Champions League | Totgeglaubte leben länger: Gelingt Ajax gegen Juventus der nächste Coup?

10. April 2019 | Vorschau | BY Nico Scheck

Vorschau | Ajax Amsterdam gegen Juventus Turin, es ist das Duell der Totgeglaubten, es ist das Duell ums Champions-League-Halbfinale. Die Generation von morgen auf der einen, die pure Erfahrung mit sämtlichen Trophäen im Schrank auf der anderen Seite: Die Unterschiede könnten größer kaum sein und doch haben beide Teams auch die eine oder andere Gemeinsamkeit.

Ajax gegen Juve: Die Madrid-Killer

Obwohl Ajax und Juve in den letzten 15 Jahren sportlich fast schon Welten trennten, sind sie sich in diesen Tagen ähnlicher als es der erste Blick zunächst vermuten lässt. Beide Teams schalteten Madrider Klubs im Achtelfinale aus, beide Teams waren eigentlich schon nach dem Hinspiel ausgeschieden.

Ajax gewann nach einem 1:2 im Hinspiel im Santiago Bernabéu bei Real Madrid sensationell mit 4:1 und ließ somit die Träume der Madrilenen vom vierten Königsklassen-Titel in Folge bereits im Achtelfinale platzen. Für die Niederländer ist es die erste CL-Viertelfinal-Teilnahme seit der Saison 2002/03.

Und auch wenn die Turiner in zwei der letzten vier Champions-League-Finals standen, war ihr Einzug in die Runde der letzten acht nicht minder überraschend. Denn auch die „Alte Dame“ war nach einem 0:2 bei Atlético Madrid quasi schon raus, im Rückspiel tat Cristiano Ronaldo aber dann das, was ein Cristiano Ronaldo eben so tut in den wirklich entscheidenden Spielen und so hieß es am Ende 3:0 aus Sicht von Juve.

(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Es ist das Duell der Totgeglaubten aus dem Achtelfinale, es ist aber auch ein Duell der unterschiedlichen Generationen. Ajax steht für die Top-Stars von morgen, die Mannschaft von Juventus hingegen ist gespickt mit Welt- und Europameistern. Auf dem Papier ist das Team von Massimiliano Allegri der klare Favorit, in der Praxis sieht das Ganze jedoch etwas anders aus.

Ajax Amsterdam: Gespickt mit den Stars von morgen

Die Reaktionen auf die Auslosung von Ajax fiel bei Juve eher verhalten aus. Von einfachem Gegner oder gar Wunschlos war nichts zu hören. Und das hat seine Gründe. Wer die beiden Achtelfinal-Partien gegen Real Madrid verfolgt hat, weiß warum. Auch schon bei der 1:2-Niederlage hatten die Niederländer die Königlichen in große Bedrängnis gebracht, die Ernte wurde dann aber erst im Rückspiel eingefahren.

Das Team von Trainer Erik ten Hag ist gespickt mit Talenten. Man könnte auch sagen: Gespickt mit den Stars von morgen. Dabei ist der Weg einiger dieser Talente zum Star nicht mehr allzu weit. Frenkie de Jong etwa, der Taktgeber im Ajax-Mittelfeld, wird ab der kommenden Saison für den FC Barcelona maßgenaue Pässe spielen. Und ob Matthijs de Ligt, David Neres oder Donny van de Beek: de Jong ist bei weitem nicht das einzige Juwel.

(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Nun ist es nichts Neues, dass Ajax das eine oder andere Talent in seinen Reihen hat. Der Unterschied zu den vergangenen Jahren jedoch ist die Mischung aus Erfahrung und junger Unbekümmertheit, was auch Francois Duchateau (u.a. „Funke Sport“) betont:

Dass Talente wie de Jong, de Ligt und Co. noch einmal Schritte nach vorn machen und zu Leistungsträgern auf Weltklasse-Niveau reifen konnten in diesem Jahr, liegt auch daran, dass der Verein seinen Kader mit gestandenen Spielern wie Tadic und Daley Blind verstärkt hat.

Francois Duchateau

Das sei nicht immer so gewesen, verrät der Sportjournalist:

Lange zuvor hatte Ajax sich gehalts- und ablösetechnisch von innen heraus limitiert, aber Marc Overmars hat die Summen der letzten Jahre gut reinvisitert. Spieler konnten wegen der Perspektive Champions League länger gehalten werden als in den zehn Jahren davor. Insgesamt konnten sich die Talente in diesem Konstrukt deutlich besser entwickeln und auch eine Mannschaft zusammenwachsen.

Francois Duchateau

Eine neue Herangehensweise, die sich nun auszuzahlen scheint.

Ten Haag ist der Favoritenschreck

So wichtig die Spieler in den Reihen von Ajax sind, so entscheidend ist auch ihr Trainer. Ten Hag steht seit Ende 2017 an der Seitenlinie der Hauptstädter, seine Idee vom Fußball passt ideal zu Ajax. Gewohnt dominant tritt seine Mannschaft meist auf, Mauer- oder Konterfußball gibt es unter ihm nicht. Stattdessen lässt er seine Spieler aus einer offensiven Grundordnung heraus oft früh pressen. Ein System, dass insbesondere dem FC Bayern und Real Madrid gehörig Probleme bereitet hat in dieser Saison.

Unumstritten ist ten Hag allerdings trotzdem nicht, wie Duchateau hervorhebt:

Ten Hag ist nicht immer unumstritten bei den Fans, bei denen ein Ex-Profi wie de Boer natürlich einen besseren Stand hatte, aber seine Fachkompetenz ist unbestritten.

Francois Duchateau
(Photo by Denis Doyle/Getty Images)

Das liege unter anderem auch daran, dass Ajax in der Eredivisie schon den einen oder anderen Punkt verschenkt hat und mit der PSV Eindhoven eben ein zweites Team in den Niederlanden eine starke Saison hinlegt. Immerhin: Zuletzt gewann Ajax im Spitzenspiel in der heimischen Johan Cruijff Arena gegen die PSV das Spitzenspiel (3:1) und steht nun an der Tabellenspitze.

Doch nicht nur ten Hag, auch sein Assistent Alfred Schreuder leistet hervorragende Arbeit in Amsterdam. Sein Weggang (wechselt im Sommer zur TSG 1899 Hoffenheim) wird Ajax wehtun, ist sich Duchateau sicher.

Kann die Talentschmiede mit ihrem guten Trainergespann der „Alten Dame“ also gefährlich werden? Francois Duchateau betont, dass dafür vieles passen muss:

Juventus bleibt dennoch kein einfaches Los für die Niederländer, die nur eine Chance haben, wenn Ronaldo nicht mitspielen oder seine Leistung nicht abrufen kann. Gegen individuelle Aktionen ist kein Kraut gewachsen. Auch spielt Juventus einfach abgezockt, erfahren. Chancenlos ist die junge Truppe aus Amsterdam aber nicht. Doch dafür muss einfach wirklich alles stimmen – von der Fitness bis zum Faktor Glück und jeder Spieler muss noch einmal so über sich hinauswachsen, wie es gegen Real der Fall war.

Francois Duchateau

Juventus Turin und die Sehnsucht nach dem Henkelpott

Zwei Finals in den letzten vier Jahren: Ja, die Sehnsucht nach dem Henkelpott ist groß bei den „Bianconeri“. Insbesondere das starke Comeback bei Mitfavorit Atlético hat die Hoffnungen und den Glauben an den großen Coup im Lager der „Alten Dame“ weiter genährt. Anders als Ajax ist Juve in der Meisterschaft bei noch sieben ausstehenden Spielen und 20 Punkten Vorsprung auf den Tabellenzweiten aus Neapel schon durch. Doch dieses Jahr soll eben endlich auch der internationale Titel her.

(Photo by MIGUEL MEDINA/AFP/Getty Images)

Die Spieler dazu haben sie: Cristiano Ronaldo, Paulo Dybala, Giorgio Chiellini, João Cancelo, Miralem Pjanic, ja, Juve braucht sich vor den Barças, Citys und Liverpools dieser Fußballwelt nicht verstecken, im Gegenteil. Doch auch Allegri ist klar, dass eine derartige Leistung wie beim 0:2 im Hinspiel gegen Atlético beim nächsten Mal tatsächlich das Aus bedeuten dürfte.

Mit Ajax wartet nun ein Gegner, der auf dem Papier leichter zu bespielen zu sein scheint als die „Rojiblancos“, doch genau da könnte der Irrtum liegen. Denn spielt das Team von ten Hag so wie im Rückspiel im Bernabéu, können die Niederländer jedem Gegner gefährlich werden.

Ronaldo, Ronaldo, immer wieder Ronaldo

Über Cristiano Ronaldo ist eigentlich alles erzählt, geschrieben, verfilmt und noch einmal erzählt worden. Und doch: Wer seine Teams Jahr für Jahr in den K.o.-Spielen in die nächste Runde schießt, ob diese nun Manchester United, Real Madrid oder nun Juventus Turin heißen, sorgt eben immer wieder für neue Geschichten. 0:2 gegen Atlético, Medienschelte gegen CR7 und dieser prophezeite, was wenige Tage später geschah: Ronaldo schoss Madrid im Alleingang aus der Champions League und zeigte einmal mehr, dass er auch mit 34 Jahren noch immer der Mann für die großen Momente ist.

(Photo MARCO BERTORELLO/AFP/Getty Images)

Ronaldos Analyse nach der Partie fiel dann aber doch recht nüchtern aus, frei nach dem Motto: Ich habe einfach nur meinen Job gemacht:

Es musste ein ganz besonderer Abend werden – und der ist es auch geworden. Deshalb hat mich Juve unter Vertrag genommen und ich habe versucht, mein Bestes zu geben.

Die aktuellste Geschichte über den portugiesischen Superstar ist aber weitaus weniger erfreulich. Beim Länderspiel gegen Serbien (1:1) hatte sich Ronaldo eine Verletzung am rechten Oberschenkel zugezogen, seither fällt er aus. Zwar steht der Torjäger im Kader, es bleibt jedoch abzuwarten, wie fit CR7 tatsächlich schon ist. Laut seinem Mitspieler Cancelo macht der 34-Jährige aber im Training wieder einen guten Eindruck, die Zeichen stehen ganz gut, dass er damit auch in der Startelf stehen dürfte. Denn bei Juve ist allen klar: Es geht eigentlich nur mit Ronaldo. Dafür haben sie ihn schließlich nach Turin geholt.

Prognose

Auch wenn Juventus Turin natürlich der Favorit in diesem Viertelfinale ist, so hat Ajax spätestens gegen Real Madrid gezeigt, das auch mit den Niederländern zu rechnen ist. Ein schwaches Hinspiel wie gegen Atlético Madrid wird sich die „Alte Dame“ jedenfalls nicht erlauben können.

Die Personallage und die möglichen Aufstellungen

Ten Hag kann nahezu aus den Vollen schöpfen. Lediglich Noussair Mazraoui fehlt aufgrund einer Gelbsperre. Hinzu kommen die Verletzungen von Carel Eiting und Hassane Bandé. Allerdings drohen mit Nicolás Tagliafico (4), Donny van de Beek, Hakim Ziyech, Matthijs de Ligt und Daley Blind (je 3) gleich fünf Spieler im Falle einer weiteren Verwarnung für das Rückspiel gesperrt auszufallen.

Auf Seiten der Turiner ist das Lazarett schon etwas besorgniserregender. Emre Can wird aufgrund einer Knöchelverletzung fehlen, ebenso Kapitän Giorgio Chiellini, der an Wadenproblemen laboriert und ebenfalls erst gar nicht in den Flieger in Richtung Amsterdam stieg. Zudem fallen auch Martín Cáceres (Muskelverletzung) und Juan Cuadrado (Meniskusverletzung) nach wie vor aus. Grünes Licht gab die medizinische Abteilung hingegen bei Ronaldo. Eine Gelbsperre drohen Blaise Matuidi und Federico Bernardeschi (je 2).

Ajax Amsterdam: Onana – Veltman, de Ligt, Blind, Tagliafico – Schöne, de Jong, van de Beek – Ziyech, Tadic, Neres

Juventus Turin: Szczesny – Cancelo, Bonucci, Rugani, Alex Sandro – Matuidi, Pjanic, Bentancur – Dybala, Mandzukic, Ronaldo

Nico Scheck

(Photo by Tullio M. Puglia/Getty Images)

Nico Scheck

Aufgewachsen mit Elber, verzaubert von Ronaldinho. Talent reichte nur für die Kreisliga, also ging es in den Journalismus. Seit 2017: 90PLUS. Manchmal: SEO. Immer: Fußball. Joga Bonito statt Catenaccio.


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