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Fernandinho, Douglas Costa & Co. | Shakthar Brazil

10. April 2020 | Spotlight | BY Hendrik Wiese

Shakhtar Donezk und der südamerikanische Markt – das passt zusammen. Aktuell stehen vierzehn Spieler aus Südamerika im Kader des Europa League-Achtelfinalisten. Doch welche Beweggründe hat die Auswanderung in die Ukraine?

Die „Brasilianisierung“ in Donezk

Für eine Mannschaft aus einer verhältnismäßig kleinen Liga spielt Shakthar Donezk in den internationalen Wettbewerben oftmals eine gute Rolle. Neben den Identifikationsfiguren aus der Ukraine besteht der Kader der Mannschaft häufig auch aus vielen, talentierten Spielern aus Brasilien.

Immer wieder kommt es vor, dass junge Spieler aus Südamerika den Schritt nach Donezk wagen. Hier spielen sie aktuell im 40.000 Zuschauer fassenden Metalist-Stadion vor, da die im Jahre 2009 gebaute Donbass Arena durch zwei Explosionen beschädigt wurde.

In der heimischen „Premyer-Liga“ konnte Shakhtar seit 2016 durchgehend den Titel gewinnen, Rekordmeister ist und bleibt mit 15 Meisterschaften allerdings Dynamo Kiew. Donezk durfte den Pokal in der 29-jährigen Ligageschichte zwölf Mal in die Höhe strecken und ist zusammen mit Kiew die Mannschaft, die noch nie in die zweitklassige „Persha“ Liga abgestiegen ist. Seit Jahren bilden Brasilianer immer wieder wesentliche Bestandteile der Mannschaft. Doch warum und seit wann?

Damián und Brandão als Start

Ein Blick auf die Vergangenheit verrät, dass man in Donezk schon seit einer geraumen Zeit auf ausländische Spieler setzt. In den 1990er Jahren verstärkten zunächst Spieler aus Russland, Lettland oder Kasachstan den Kader. Zwar konnte man oben lange mitspielen, an Kiew kam man aber nicht ran. Das Problem: Junge aufstrebende Ukrainer entschieden sich meist für einen Wechsel zum Serienmeister nach Kiew, eine Veränderung musste her.

Der Kader wurde in der Folge immer bunter. Im Jahre 2001/2002 waren elf verschiedene Nationen im Kader vertreten und prompt konnte, mit einem Punkt Vorsprung, der erste Titel seit der Ligagründung gewonnen werden.
In der darauf folgenden Transferperiode läutete man eine Ära ein, mit Brandão und Damián wurden die ersten Brasilianer verpflichtet.

Während es für den Verteidiger Damián ein recht kurzes Vergnügen war, blieb Brandão bis zum Jahre 2009 in der Ukraine. Zwar fiel er oft als aufbrausender Charakter auf, was seine insgesamt 44 gelben und drei roten Karten belegen, allerdings hatte er in 152 Spielen auch 60 Tore und 18 Vorlagen auf seiner Karte stehen. Ein erfolgreiches Abenteuer, auf das aufgebaut wurde. Der Verein erkannte, dass junge Talente aus Südamerika ein gewisses Potenzial mitbringen.

Brandao
(Photo: SERGEI SUPINSKY/AFP via Getty Images)

Donezk als Sprungbrett nach Europa

In den folgenden Jahren erkannte der, nach einem einjährigen Abenteuer von Bernd Schuster, als Cheftrainer eingestellte und für seinen guten Ruf bekannte Mircea Lucescu dieses Potenzial und sorgte dafür, dass mit Matuzalém, Jádson, Elano und Ivan vier weitere Spieler den Weg nach Donezk fanden. Bis heute werden vielversprechende Spieler aus Südamerika verpflichtet und können sich in der Ukraine sehr gut akklimatisieren.

Doch wo genau liegen die Vorteile für den Verein und die Spieler?
Zunächst einmal besitzt Donezk Zugriff auf einen Talentepool von vielen, jungen und spielstarken Spielern. Die größten Talente aus der Ukraine haben sich, wie bereits beschrieben, eher dem Konkurrenten aus Kiew angeschlossen, weshalb neue Beziehungen und Wege nötig waren. Brasilianer gelten als besonders offensivstark, während Trainer Lucescu die Ukrainer mal als „steif“ und deshalb in der Offensive als „nicht brauchbar“ bezeichnete.

Donezk hat so vor allem im Spiel nach vorne klare Geschwindigkeitsvorteile und sind dadurch in der Lage auf höherem Niveau Fußball spielen zu können.
Auffällig ist das seit Jahren ausgeführte Mittelfeld-Pressing, welches jeden Gegner vor Probleme stellt. Spielverlagerung.de hat einen ausführlichen Artikel der Spielphilosophie Donezks veröffentlicht. Ihr findet ihn hier.

Doch auch für die jungen Brasilianer bedeutet der Schritt nach Donezk eine Stufe nach oben auf der Karriereleiter. Auch in der brasilianischen Liga schneller, technisch guter Fußball gespielt wird, ist man taktisch nicht so weit wie in den europäischen Ligen. Der Wechsel nach Europa bedeutet also Weiterbildung in Sachen Defensive und Disziplin, aber der wichtigste und ausschlaggebende Punkt ist, dass man an dem wohl prestigeträchtigsten Wettbewerb der Welt teilnehmen darf, an der UEFA Champions League.

Man erweckt Aufsehen in ganz Europa, man besitzt die Chance, gegen die besten Teams der Welt zu spielen und sich somit für höhere Aufgaben zu empfehlen. Donezk ist ein Sprungbrett für die europäische Elite.
Aber nicht nur der Vereinsfußball liegt den Brasilianern am Herzen, der Wunsch eines jedem Jungen aus Brasilien ist einmal für die „Selecao“ auflaufen zu dürfen. Der Verein Shaktar Donezk hat sich einen Ruf in Brasilien erarbeitet. Fernandinho, Willian und Douglas Costa wurden das erste Mal aufgrund ihrer guten Leistungen in der Ukraine nominiert.

Europa League-Gewinn 2009 als größter Erfolg

Donezk ist in jedem Jahr entweder in der Europa- oder in der Champions League vertreten. Nachdem es in diesem Jahr in der Gruppe mit Atalanta Bergamo und Manchester City nicht für ein Weiterkommen gereicht hat, findet man sich nun im Europa League-Achtelfinale gegen den VFL Wolfsburg wieder. In jenem Wettbewerb, in dem der größte Erfolg der Vereinsgeschichte im Jahre 2009 gefeiert wurde. Im Endspiel hieß der Gegner – nachdem man den großen Konkurrenten aus Kiew ausschalten konnte – SV Werder Bremen mit Thomas Schaaf als Trainer.

Ausschlaggebend für den Triumph waren, wie soll es auch anders ein, zwei Brasilianer. Luiz Adriano brachte Donezk in der 25. Minute in Führung, ehe Naldo (ironischerweise auch Brasilianer) den Ausgleich herstellen konnte.
In der Verlängerung war es schließlich Jadson der seine Farben zum Sieg geführt hat.

Shakthar
(Photo credit should read Alexander KHUDOTEPLY/AFP via Getty Images)

Was kommt nach Donezk?

Spannend zu betrachten ist auch die weitere Entwicklung der Brasilianer. Wer nutze Donezk wirklich als Übergangsstation und wer hat sich fest verwurzelt?
Der oben genannte Brandão gehört auf jeden Fall mit seiner Torquote zu den größten und wichtigsten Spielern der Vereinsgeschichte. 2009 nahm er ein Angebot aus Marseille an, wo er sich auf Dauer aber nicht durchsetzen konnte.

Fernandinho schloss sich im Jahre 2005 den Ukrainern an und etablierte sich als absoluter Schlüsselspieler. Trainer Lucescu bezeichnete ihn als „Brücke“ zwischen den Ukrainern und den Brasilianern. Er erlernte schnell den angestrebten Fußball und gehört zweifelsohne zu den Leistungsträgern des UEFA Pokal-Sieg 2009. 2013 wechselte Fernandinho für knapp 40 Millionen Euro zu Manchester City in die Premier League und etablierte sich auch dort.

Der in Deutschland bestens bekannte Douglas Costa wechselte seinerzeit für 30 Millionen Euro zum FC Bayern München, wo er stark begann, aber ebenso stark nachließ und hinterher nach Juventus Turin wechselte. Fred begann im Jahre 2018 eine neue Herausforderung in Manchester. Die „Red Devils“ zahlten 59 Millionen Euro für den Mittelfeldspieler, der sich nach einer schwachen Anfangssaison nun gefunden hat. In die Premier League ging es auch für Willian und Bernard, die für Chelsea/Everton durchaus überzeugen können.
Aber es gibt auch Gegenbeispiele wie beispielsweise Jadson oder Taison, die längerfristig in der Ukraine geblieben sind.

Das Projekt der „Brasilianisierung“ ist für Donezk auf jeden Fall ein erfolgreiches und wird durch Spieler wie Dodo oder Tete auch weiterhin fortgeführt. Und wer weiß, vielleicht sind es gerade diese Spieler, die zu einem weiteren Triumph auf internationaler Ebene beitragen.

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(Photo by SERGEI SUPINSKY/AFP via Getty Images)

Hendrik Wiese

Aufgewachsen mit dem Spielstil von Bastian Schweinsteiger bevorzugt Hendrik spielerische Dominanz und technisch ansehnlichen Fußball. Seit Dezember 2019 ist er für 90PLUS unterwegs, bevorzugt im deutschen Oberhaus.


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