Hertha vs. Union: Duell um die Vorherrschaft in Berlin

4. Dezember 2020 | Vorschauen | BY Marc Schwitzky

Die Vorfreude in Berlin war nach dem Aufstieg des 1. FC Union Berlin spürbar zu greifen: Endlich Erstligaderbys! Corona-bedingt wird nun aber bereits das zweite der bis dato drei Stadtbegegnungen zwischen den Eisernen und Hertha BSC ohne Fans auskommen müssen. Ein Jammer für Fußballromantiker, der sportliche Wert wird dadurch jedoch nicht geschmälert. Denn: Es ist ein Derby mit umgekehrten Vorzeichen.

Anpfiff der Partie ist am Freitag, 20.30 Uhr, Live auf DAZN (Registriere dich jetzt auf DAZN und erhalte einen Gratismonat).

  • Hertha BSC mit bislang durchwachsener Saison
  • Union Berlin die größte Bundesliga-Überraschung
  • Union hat bereits doppelt so viele Punkte wie Hertha

Hertha BSC: Ein Derbysieg als Initialzündung

„Union hat es zuletzt gut gemacht, die werden mit breiter Brust kommen“, sagte Herthas Sportdirektor Arne Friedrich (41) im Vorfeld des Derbys. Während also ein selbstbewusster 1. FC Union Berlin erwartet wird, weiß man bei Hertha BSC aktuell nicht so ganz, wo man steht. Zwei Siege, zwei Unentschieden und fünf Niederlagen – so die bislang biedere Saisonbilanz der Blau-Weißen. Auf den ersten Blick ein Fehlstart seitens Hertha, allerdings wurde u.a. gegen den FC Bayern München, RB Leipzig und Borussia Dortmund verloren. Das Auftaktprogramm stellt Herthas magere Punkteausbeute also in ein anderes Licht.

Zuletzt wurde ein 0:0 gegen Bayer Leverkusen errungen. „Wir sind immer noch einer Phase, in der wir Stabilität brauchen. Deshalb hilft es, dass wir zu Null gespielt haben“, erklärte Trainer Bruno Labbadia (54). Hertha, so belegen die wankelmütigen Ergebnisse, befindet sich weiter im Entwicklungsprozess, jeder Schritt muss nach dem Umbruch im Sommer noch hart erarbeitet werden. Hierfür könnte ein Sieg im Berliner Stadtderby beinahe schon eine Initialwirkung haben und den Prozess deutlich beschleunigen. „Dieses Derby ist immer etwas Besonderes für die Spieler und für das ganze Umfeld“, sagte Labbadia, der das letzte Spiel gegen die „Eisernen“ klar mit 4:0 gewann. Auch das damalige Derby fand im leeren Olympiastadion statt. Sollte am Freitag ein Sieg gelingen, wäre es der erste Heimdreier in der laufenden Spielzeit.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Hierfür müsste Labbadia nun die Balance aus Offensive und Defensive finden. Gegen Leverkusen hat Hertha bewiesen, gut verteidigen zu können. Der eigentlich gute Sturm, bestehend aus Matheus Cunha (21), Dodi Lukebakio (23) und Krzysztof Piatek (25), blieb in jenem Spiel allerdings gänzlich ohne Wirkung. Gegen Union müssen beide Abteilungen funktionieren. Motivation sollte genug vorhanden sein: Hertha will die Kräfteverhältnisse in der Tabelle zumindest ein wenig gerade- und an Union heranrücken. Geschäftsführer Michael Preetz (53) will zumindest noch nichts von einer Wachablösung in Berlin wissen: „Wir haben ein bisschen mehr als ein Viertel der Saison gespielt. Ich kann nicht erkennen, dass sich die Ausgangsposition geändert hat.“

Ein Sieg am Freitagabend würde diese Debatte im Keim ersticken, eine Niederlage sie entfachen. Auf Hertha, dem eigentlichen Favoriten, lastet somit Druck. Personell ist die Lage weniger angespannt. Jordan Torunarigha (23) und Lucas Tousart (23) stehen wieder voll zur Verfügung. Womöglich muss Labbadia auf Omar Alderete (23) verzichten, dessen Einsatz noch unsicher ist.

FC Union Berlin: Mit breiter Brust ins Derby

Eine eingeschworene Mannschaft, guter Offensivfußball und momentan ein Tabellenplatz unter den ersten sechs der Bundesliga – Union Berlin lebt aktuell ein wenig den Traum, den Hertha für seine Entwicklung hat. Die Eisernen sind mit 16 Punkten aus acht Spielen hervorragend in die Saison gestartet. Einordnend muss jedoch auch hier auf das Auftaktprogramm geschaut werden: Union hat bislang gegen keine Top-Fünf-Mannschaft spielen müssen, die Siege wurden gegen Mainz, Hoffenheim, Bielefeld und Köln geholt. Aufgrund des Faktes, dass die Hauptstädter erst ein Jahr Teil der Bundesliga sind, ist die bisherige Bilanz dennoch beeindruckend. Auch oder vor allem wegen des Stilwandels hin zu einer spielerisch-offensiv starken Mannschaft.

So stellen die Berliner mit 21 Treffern nach dem FC Bayern und zusammen mit dem BVB den zweitbesten Angriff der Liga. Maßgeblich daran beteiligt ist Neuzugang Max Kruse (32), der ähnlich wie Cunha auf Seiten Herthas, die Fäden im Mittelfeld zieht und somit das gesamte Team besser macht. Sowohl Cunha als auch Kruse sind an mehr als der Hälfte der Tore ihrer Mannschaft direkt beteiligt – ein Duell, welches das Spiel entscheiden könnte. „Es geht nicht immer nur um Max Kruse“, konstatierte Teamkollege Robert Andrich (26) im kicker. „ Alle sind wichtig.“ Für Andrich wird ein Sieg über die „alte Dame“ nicht über Einzelspieler errungen werden.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Auch Trainer Urs Fischer (54) will sich nicht verstecken: „“Wir haben eigentlich in allen Spielen versucht, auch dominant aufzutreten. Das werden wir auch am Freitagabend wieder versuchen.“ Im Rückblick auf die 0:4-Niederlage im letzten Berliner Aufeinandertreffen fordert der Schweizer: „“Es geht in erster Linie darum, Zugriff auf das Spiel zu bekommen. Das haben wir damals überhaupt nicht hinbekommen. Wir müssen viel mutiger auftreten, wir müssen kompakter sein. Wir haben also schon ein bisschen was zu tun.“

Während Hertha das Spiel als Initialzündung nutzen will, ist Union darauf aus, weiter in der Spur zu bleiben. Seit dem ersten Spieltag ging kein Spiel mehr verloren, das soll so bleiben. „Der Wert bleibt gleich. Ob Zuschauer anwesend sind oder nicht, es ist ein Derby. Da geht es um Emotionen, auch ein bisschen um eine gesunde Rivalität. Es geht auch wieder um wichtige Punkte, die uns helfen können, unserem Ziel näherzukommen“, erklärte Fischer.

Für die Partie am Freitag wird Union weiter auf die längerfristigen Ausfälle verzichten müssen. Dafür könnte Keita Endo (23) möglicherweise zurückkehren. Fischer ließ zudem offen, ob Loris Karius (27) nicht womöglich im Derby sein Union-Debüt feiert.

Prognose

Ein weiteres Geister-Derby in der Bundesliga, ein Jammer. Dennoch werden sowohl Hertha als auch Union hochmotiviert sein, diese Begegnung zu gewinnen. Zum einen natürlich wegen der Stadtrivalität, zum anderen aufgrund der jeweiligen sportlichen Situation. Es kann sich also auf ein heißes Derby eingestellt werden, in dem es eng zugehen wird. Einen klaren Favoriten gibt es aufgrund der starken Form Unions nicht.

Mögliche Aufstellungen:

Hertha BSC: Schwolow – Plattenhardt (Mittelstädt), Torunarigha (Alderete), Boyata, Pekarik – Stark (Tousart), Guendouzi – Cunha, Darida, Lukebakio – Piatek

Union Berlin: Luthe (Karius) – Lenz, Knoche, Friedrich, Trimmel – Andrich, Prömel – Ingvartsen, Kruse, Becker – Awoniyi

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(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Marc Schwitzky

Marc Schwitzky

Erst entfachte Marcelinho die Liebe zum Spiel, dann lieferte Jürgen Klopp die taktische Offenbarung nach. Freund des intensiven schnellen Spiels und der Talentförderung. Bundesliga-Experte und Wortspielakrobat. Seit 2020 im 90PLUS-Team.


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