Arsenal | Englisches Taschenmesser – Wie der junge Saka sich unverzichtbar macht

7. Juli 2020 | Spotlight | BY Chris McCarthy

Spotlight | Trotz seiner 18 Jahre ist Bukayo Saka für den FC Arsenal unverzichtbar geworden. Wir gehen dem Grund nach.

Als sich Bukayo Saka nach dem 2:0-Auswärtssieg des FC Arsenal über Wolverhampton am Samstag den Reportern stellte, hätte der Eindruck entstehen können, ein Balljunge habe sich vor die Kameras geschlichen. Da stand dieser 18-jährige Engländer, der auch als 15-Jähriger durchgehen könnte. Popoweiche Haut, Mondgesicht, freche Strubbelfrisur und diese schüchterne wie höfliche Art, die Schwiegermutterherzen höher schlagen lässt.

„Es war eine großartige Woche, die ich nie vergessen werde“, strahlt Saka nach dem Spiel in die TV-Kameras, „ich habe meinen Vertrag verlängert und mein erstes Premier-League-Tor erzielt.“

Im Norden Londons sorgte die Unterschrift dieses unscheinbaren jungen Manns für kollektives Aufatmen. Denn schon jetzt ist der 18-jährige Engländer für den FC Arsenal unverzichtbar geworden. Wieso eigentlich?

(Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Arsenal: Sakas Mentor

Bereits mit acht Jahren wurde Bukayo Saka in Arsenals Hale End Academy aufgenommen, durchlief dort ebenso wie bei der englischen Juniorennationalmannschaft sämtliche Stationen. Er war kleingeraten, sein Talent dagegen riesengroß. Mit 17 Jahren folgte der erste Profivertrag, ohne nur eine Minute in der ersten Mannschaft absolviert zu haben. Nur wenige Monate später folgten 2018/2019 sein Debüt und die ersten Einsatzminuten bei den Profis.

Auf den Weg dorthin begleitete ihn ein Mann, der zu seinen Glanzzeiten als Arsenal-Star und Unterwäschemodel in Personalunion für Schlagzeilen sorgte: Frederik Ljungberg. Als Jugendtrainer in der Arsenal-Academy und schließlich als Bindeglied bei den Profis nahm der Schwede mit den eisblauen Augen Saka unter seine Fittiche.

„Er begleitet mich seit ich 15 bin“, sagte Saka kürzlich in einem Interview mit der vereinseigenen Homepage und ergänzte: „Er sah mich unglaubliche Dinge machen, aber er sagt mir immer, ich soll demütig sein und weiter hart arbeiten, weil er glaubt, dass ich ein Topspieler werden kann. Er hat auf meiner Position gespielt und es ist einfach so gut, ihn hier zu haben, dass eine Arsenal-Legende mir Ratschläge gibt. Er ist ein großer Teil meiner Entwicklung.“

(Photo by Naomi Baker/Getty Images)

Ljungbergs Experiment

2019/2020 ging Saka endgültig durch die Decke. Unter dem damaligen Trainer Unai Emery spielte er sich allmählich fest, machte im September sogar ganz Europa auf sich aufmerksam. In der Gruppenphase der Europa League wirbelte der Offensivmann die ganze Mannschaft von Eintracht Frankfurt schwindelig, bereitetet beim 3:0-Erfolg der Gunners zwei Tore vor und erzielte seinen ersten Profi-Treffer. Rückblickend einer der wenigen Höhepunkte der tristen Emery-Ära. Der Spanier wurde wenig später entlassen und Ljungberg sprang als Übergangslösung ein.

Als dieser am 12. Dezember 2019 in der Europa League auf Standard Lüttich traf, hatte er ein Problem. Ihm waren die Linksverteidiger ausgegangen. Ljungberg wagte ein Experiment, schenkte Saka in der Defensive das Vertrauen. Immerhin kannte er seine Qualitäten aus der Jugend bestens.

In seinem erst zehnten Startelfeinsatz als Profi, der erste als Verteidiger, war Saka in Lüttich mit seinen unermüdlichen Flankenläufen sowie schwindelerregenden Dribblings kaum zu bändigen. Und das, ohne seine defensiven Pflichten zu vernachlässigen. Als die damals krisengeschüttelten Gunners mit 0:2 in Rückstand gerieten, drehte Saka richtig auf. In der 78. Minute lieferte er zum Anschlusstreffer eine maßgeschneiderte Flanke. Nur drei Zeigerumdrehungen später schlenzte er nach klugem Doppelpass den Ball mit seinem schwachen rechten Fuß ins rechte untere Eck.

„Er ist ein unglaubliches Talent“, sagte Ljungberg nachdem Spiel und ergänzte: „Sein letzter Ball ist immer effektiv und es gibt ein Endprodukt zu seiner Arbeit.“

(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Artetas unverzichtbares Taschenmesser

Mittlerweile ist Ljungberg wieder in den Hintergrund gerückt. Seit Ende Dezember hat Mikel Arteta beim FC Arsenal das Sagen. Und Saka? Er ist Stammspieler, unter dem bereits dritten Trainer der Saison. Mehr noch, er ist absoluter Leistungsträger in einer revitalisierten Mannschaft, die im Kalenderjahr 2020 nach Liverpool die zweitmeisten Punkte der Premier League geholt hat. Schon jetzt hat er die fünftmeisten Minuten seiner Mannschaft auf dem Buckel. Vor allem wegen seiner Flexibilität.

Ob in einer Fünfer- oder Vierkette, Arteta hat sein englisches Taschenmesser bereits als Linksverteidiger, Linksaußen, Rechtsaußen, Achter und Zehner eingesetzt. Seine größten Stärken, eine nahezu magnetische Ballführung, schier endlose Ausdauer, ein pfeilschneller Antritt und die Spielintelligenz eines alten Hasen, kommen überall auf dem Platz zur Geltung. Ebenso wie das Endprodukt: 35 Pflichtspiele, vier Tore und zehn Assists. Die meisten Vorlagen seiner Mannschaft und die meisten eines Teenangers bei Arsenal seit Cesc Fabregas 2006/2007.

Für den FC Arsenal und Mikel Arteta ist Saka trotz seiner 18 Jahre schon jetzt unverzichtbar geworden. „Wir brauchen es, dass er hin und her pendelt, weil er uns die Vielseitigkeit gibt, andere Sachen zu tun, selbst bei gleichbleibender Formation. Er versteht die Positionen gut, er wählt sehr, sehr schnell die Bewegungen, Situationen und wann er den Raum nutzen kann“, lobt der 38-jährige Spanier mit stets fokussierter Miene sein Talent. Langfristig möchte Arteta Saka allerdings eine feste Position zuweisen. „Er ist dabei, verschiedene Positionen zu verstehen. Irgendwann werden wir ihm eine geben, die am besten zu ihm passt.“

(Photo by Michael Steele/Getty Images)

Aushängeschild der Arsenal-Academy

Monatelang hatten Fans und Verein Sorge, dass Saka sein Potential außerhalb Nordlondons erfüllen würde. Der Wunderknabe ließ sich bei der Verlängerung seines bis 2021 datierten Vertrags Zeit. Wochenlang überfluteten Arsenal-Fans die Social-Media-Kanäle von Verein und Youngster, flehten Saka regelrecht an, zu unterschreiben.

Am Mittwoch erlöste er sie, unterzeichnete einen neuen langfristigen Vertrag. „Sorry, dass es so lange gedauert hat“, entschuldigte sich Saka bei der Verkündung. Technischer Direktor Edu hob im Anschluss hervor, was das für Arsenal bedeutet: „Jeder um den Klub wollte, dass das passiert und wir sind begeistert, dass Bukayo einen langfristigen Vertrag unterschrieben hat. Er durchlief die Academy und wurde schließlich zu einem wichtigen Teil der Mannschaft. Das ist so wichtig für uns, während wir uns als Klub nach vorne bewegen.“

Und da sind wir auch schon, beim besagten Auswärtsspiel in Wolverhampton. Dieses Mal musste der Linksfuß erstmals vorne rechts ran. Auch dort war er ein ständiger Unruheherd und unterstrich nur drei Tage nach der Verlängerung seine Bedeutung als Leistungsträger und gleichzeitig als Aushängeschild der Jugendarbeit. Durch seinen butterweichen Volley verhalf er Arsenal zum vierten Sieg in Serie und wurde zugleich zum jüngsten Premier-League-Torschützen in der Geschichte der Academy.

„Man kann sehen, was der Trainer hier aufbaut, wir sind begeistert über die Resultate und ich, dass dass meine Zukunft hier ist“, sagte Saka zum Abschluss einer großartigen Woche. Für ihn, aber auch für den FC Arsenal.

Von Chris McCarthy

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Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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