem kompletten Kader, doch schon in seinem ersten Spiel als Trainer der Londoner waren mindestens Spuren dieser wichtigen Eigenschaften bereits zu erkennen.

Gegen Abstiegskonkurrent Southampton trat Fulham endlich organisierter, stabiler und selbstbewusster auf. Das Spiel, dass Jokanovic Woche für Woche panisch versuchte, zu verändern, wirkte auf einen Schlag simpler und deutlich pragmatischer. Das Team rann nicht mehr kopflos nach vorne, sondern startete weniger, dafür aber gezieltere Angriffe über Doppeltorschütze Aleksandar Mitrović. Das erwies sich nicht nur als effizient, sondern schonte zeitgleich die verunsicherte Hintermannschaft.

Fulham beendete mit dem 3:2 eine Serie von sechs Niederlagen am Stück und fuhr verdient den zweiten Saisonsieg ein. Der Ranieri-Effekt ist bereits zu spüren…

(Photo JEAN-SEBASTIEN EVRARD/AFP/Getty Images)

 

„Personifizierte Hoffnung“ – Award: Aaron Mooy

Ähnlich wie seine Mannschaftskollegen bei Huddersfield, kam auch Schlüsselspieler Aaron Mooy nur schwer in die Saison. Dass es der Australier deutlich besser kann, demonstrierte er eindrucksvoll als Dreh- und Angelpunkt der Terrier im Vorjahr.

Kein Zufall also, dass es bei Huddersfield prompt besser läuft, wenn der Mittelfeldspieler allmählich in Form kommt. So wie gegen Wolverhampton, als Mooy gemeinsam mit den nicht weniger imposanten Philip Billing und Jonathan Hogg das filigrane Mittelfeld der Wolves mit Physis und Dynamik dominierte. Angeführt von Doppelpacktorschütze Mooy holte die Mannschaft von David Wagner zwei Wochen nach dem ersten Saisonsieg nun den zweiten.

Er ist der mitreißende und intelligente Taktgeber. Er ist der verlängerte Arm von David Wagner und er ist zweifelsohne die personifizierte Hoffnung der Terrier.

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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