Inter vs. Shakhtar: Favoritensieg oder ukrainische Überraschung?

17. August 2020 | Champions League | BY Manuel Behlert

Vorschau | Das zweite Halbfinale in der UEFA Europa League steht auf dem Programm. Inter trifft auf Shakhtar, beide Mannschaften wollen in das Endspiel einziehen.

Anpfiff der Partie ist am Montag, 21:00 Uhr, Live auf DAZN (Registriere dich jetzt auf DAZN und erhalte einen Gratismonat).

  • Inter will trotz Conte-Unruhe in das Endspiel einziehen
  • Shakhtar: Unangenehme, spielfreudige Ukrainer
  • Romelu Lukaku befindet sich in Topform

Vor dem Spiel zwischen Inter und Shakhtar sprachen wir zudem mit Marius Soyke von Transfermarkt.de, der sich besonders intensiv mit der italienischen Serie A beschäftigt.

Inter: Diszipliniert in das Endspiel

Die Saison 2019/20 lief für Inter über weite Strecken sehr gut. Die Nerazzurri haben sich hervorragend entwickelt und schnell gelernt, den typischen Fußball von Antonio Conte (56) umzusetzen. Inter agiert mit einer Dreierkette und zwei laufstarken Wingbacks auf den Seiten davor. Das Mittelfeld ist spielstark und dynamisch, die beiden Stürmer herausragend aufeinander abgestimmt und invididuell auf einem extrem hohen Niveau. Kurzum: Inter ist eine sehr, sehr gute Mannschaft.

(Photo by MARCO BERTORELLO/AFP via Getty Images)

Doch zuletzt herrschte Unruhe. Verschiedenen übereinstimmenden Medienberichten zufolge könnte Conte Inter in diesem Sommer schon wieder verlassen. „Seit dem Aufschrei, der die Tage nach dieser denkwürdigen Pressekonferenz durch die italienischen Medien ging, ist es eigentlich schon direkt wieder ruhiger geworden – das hängt sicher einfach damit zusammen, dass jetzt gespielt wird und Conte selbst auch den Fokus voll darauf lenkt“, schätzt Marius Soyke die aktuelle Lage ein.

Conte-Unruhe: Bewusstes Manöver?

Möglicherweise steckt auch ein taktisches Vorgehen dahinter, wie Marius Soyke weiterhin spekuliert: „Ich bin mir, je mehr Zeit vergeht, immer unsicherer, ob das nicht doch einfach ein großes Ablenkungsmanöver a la Mourinho war – eine ähnliche Idee hatte der Kollege Thomas Hürner ja auch bei uns im SERIEAMORE-Podcast zumindest angestoßen, als das Thema noch nicht mal akut war. Auch die Chefetage um Beppe Marrotta (63) und Co. ist auffällig leise, was dieses Thema anbelangt. Vielleicht doch abgesprochen? Oder intern Abbitte geleistet und jetzt geht es seinen normalen Gang?“

Der Fokus bei Inter sollte derzeit aber vor allem auf der sportlichen Komponente liegen. Die letzten Spiele waren souverän, sowohl gegen Getafe als auch gegen Bayer Leverkusen kontrollierten die Italiener die Partie und waren überlegen. Die körperliche Präsenz eines Romelu Lukaku (27) in der Offensive ist beeindruckend, er harmoniert sehr gut mit Sturmpartner Lautaro Martinez (22). Die Mischung aus der enormen Wucht und technischer Finesse in Verbindung mit den Automatismen und dem blinden Verständnis der beiden sorgt dafür, dass jede Abwehrreihe große Probleme bekommen kann.

Inter: Viele Möglichkeiten, breiter Kader

Das spielstarke Mittelfeld wurde bereits angesprochen. Gegen Leverkusen brillierte Nicolo Barella (23) in der Rolle des rhythmusgebenden Elements. Mit ihm und Spielern wie Marcelo Brozovic (27), Stefano Sensi (25), Roberto Gagliardini (26) und Christian Eriksen (28) verfügt Inter über zahlreiche hochklassige Optionen im Zentrum.

(Photo by Martin Meissner/Pool via Getty Images)

Inter sollte sich auf die eigenen Stärken konzentrieren und das Spiel kontrollieren, wenngleich man bei Shakhtar auch die ein oder andere Schwäche findet – zum Beispiel im Tor. „Inter befindet sich im Rhythmus, das darf keine Ausrede sein. Ansonsten kommt es natürlich darauf an, so viele ungefährliche Flanken wie möglich in den Strafraum der Ukrainer zu chippen. Andriy Pyatov (36) wird sich dann schon einen reinlegen, nachdem er drei unmögliche Schüsse aus dem Winkel gefischt hat“, weist Marius Soyke auf den Torhüter der Ukrainer hin, der regelmäßig zwischen Genie und Wahnsinn hin- und herschwankt.

Vieles spricht vor dem Spiel für Inter, in Topform gehören die Nerazzurri zu den Turnierfavoriten. Ein Titel im Europapokal würde auch die Position von Antonio Conte stärken, wie Marius Soyke anmerkt: „Wenn er den Cup holt, sammelt er natürlich auch bei den chinesischen Besitzern Argumente, ihm seine Wünsche auch weiterhin zu erfüllen.“ Mittelfeldspieler Matias Vecino (28) steht nicht zur Verfügung, auch der chilenische Offensivspieler Alexis Sanchez (31) wird kurzfristig pausieren müssen. Interessant wird sein, welche Optionen Conte auf den Wingback-Positionen auswählen wird. Hier ist Balance gefragt.

Shakhtar: Gelingt der nächste Coup?

Shakhtar Donezk ist der Außenseiter im Halbfinale der Europa League. Das interessiert die spielstarken Ukrainer aber nur wenig. Der VfL Wolfsburg wurde souverän bezwungen, auch mit dem FC Basel hatte Shakhtar keine Probleme. Das Konzept ist seit Jahren bekannt, defensiv wird robust zu Werke gegangen, offensiv tummeln sich spielstarke, zumeist aus Südamerika stammende Akteure. Diese zaubern aber nicht nur, sondern arbeiten auch gegen den Ball. So kann das Erfolgsgeheimnis von Shakhtar kurz und knapp zusammengefasst werden.

 (Photo by WOLFGANG RATTAY/POOL/AFP via Getty Images)

Seit dem Sommer 2019 hat Luis Castro (58) das Amt des Cheftrainers bei Shakhtar inne. Der Portugiese verfeinerte bis dato bestehende Schemata und arbeitete an Nuancen im Spiel der Ukrainer. Die Folge: Die Mannschaft wurde stabiler, die Balance im Spiel ist verbessert worden und vor allem ist die Offensive noch schwerer auszurechnen. Anschiebende Außenverteidiger, viele Positionsrochaden und ein großes Selbstvertrauen zeichnen die Ukrainer aus. Auch für Inter droht Gefahr, weiß Soyke: „Es wird interessant, wie die älteren Inter-Schienenspieler mit Dodo und Co. zurechtkommen. Ansonsten sind die Lombarden aber trotzdem der klare Favorit. Klar: Shakhtar darf man nie unterschätzen.“

All eyes on: Junior Moraes

Das südamerikanische Ensemble im Offensivbereich der Ukrainer wurde bereits angesprochen. Taison (32) ist hier ein Schlüsselspieler. Seine Qualitäten sind umfassend, er lässt sich gerne zurückfallen und treibt den Ball nach vorne, fungiert im Offensivbereich auch als sehr guter Kombinationsspieler, der einen guten Blick für den Mitspieler hat. Taison initiiert viele Angriffe und trifft im letzten Drittel viele gute Entscheidungen. Auf ihn wird es gegen Inter ankommen, er muss die wenigen Lücken, die die Italiener anbieten, konsequent nutzen. Überdies soll Junior Moraes (33), der erfahrene Mittelstürmer, von der Dreierreihe dahinter unterstützt werden.

(Photo by WOLFGANG RATTAY/POOL/AFP via Getty Images)

Moraes steht besonders im Fokus. Er ist der Zielspieler, der beste Torschütze. Der Mittelstürmer ist mit einem besonderen Killerinstinkt im und am Strafraum ausgestattet, bewegt sich sehr klug und besetzt zumeist die richtigen, gefährlichen Räume. Gegen eine solch gut abgestimmte Dreierkette, wie sie Inter aufbietet, wird aber auch Moraes große Probleme bekommen. Shakhtar wird versuchen müssen, durch die aufrückenden Außenverteidiger hinter die Wingbacks von Inter zu kommen, um einen Innenverteidiger aus der Kette herauslocken zu können. Gelingt das, kann sich auch der Toptorschütze entsprechend zeigen.

Vorne hui, hinten?

Die starke Offensive von Shakhtar ist eine Seite der Medaille, die Defensive aber eine andere. Der Ausfall von Linksverteidiger Ismaily (30) ist enorm bitter. Der erfahrene Brasilianer ist ein sehr cleverer Spieler, der zuletzt von Mykola Matviyenko (24) ersetzt wurde, der eigentlich im Zentrum zuhause ist. Das ist eine Schwächung, denn Matviyenko konzentriert sich vornehmlich auf Defensivaufgaben.

Eine Folge dessen ist auch, dass entweder Davit Khocholava (27) oder Valeriy Bondar (21) in der Innenverteidigung spielen werden. Die Defensive fällt im Vergleich somit also individuell ab und ist verwundbar, auch wenn der VfL Wolfsburg und der FC Basel das nicht aufdecken konnten. Mit Inter kommt nun aber ein ganz anderes Kaliber auf die Ukrainer zu, die Defensive wird gefordert sein, wie selten zuvor.

Prognose von Marius Soyke

Ich sehe Inter, das deutlich favorisiert ist, klar im Finale. Das andere Spiel ist für mich wesentlich schwieriger vorauszusehen. In der Rückrunde ist United unter Solskjaer aber fast schon zu einer Spitzenmannschaft geworden und hat mit Bruno Fernandes den neben Lukaku und Lautaro gefährlichsten Spieler des Wettbewerbs in den eigenen Reihen. United – Inter klingt auch ganz geil für ein mögliches Finale, muss man sagen.

Mögliche Aufstellungen:

Inter: Handanovic – Bastoni, de Vrij, Godin – Moses (D’Ambrosio), Barella, Gagliardini (Eriksen), Brozovic, Young – Lukaku, Lautaro

Shakhtar: Pyatov – Dodo, Kryvtsov, Bondar, Matviyenko – Stepanenko, Marcos Antonio – Marlos, Alan Patrick, Taison – Junior Moraes

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(Photo by LARS BARON/POOL/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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