Was bei Liverpool anders läuft, German Blues und ein missglücktes Comeback für Bale

20. Oktober 2020 | Premier League | BY Chris McCarthy

7 Awards – Premier League | Das (neue) Pech des FC Liverpool hält an. Chelseas deutsches Duo genügt nicht und ein missglücktes Comeback für Gareth Bale. Das und mehr in unseren Awards:

„Aaaaand it’s gone“-Award: Liverpools Spielglück

In der vergangenen Saison wurde viel über das „Spielglück“ des FC Liverpool geredet. Bälle wurden „richtig“ abgefälscht, Chancen regelrecht übereffizient genutzt. Tore wurden in den entscheidenden Momenten erzielt, während der Gegner in jenen versagte. Signifikante Verletzungen gab es kaum. Das soll die Leistungen der Reds 2019/2020 in keiner Weise schmälern. Die Mannschaft von Jürgen Klopp wurde hochverdient Meister. Und dennoch: Irgendwie lief alles perfekt, zu perfekt.

2020/2021 scheint sich das Blatt zu wenden. Nachdem Liverpool bereits beim 2:7-Debakel gegen Aston Villa nicht nur ungewohnt viele Fehler machte, sondern schlichtweg enorm viel Pech hatte, ging es ausgerechnet im Merseyside-Derby gegen Everton damit weiter.

  • Beim Stand von 1:0 sprang Toffees-Keeper Jordan Pickford dem aufgerückten Virgil Van Dijk ungestüm ins Knie. Kein Elfmeter, kein Rot. Der VAR hatte erkannt, dass der Niederländer wenige Millimeter im Abseits stand. Der „Anschlag“ auf Van Dijk wurde ignoriert, sein Verletzung dagegen „zählt“: Kreuzbandriss
  • Die Verletzung hat nicht nur weitreichende Folgen, sie raubte Liverpool das Momentum in diesem Spiel. Sichtlich von der Auswechslung des Leitwolfs geschockt, verloren die Reds in dem Moment den Faden, als sie dabei waren, den Gegner zu überrollen. Everton fand zurück ins Spiel und glich zwei Mal aus: 2:2.
  • Nach einer turbulenten Schlussphase, in der Richarlison nach wüstem Foul an Thiago von Platz flog, hat Liverpool wieder einen dieser Momente zum Sieg. Nachspielzeit: Thiago findet mit einem genialen Pass Mané, der legt quer auf Henderson, 3:2…dachten zumindest alle im Stadion. Doch wieder schaltete sich der VAR ein: Der Vorlagengeber stand hauchzart und mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen im Abseits. Es blieb beim 2:2.

Millimeter-Entscheidungen zu Gunsten des Gegners, eine Portion Pech und eine massive Verletzung, die die ganze Saison neu schreiben könnte: Aktuell läuft alles gegen die Reds. Egal ob man es in der Vorsaison „Spielglück“ nennen wollte oder nicht. Was immer es war, es scheint weg zu sein.

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„German Blues (reichen nicht)“-Award: FC Chelsea

133 Millionen Euro ließ sich der FC Chelsea das Duo Timo Werner und Kai Havertz im Sommer kosten. Am Samstag gegen den FC Southampton zeigten die beiden Deutschen, wieso. Werner erzielte seine Premier-League-Tore drei und vier, eines nach einer hervorragenden Einzelaktion. Darüber hinaus bereitete er Havertz‘ ersten Treffer in der ersten englischen Liga und damit das dritte Tor der Blues an diesem Tag vor. Sechs Deutsche haben nun in der PL-Geschichte des FC Chelsea getroffen: Havertz, Werner, Michael Ballack, Marko Marin, André Schürrle und Antonio Rüdiger. Laut Opta hat kein Team in diesem Wettbewerb mehr deutsche Torschützen vorzuweisen.

Doch wie schon in der vergangenen Woche bei der deutschen Nationalmannschaft (nach Führungen nur 3:3 gegen die Türkei und 1:1 gegen die Schweiz) genügte das, was Werner und Havertz vorne anstellten, nicht für den Sieg. Durch individuelle Fehler in der Hintermannschaft ließ auch Chelsea am Samstag insgesamt drei Gegentore zu. Aus 2:0 wurde 2:2, aus 3:2 wurde in der Nachspielzeit sogar 3:3.

Chelsea hat nach den ersten Eindrücken der jungen Saison auf dem Transfermarkt einiges richtig gemacht, speziell beim dynamischen Duo aus Deutschland. Um wieder ein Meisterschaftsanwärter zu werden, muss allerdings schleunigst etwas in der Defensive passieren.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

„Missglücktes Comeback“ – Award: Gareth Bale

Es schien ein gemütliches Comeback für Gareth Bale zu werden. Als sicher der Waliser nach 72 Minuten erstmals seit Mai 2013 wieder das Trikot der Spurs überzog, führte seine Mannschaft nach Toren von Harry Kane und Heung-Min Son (wer sonst?) zu Hause mit 3:0 gegen West Ham United. Dass Bale noch mal entscheidend eingreifen müssen würde, erwartete zu diesem Zeitpunkt keiner.

Doch 13 Minuten, ein Kopfballtor von Hammers-Verteidiger Balbuena sowie ein Eigentor von Davinson Sanchez später, war der 31-Jährige plötzlich doch gefordert. In der ersten Minute der Nachspielzeit hätte Bale für Erleichterung und eine Traumrückkehr sorgen können. Nach einem traumhaften Solo verpasste er elf Meter vor dem Tor nur knapp. Es würde sich rächen. Quasi mit dem Schlusspfiff hämmerte Manuel Lazini den Ball aus knapp 25 Metern zum 3:3 in den Winkel.

Gareth Bale war natürlich der Letzte, der den Kollaps zu verantworten hatte. Seine Rückkehr in den Norden Londons wird er sich aber definitiv anders vorgestellt haben.

„Sie kommen näher“-Award: FC Arsenal

Schon wieder nicht auswärts eine Top-Sechs-Mannschaft bezwungen. Schon wieder nicht in der Premier League gegen Manchester City gewonnen. Beide schockierenden Serien bestehen seit 2015. Und dennoch war bei dieser Niederlage des FC Arsenal etwas anders als in den letzten Jahren zuvor.

Nach einer schwachen Anfangsphase, in der die Cityzens verdient durch Raheem Sterling in Führung gingen, kamen die Gunners zurück ins Spiel. Ein starker Ederson und fehlende Genauigkeit im letzten Drittel ließen den Ausgleich aber nicht zu. „Um in die Positionen zu kommen, musst du die gesamten 96 Minuten so viele gute Dinge tun. Und wir taten viele, aber am Ende werden die Spiele in den Strafräumen entschieden“, sagte Arteta nach dem Spiel und betonte: „Gegen große Teams musst du sie [Chancen] nutzen, wenn du sie hast.“

ManCity gewann verdient. Wurde Arsenal in den letzten Jahren auswärts gegen die Top-Six noch regelrecht abgeschossen, machten dieses Mal aber lediglich Nuancen den Unterschied. Gegen eine Mannschaft dieses Kalibers ist das nach den letzten miserablen Jahren durchaus ein Fortschritt.

Unter Mikel Arteta reifen die Gunners zu einer gut organisierten und mental stabilen Mannschaft heran, was fehlt, ist noch der letzte Impuls im Angriff. Zu Hause, gegen Manchester United und Liverpool im Vorjahr, oder im FA Cup, gegen Chelsea und Manchester City, klappte es bereits mit Siegen gegen den Kreis der Premier League, zu dem man schon bald wieder gehören möchte. Entwickelt sich das Team so weiter, dürften auch die beiden Horrorserien bald ein Ende haben.

(Photo by Michael Regan/Getty Images)

„Reaktion“-Award: Manchester United

Nach der 1:6-Pleite gegen die Tottenham Hotspur am letzten Spieltag musste Manchester United am Samstag nach Newcastle. Ole Gunnar Solskjaer sah sich dabei gezwungen, einige Änderungen an der Startformation vorzunehmen.

Dazu gehörte, Paul Pogba auf die Bank zu setzen und Routinier Juan Mata von Anfang an zu bringen. Harry Maguire, der seine Formkrise mit einer Roten Karte bei der englischen Nationalmannschaft fortsetzte, blieb dagegen drin. Die Entscheidungen zahlten sich aus. ManUtd wirkte organisierter, stabiler und anders als gegen Tottenham: lebendig. Der Rückstand durch ein Eigentor von Luke Shaw (2.) wurde verdaut, ausgerechnet Maguire glich aus (23.). In der Schlussphase machten die Red Devils mit einem Dreierschlag alles klar und gewannen mit 4:1.

Es war keine Glanzleistung. Die United-Offensive verließ sich erneut auf Konter und Standards, dazu fielen drei der vier Tore ab Minute 86. Nichtsdestotrotz war der Erfolg nach der Implosion gegen die Spurs zumindest eine gute Reaktion und etwas, worauf Solskjaer vor dem Champions-League-Duell mit PSG aufbauen kann.

(Photo by Stu Forster/Getty Images)

„Von Bruchbude zu (Aston) Villa“-Award: Aston Villa

In der letzten Saison konnte sich Aston Villa erst am letzten Spieltag und mit kräftiger Unterstützung der schwachen Konkurrenz vor dem direkten Wiederabstieg aus der Premier League bewahren. Die Villains holten lediglich 35 Punkte, die wenigsten aller Nichtabsteiger.

2020/2021 hat die Mannschaft von Dean Smith nach vier Spieltagen bereits ein Drittel der Vorjahres-Punkteausbeute auf dem Konto und belegt damit Platz zwei. Und das bei einem Spiel weniger als die Konkurrenz. Auf den unfassbaren 7:2-Erfolg gegen den FC Liverpool folgte am Sonntag ein Last-Minute-Sieg gegen Leicester City. Es war der vierte Dreier im vierten Spiel, was dem Verein zuletzt 1930 gelang.

2019/2020 noch eine reinste Bruchbude, wird Aston Villa seinem Namen 2020/2021 wortwörtlich gerecht. Dean Smith hat beim großen Umbruch im Aufstiegssommer das neue Fundament gelegt, darauf geduldig aufgebaut und das Haus punktuell aufgehübscht. Die einst so anfällige Defensive vor dem souveränen Torwart-Neuzugang Emiliano Martinez ist bislang mit nur zwei Gegentoren die beste der Premier League. Der Angriff um 40-Millionen-Euro-Mann Ollie Watkins wirkt revitalisiert.

„Pechvogel des Tages“-Award: Aleksandar Mitrovic

Schlechten Tag gehabt? Die Chancen stehen gut, dass Aleksandar Mitrovic vom FC Fulham einen schlechteren hatte. Am Samstag gegen Sheffield United verschoss der Angreifer erst einen Elfmeter. Zunächst schien das folgenlos zu bleiben, Ademola Lookman erzielte nach 77 Minuten die Führung. Dann aber war Mitrovic erneut zur Stelle. In der 85. Minute verursachte er einen Strafstoß, denn Billy Sharp zum 1:1-Endstand verwandelte.

In einem Spiel einen Elfmeter verschießen und verursachen gab es schon mal. 2012 gelang Mikel Arteta dieses Kunststück als Spieler des FC Arsenal. Der Gegner? Fulham.

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Photo: Imago

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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