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Ligue 1 Vorschau 1/5 | PSG, Amiens, Saint-Etienne, Stade Rennes

5. August 2019 | Spotlight | BY 90PLUS Redaktion

Vorschau | Es ist soweit! Auch die französische Ligue 1 startet bereits früh im August wieder in die Saison. Meister Paris Saint Germain geht natürlich auch in diesem Jahr als absoluter Topfavorit ins Rennen, insgesamt hat sich aber viel getan. Vorab analysieren wir alle 20 Mannschaften detailliert.

Teil 1: Paris Saint Germain, SC Amiens, AS Saint-Etienne, Stade Rennes

Paris Saint Germain

(Letzte Saison: Meister)

Nicht alles war sehr gut

.Mit großen Erwartungen trat Thomas Tuchel seinen Dienst bei Paris Saint Germain vor der Saison 2018/19 an. Der Trainer, der zuvor ein Jahr pausierte, sollte dafür sorgen, dass der Klub aus der französischen Hauptstadt nicht nur national dominiert, sondern auch international endlich den Schritt zu einem ernsthaften Titelanwärter in der Königsklasse macht. Doch nicht alles funktionierte im ersten Jahr unter Tuchel. Das deutete sich schon auf dem Transfermarkt an, auf dem PSG nicht so handlungsfähig war, wie es der Trainer gerne gesehen hätte. Der Meistertitel wurde zwar souverän eingefahren, die Mannschaft zudem taktisch variabler und es gelang – teilweise auch gezwungenermaßen – viele junge Spieler einzubinden, der angesprochene Schritt auf internationaler Ebene aber eben nicht. Zudem verlor PSG auch noch das Pokalfinale.

(Photo by Josef Bollwein – Sepa Media/Bongarts/Getty Images)

In diesem Sommer änderte sich dann einiges. Der Sportdirektor wurde ausgetauscht, Antero Henrique durch Leonardo ersetzt. Nachdem es zwischen Tuchel und Henrique aufgrund der Vorgehensweise auf dem Transfermarkt immer wieder zu Querelen kam, war diese Maßnahme alleine aufgrund der Herstellung der Ruhe im Verein notwendig. Und Leonardo sorgte schnell dafür, dass der ein oder andere Transfer abgewickelt wurde.

So verpflichtete PSG Ander Herrera (29) ablösefrei aus Manchester, auch Pablo Sarabia (27), ein flexibel einsetzbarer Offensivspieler aus Sevilla, stieß schnell zum Team. Nachdem in der Folge auch noch Abdou Diallo (23) und Idrissa Gueye (29) verpflichtet wurden, waren einige Baustellen bereits behoben. Die Zielsetzung ist auch in dieser Saison klar: Neben dem maximalen Erfolg in den nationalen Wettbewerben soll endlich auch in der Königsklasse angegriffen werden.

Neue Möglichkeiten und die Neymar-Frage

Um diese Neuzugänge zu finanzieren trennte sich PSG von einigen jungen Spielern. Moussa Diaby, Timothy Weah und Christopher Nkunku verließen den Verein beispielsweise, auch der erfahrene Dani Alves ist nach Ablauf des Vertrags nach Brasilien gewechselt. Und noch könnten einige Spieler gehen, darunter Kevin Trapp, Stanley Nsoki oder Neymar. Das Transfertheater rund um den Brasilianer ist eines der bestimmenden Themen in diesem Sommer. Neymar will zum FC Barcelona zurückkehren, die Katalanen beschäftigen sich mit einem Transfer, PSG fordert aber derzeit zu viel Geld, sodass der Transfer nach aktuellem Stand nicht darstellbar scheint. Trotzdem macht die Spielerseite weiterhin auf sich aufmerksam, sorgt für Unruhe und hinter den Kulissen gibt es weiterhin Bewegung. Ein Neymar-Abgang würde den ganzen Kader durcheinander wirbeln und natürlich dafür sorgen, dass noch der ein oder andere Topspieler verpflichtet wird.

Betrachtet man den Kader von PSG, so stellt man fest, dass die bisherigen Neuverpflichtungen dafür sorgen, dass Thomas Tuchel noch mehr Optionen besitzt, noch flexibler in seiner Ausrichtung sein kann. Eine Dreierkette, ein System mit zwei Stürmern, ein 4-3-3 – all das ist möglich und für jede Besetzung existieren adäquate Alternativen. Gueye erhöht die Qualität im Spiel gegen den Ball, Diallo ist ein zweikampfstarker Verteidiger, der aufgrund seiner Erfahrung auf der linken Seite auch sehr gut in einer Dreierkette aufgehoben ist und Sarabia ist offensiv nahezu auf jeder Position einsetzbar, kann über den Flügel genauso für Gefahr sorgen wie im Offensivzentrum, wenn er hängend hinter einem oder zwei Stürmer(n) agiert. Die Anpassungen im Kader sorgen also für eine Verbesserung in der Spitze und der Breite.

Im Fokus: Angel Di Maria

Wenn man über Paris Saint Germain redet, dann fallen in der Regel zuerst die Namen Kylian Mbappe, Edinson Cavani, Neymar und möglicherweise noch Marco Verratti. Doch auch der Argentinier Angel Di Maria (31) nimmt eine enorm wichtige Rolle im Spiel von PSG ein. Der Linksfuß, der 2015 aus Manchester nach Paris wechselte, ist ein Verbindungsspieler zwischen der Offensive und der Defensive und kann im letzten Drittel mit dem Ball fast alles.

(Photo by FRANCK FIFE/AFP/Getty Images)

Di Maria ist dribbelstark, bringt gute Hereingaben in die Mitte, spielt sehr geradlinig und mit einem entsprechenden Zug zum Tor. Das zeigte sich auch in der letzten Saison, als Di Maria wettbewerbsübergreifend an 36 Treffern direkt beteiligt war. Da er – ebenso wie der bereits angesprochene Sarabia – auf mehreren Positionen und in mehreren Formationen eingesetzt werden kann, wird Di Maria in nahezu jedem Spiel auf dem Platz stehen und versuchen den Unterschied zu machen.

Newcomer: Adil Aouchiche

Nachdem PSG in diesem Sommer viele Youngster verkauft hat, könnte der ein oder andere Spieler aus der U19 in den Profikader aufrücken und Einsatzminuten sammeln. Einer dieser Spieler ist Adil Aouchiche (17), der im zentralen Mittelfeld zuhause ist. Thomas Tuchel zeigte in der vergangenen Saison, dass er sich nicht scheut junge Spieler einzubinden und sie spielen zu lassen, wenn sie gut genug sind. Und Aouchiche bringt sämtliche Fähigkeiten mit die notwendig sind um im Profibereich Fuß zu fassen. Der 17-Jährige verfügt über eine starke Ballbehandlung, ist technisch versiert und trat in der UEFA Youth League bereits mit einer breiten Brust auf. Ob Aouchiche Einsatzminuten bei den Profis sammeln kann, wird natürlich von der personellen Situation abhängig sein, aber gerade in den Pokalwettbewerben oder im Zuge größerer Rotation könnte dieser Spieler plötzlich im Kader auftauchen.

Prognose

Dass Paris Saint Germain auf nationaler Ebene der haushohe Favorit ist, ist klar. Die Mannschaft von Trainer Thomas Tuchel muss zwingend die Meisterschaft gewinnen und sich überdies fußballerisch auch noch weiterentwickeln. Die Chancen stehen gut, der Kader wurde überarbeitet und die Flexibilität erhöht. Es wäre auch aufgrund der Konkurrenz keine Überraschung, wenn sich PSG wieder frühzeitig zum Meister krönen könnte. Ob die Ambitionen auf internationaler Ebene entsprechend untermauert werden können, bleibt zunächst abzuwarten.

Manuel Behlert

SC Amiens

(Letzte Saison: 15. Platz)

Umbruch beim Durchstarter – eine Instanz verlässt den Verein

Viereinhalb Jahre sind eine lange Zeit. Vor allem im schnelllebigen Fußball-Business. Vor viereinhalb Jahren war Deutschland noch frisch gebackener Weltmeister, Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger am Höhepunkt ihres Schaffens und Mega-Talent Kylian Mbappé noch nicht auf der offiziellen Landkarte des Spitzenfußballs. Lange, lange ist’s her. 

Vor genau viereinhalb Jahren übernahm aber auch ein gewisser Christophe Délissier einen französischen Drittligisten, den SC Amiens. Der Verein dümpelte in der Championnat National rum, die Klubbosse zogen Ende 2014 daraus die Konsequenz und holten eben jenen Délissier mit ins Boot. Ein Glücksgriff, wie sich heute, viereinhalb Jahre später, herausstellt. Mit Délissier gelang Amiens innerhalb dieser viereinhalb Jahre der Durchmarsch bis in die Ligue 1. Ab da hieß es: PSG statt SO Cholet, Neymar statt, ja, wer weiß das schon. 

Die Saison 2019/20 ist die dritte Spielzeit in Folge in der höchsten französischen Spielklasse und sie ist ein Novum in der Klubgeschichte Amiens – zumindest, wenn man nur die vergangenen vier Jahre betrachtet. Ende Mai verkündeten die Weiß-Roten die einvernehmliche Trennung von Délissier. Also von dem Mann, der Amiens aus dem Niemandsland des französischen Fußballs in die großen Stadien von Paris und Lyon geführt hatte. Nur einen Tag später folgte die Begründung: Délissier brauchte eine „neue Herausforderung“, wie er selbst sagte. 

Neuer Trainer, neues Amiens?

Die neue Herausforderung: Der FC Lorient, ein Zweitligist. Der neue Trainer von „Les Licornes“ heißt Luka Elsner. Nie gehört? Nun, das liegt vermutlich daran, dass der 37-Jährige bisher vornehmlich in der slowenischen Liga (erst NK Domzale, dann NK Olimpija Ljubljana) im Schatten der prestigeträchtigeren europäischen Top-5-Ligen sein Werk verübte. Später, 2017, wagte Elsner dann den Sprung ins Ausland, erst in Zypern (Patos FC), dann in Belgien (Royale Union Saint Gilloise). Nun also Amiens. Die Fußstapfen Délissiers sind groß, immerhin gelang dem Durchstarter zweimal in Folge der Klassenerhalt, wenn auch in der abgelaufenen Saison erst kurz vor knapp. 

(Photo by FRANCOIS LO PRESTI / AFP) 

Elsner ließ in seinen bisherigen Stationen als Chef-Coach vornehmlich im 4-2-3-1 spielen, in den ersten Testspielen bei Amiens schickte er seine Mannen jedoch häufig im 4-3-3 auf den Rasen – auch in der neuen Saison? Dabei muss sich die Mannschaft allerdings nicht nur an eine neue Marschroute von außen einstellen, auch innerhalb der Truppe wurde mit neun Neuzugängen ordentlich durchgewürfelt. Die Kaufoptionen von Serhou Guirassy (23), Emil Krafth (24) und Alexis Blin (22) wurden gezogen. Hinzu kommen Eddy Gnahoré, Ulrick Eneme Ella, Christophe Jallet, Haitam Aleesami, Jayson Papeau und Chadrac Akolo. 

Das Ziel für die Saison ist klar: Der dritte Klassenerhalt in Serie muss her. Und das alles ohne den Heilsbringer Christophe Délissier. Dafür vielleicht mit dem neuen Heilsbringer Luka Elsner. 

Im Fokus: Prince Gouano

Wer mit 25 Jahren Kapitän eines französischen Erstligisten ist, kann so schlecht nicht sein. Beides trifft auf Prince Gouano zu. Der Innenverteidiger von Amiens delegierte sein Team schon in der abgelaufenen Saison zum Klassenerhalt, mit dem Umbruch rund um Amiens wird seine Führungsrolle nun umso wichtiger sein. Gelernt hat Prince unter anderem in der Schmiede von Juventus Turin, zu einem Einsatz in der ersten Mannschaft reichte es allerdings nie. Stattdessen zog es ihn über zahlreiche Umwege zum SC Amiens. 

(Photo by FRANCOIS NASCIMBENI / AFP) 

Dort ist der 1,86-Meter-Defensivspezialist zu einem echten Fels in der Brandung für sein Team herangereift. In der Luft und auch im Eins-gegen-eins ist Prince kaum zu bezwingen, lediglich sein Passspiel hat noch ordentlich Luft nach oben. Mit 32 Pflichtspieleinsätzen (ein Tor) avancierte Prince in der abgelaufenen Spielzeit zu den Dauerbrennern beim SC – und zur echten Führungsfigur! Als beim Punktspiel im April beim FCO Dijon rassistische Beleidigungen von den Rängen ertönten, wollte er seine Mannen geschlossen vom Feld führen. Zwar wurde die Partie nach minutenlanger Unterbrechung fortgesetzt, ein deutliches Zeichen hinterließ der Kapitän dennoch – und erntete dafür ordentlich Zuspruch.

Newcomer: Serhou Guirassy

Mit Christophe Délissier hat der Heilsbringer den Verein verlassen, mit Serhou Guirassy scheint Amiens aber nun den nächsten direkt auf dem Rasen zu haben. Erst Anfang 2019 wechselte der 23-Jährige Angreifer per Leihe vom 1. FC Köln nach Frankreich, wo er umgehend zum Stammspieler aufstieg. 13 Spiele absolvierte der Mittelstürmer in dem halben Jahr, drei Tore und eine Vorlage waren die Ausbeute. 

Die Geschichte des Guirassy spielte sich jedoch erst am 38. Spieltag der Ligue 1 ab. Amiens steckte noch mitten im Abstiegskampf, nur bei einem Sieg gegen Tabellenschlusslicht EA Guingamp wäre der Klassenerhalt gesichert. Und nicht nur für Amiens, auch für Guirassy selbst hing alles von diesem einen Spiel ab. Im Falle eines Abstiegs hätte er (zumindest vorerst) wieder zurück nach Köln gemusst. Guirassy aber spielte seine wohl bisher beste Partie, traf einmal selbst und legte das zweite Tor auf. Amiens siegte mit 2:1, der Rest ist bekannt: Klassenerhalt, feste Verpflichtung, dritte Saison in der Ligue 1. Diese wird auch für Guirassy der Gradmesser sein. Bestätigt er die guten Leistungen aus der Rückrunde, erhöhen sich auch die Chancen des SC, die Klasse zu halten.

Prognose

Für den SC Amiens gibt es in der kommenden Saison nur ein Ziel: Der erneute Klassenerhalt. Vieles wird davon abhängen, wie schnell sich die Mannschaft an die Ideen ihres neuen Trainers Luka Elsner gewöhnen können und wie schnell die Neuzugänge einschlagen. Gelingt der Umbruch einigermaßen nahtlos, wird der Durchstarter der vergangenen viereinhalb Jahre auch weiterhin erstklassig bleiben.

Nico Scheck

AS Saint-Etienne

(Letzte Saison: 4. Platz)

Die gute Saison bestätigen

Der französische Rekordmeister (10 Titel) schloss die abgelaufene Saison mit 66 Punkten auf einem starken vierten Platz ab und darf sich damit auch über den Einzug in die UEFA Europa League freuen. Eine bessere Platzierung als den vierten Rang erreichte St. Etienne zuletzt im Jahr 1982, nur 1988 und 2014 konnte man immerhin auch den vierten Platz erringen. Das sagt schon viel über die jüngere Vergangenheit des Traditionsvereins aus der Region Auvergne-Rhône-Alpes aus.

Vom Glanz vergangener Tage ist also nicht mehr viel übrig, trotzdem blieben die „Grünen“ seit nun mehr acht Spielzeiten in der Abschlusstabelle immer unter den Top-10 des Landes. Gleiches galt auch nahezu für die gesamte letzte Spielzeit. Einzig am fünften Spieltag fielen sie auf Platz 14 zurück, ansonsten stand man immer zwischen Platz 9 und Platz 3, an 15 der 19 Rückenrundenspieltage war es sogar der vierte Rang. St. Etienne kann also auf eine sehr konstante und zufriedenstellende Spielzeit zurückblicken.

 (Photo by GUILLAUME SOUVANT / AFP) 

Nun könnte man daraus schließen, dass St. Etienne in der kommenden Saison die Champions League Plätze in Angriff nehmen wollen würde, doch dem scheint nicht so zu sein. Auf dem Transfermarkt agierten Sportdirekter Paquet und Co. nämlich sehr vorsichtig. Sergi Palencia (23, Rechtsverteidiger, kam für zwei Millionen Euro vom FC Barcelona B) kommt als potenzieller Nachfolger für den alternden Mathieu Debuchy (34), Ryad Boudebouz (29, offensives Mittelfeld, 3,5 Mio. € Ablöse, Real Betis) kommt als Ersatz für Remy Cabella (29, 12 Mio. € Ablöse, FK Krasnodar) und Denis Bouanga (24, Linksaußen, 4,5 Mio. € Ablöse, Nimes), sowie Zaydou Youssouf (19, Rechtsaußen, 2 Mio. € Ablöse, Bordeaux), kommen als Alternativen für die offensiven Außenbahnen.

Es herrscht noch Nachholbedarf

Darüber hinaus wurde Top-Talent und Innenverteidiger William Saliba (18) für 30 Millionen Euro an den FC Arsenal verkauft. Allerdings spielt er auf Leihbasis auch noch in der kommenden Saison für St. Etienne und stellt damit faktisch keinen Abgang dar, was als ein großer Erfolg gewertet werden darf.

(Photo JEAN-PHILIPPE KSIAZEK/AFP/Getty Images)

Saliba dürfte daher auch in der kommenden Saison an der Seite von Kapitän Loic Perrin in der Innenverteidigung spielen. Der ewige Perrin (33) ist bereits seit 1997 im Verein und steht seit 2003 im Kader der ersten Mannschaft. Er ist als Kapitän, Abwehrchef und Kopf der Mannschaft weiterhin nicht wegzudenken und ist ein „Unverzichtbarer“. Ebenso wie Torwart Stephane Ruffier (32), der auch schon seit 2011 im Kasten der „Grünen“ steht und immer noch ein sicherer Rückhalt für seine Mannschaft ist. Weitere Leistungsträger sind Rechtsverteidiger Mathieu Debuchy (34), „Sechser“ Yann M’Vila (29), „Zehner“ Wahbi Khazri (28) und der bullige Stürmer Robert Beric (28).

Ingesamt fehlt es dem Kader aber eindeutig an Qualität in der Breite und auch einige Positionen in der ersten Elf sind nicht optimal besetzt. Links hinten dürfte eine Schwachstelle zu verorten sein, ebenso fehlt es an einem echten Top-Stürmer. Außerdem ist es durchaus fraglich, ob Boudebouz den starken Cabella tatsächlich adäquat ersetzen kann. Sollten keine weiteren Transfers mehr getätigt werden, geht die Mannschaft daher tendenziell eher geschwächt aus der Transferperiode hervor. Es kommt also einmal mehr auf die mannschaftliche Geschlossenheit und ggf. emporkommende Talente aus dem eigenen Nachwuchs an. Eine weitere Frage ist natürlich auch, wie gut der neue Trainer, Ghislain Printant, der auf Jean-Louis Gassett folgte, funktioniert.

Printant war zuvor Co-Trainer von Gassett, zunächst in Montpellier und dann in St. Etienne, und dürfte daher nahtlos an die Arbeit Gassetts anknüpfen können, auch wenn man in solchen Szenarien nie eine Garantie hat. Mit seinen 58 Jahren ist er aber ohnehin keineswegs ein Newcomer. Auch auf der Trainerposition setzt Saint-Etienne also eher auf die sichere Variante und eine gewisse Kontinuität.

Im Fokus: Wahbi Khazri

Der Tunesier ist der Spieler im Kader, der den Unterschied machen kann und soll. Er ist als „Zehner“ das kreative Zentrum des Spiels und war in der letzten Saison sowohl der Top-Torjäger (13 Ligatore), als auch der beste Vorlagengeber (sechs Assists) seiner Mannschaft. Ohne Cabella, der auch immerhin auf acht Tore und fünf Assists kam, dürfte nun noch mehr Verantwortung auf seinen Schultern liegen.

(Photo by GUILLAUME SOUVANT / AFP) 

Dass er aber mit dieser Verantwortung gut umgehen kann, hat Khazri im Sommer beim „Africa Cup of Nations“ zeigen können. Er führte Tunesien, das bei Weitem nicht zu den am besten besetzten Teams zählte, mit einem Tor und zwei Assists als Kapitän auf Platz 4. Nun hoffen alle Anhänger des Klubs, dass Khazri in seiner zweiten Saison sogar noch stärker spielt und vielleicht wieder mal einen vierten Platz möglich macht.

Newcomer: William Saliba

Wie kann ein Spieler, für den der FC Arsenal soeben 30 Millionen Euro auf den Tisch gelegt hat, noch als Newcomer durchgehen? Ganz einfach: Er geht in seine erste echte Saison als Stammspieler. In seiner noch jungen Laufbahn kam der 18-jährige bisher lediglich auf 16 Einsätze in der Ligue 1 und muss nun erst einmal beweisen, dass er auch über eine ganze Saison auf Erstliganiveau überzeugen kann. Nicht zuletzt deshalb wurde er zunächst für eine Spielzeit vom FC Arsenal zurück an Saint Etienne verliehen.

Die Spielzeit, die er bei seinem Ausbildungsverein mit Sicherheit erhalten wird, dürfte ihm und seiner Entwicklung sehr gut tun. Allerdings bringt er alles mit, was ein Top-Innenverteidiger braucht. Mit seiner Größe von 1,93m, seinem robusten Körperbau und seiner guten Grundgeschwindigkeit, ist er physisch sehr gut aufgestellt. Darüber hinaus ist der Rechtsfuß technisch durchaus versiert, ruhig am Ball und mit einer guten Übersicht ausgestattet. Sein Kopfballspiel könnte, aufgrund seiner vielversprechenden Größe, allerdings noch verbessert werden. In der kommenden Spielzeit wird er aber sicherlich die Möglichkeit haben viel zu lernen, durch viel Spielzeit auf Top-Niveau und im Training von Vereinslegende Perrin und dem Ex-Arsenal-Spieler und Routinier Mathieu Debuchy.

Prognose

Der AS St. Etienne hat sich nicht wesentlich verstärkt, dafür wurden an ein oder zwei Stellen kleinere Ergänzungen vorgenommen. Der Trainerwechsel birgt, allein durch die Veränderung selbst, ein gewisses Risiko, doch die Verantwortlichen haben durch die Berufung Printants versucht dieses so gering wie möglich zu halten.

Mit dem eingespielten Stamm und der mannschaftlichen Geschlossenheit, sowie der zweifelsohne vorhandenen Grundqualität, wird man sich mit großer Wahrscheinlichkeit wieder in den bekannten Gefilden einordnen. Platz 5-8 erscheint realistisch. Im Vergleich zu anderen Vereinen (vor allem Marseille) hat man aber womöglich etwas an Boden verloren, weshalb die Wiederholung von Platz 4 schwierig werden dürfte.

Christoph Albers

Stade Rennes

(Letzte Saison: 10. Platz)

Mehr als nur das Mittelfeld

Stade Rennes gehört mittlerweile zum Inventar der französischen Ligue 1 und blickt auf eine ereignisreiche Saison 2018/19 zurück. Vor allem in der Europa League konnte die Mannschaft von Trainer Julien Stephan, der das Amt erst im Saisonverlauf übernahm, für Furore sorgen, als beispielsweise den FC Arsenal zuhause geschlagen wurde. Zudem gewann man den französischen Pokal im Finale gegen Paris Saint Germain und krönte eine insgesamt sehr ordentliche Saison. Einziger Wermutstropfen war die fehlende Konstanz in der heimischen Liga. Stade Rennes hätte durchaus das Potenzial gehabt um die Europapokalränge mitzuspielen, musste sich am Ende aber mit einem durchschnittlichen zehnten Platz begnügen. 

Doch das soll sich in der kommenden Saison ändern. Dafür wurde der ein oder andere Neuzugang verpflichtet, so kam der erfahrene Jeremy Morel (35) aus Lyon, Torhüter Romain Salin (34) wurde dazu von Sporting verpflichtet. Wichtiger waren aber zwei Transfers für die Offensive. M’Baye Niang (24) konnte nach seiner Leihe fest verpflichtet werden und kostete 15 Millionen Euro, Flavien Tait (26) kam für 9 Millionen Euro aus Angers und soll die Offensive in der Breite verstärken. Auf der Abgangsseite fällt vor allem der Verlust von Mittelfeldspieler Benjamin André ins Gewicht, den es nach Lille zog. Ihn müsste Stade Rennes im Idealfall noch ersetzen, um von wirklich signifikanten Fortschritten im Kader sprechen zu können. 

Mehr Konstanz und die Frage nach Sarr

Der Kader von Stade Rennes ist insgesamt relativ breit und umfasst 32 Spieler. Zudem ist das Durchschnittsalter mit 24,1 Jahren sehr gering, viele spannende Talente stehen im Aufgebot. In der vergangenen Saison spielte Stade Rennes in vielen verschiedenen Formationen, auch wenn Trainer Stephan häufig ein 4-2-3-1 favorisierte. Ohne Hatem Ben Arfa fehlt aber der klassische spielmachende Typ in der Offensive, sodass ein 4-3-3 oder aber auch ein 4-4-2-System die bevorzugte Variante sein dürfte. 

Für den Trainer ist es wichtig nun erstmals eine komplette Sommervorbereitung mit dem Team absolvieren zu können um seine Ideen, seine Vorstellungen von Fußball noch besser umsetzen zu können. In der vergangenen Saison waren diese Ideen zwar sichtbar und die Entwicklung verlief ordentlich, allerdings produzierte man noch zu viele Fehler. Die Mehrfachbelastung, die dadurch erzwungene Rotation und die fehlende Eingespieltheit unter dem neuen Trainer sorgten für wechselnde Ergebnisse. Zumindest dürften die Automatismen in dieser Saison vorhanden sein, weiter ist die individuelle Klasse ungebrochen hoch. 

(DAMIEN MEYER/AFP/Getty Images)

Das liegt abgesehen vom festen Niang-Transfer auch an Ismaila Sarr. Der junge Flügelspieler wurde lange vom FC Watford umworben, scheint aber in Rennes zu bleiben oder zumindest nicht nach England zu wechseln. Gleiches gilt für Verteidiger Bensebaini, der mit Gladbach in Verbindung gebracht wurde. Für Rennes würde ein Verkauf von Sarr zwar bedeuten, dass man mehrere Positionen neu besetzen könnte, aber der ganz große Bedarf ist nicht vorhanden. Deswegen wäre ein Verbleib des 21-jährigen enorm wichtig. 

Im Fokus: Benjamin Bourigeaud

Der 25-jährige Mittelfeldspieler steht besonders nach dem Abgang von Benjamin Andre im Fokus. Bourigeaud ist ein laufstarker Spieler im Zentrum, der aber auch – je nach System – auf der Außenposition eingesetzt werden kann. Seit 2017 spielt er für Stade Rennes und wurde sofort zu einem wichtigen Bestandteil der Mannschaft. Auf ihn kommt in der nächsten Saison nicht nur mehr Verantwortung zu, auch seine persönliche Zukunft könnte durch gute Leistungen entscheidend beeinflusst werden. Denn der Vertrag von Benjamin Bourigeaud läuft im Sommer 2021 aus, mit einer guten Spielzeit könnte sich der 25-Jährige entsprechend auf dem Markt positionieren. 

Newcomer: Eduardo Camavinga

Der defensive Mittelfeldspieler Eduardo Camavinga wurde im November 2002 geboren und ist entsprechend erst 16 Jahre alt. Im Schlussspurt der  vergangenen Spielzeit kam Camavinga bereits zu seinen ersten Einsatzminuten in der Ligue 1 und konnte Profiluft schnuppern. Bis 2021 steht Camavinga bei dem Verein unter Vertrag und dürfte in der kommenden Saison deutlich mehr eingeplant sein als in der Spielzeit 2018/19. Der 1,82m große Mittelfeldspieler bringt alles mit um eine gute Rolle zu spielen, ist physisch stark und hat das nötige Selbstvertrauen um sich schon in seinem Alter zu behaupten. Auch wenn ihm noch einige Dinge fehlen, sieht man enorm gute Anlagen in seinem Spiel. Er weiß genau in welchen Situationen er grätschen oder gar foulen muss, kann den Ball gut verarbeiten und vorausschauend weiterspielen. Camavinga könnte einer der Shootingstars in Frankreich werden.

Prognose

Stade Rennes wird in dieser Saison sehr spannend zu beobachten sein. Schon bei der knappen 1:2-Niederlage im Supercup gegen PSG zeigte die Mannschaft gute Ansätze, der Kader wurde größtenteils beisammen gehalten und vor allem mit Tait punktuell verstärkt. Greifen die Maßnahmen von Trainer Stephan, dann dürfte Stade Rennes stärker und vor allem konstanter einzuschätzen sein, als noch in der Vorsaison. Dementsprechend ist ein Eingreifen in den Kampf um die vorderen fünf bis sechs Plätze durchaus realistisch. 

Manuel Behlert

(Photo by Lintao Zhang/Getty Images)


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