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Zum Karriereende von André Schürrle: Unverdienter Spott und fehlender Respekt

17. Juli 2020 | Spotlight | BY Damian Ozako

André Schürrle hat im Alter von nur 29 Jahren seine Karriere beendet. Nach seinem Wechsel zu Borussia Dortmund geriet seine Karriere immer mehr ins Stocken. Sich etwas zu Schulde kommen lassen, hat er allerdings nie. Trotzdem wurde die Häme immer größer. Ein Kommentar.

Schürrle: Abschied vom Profigeschäft

„Ich brauche keinen Beifall mehr“, so André Schürrle, der vor wenigen Tagen seinen Vertrag mit Borussia Dortmund aufgelöst hat. Gegenüber dem Spiegel verkündete der ehemalige Nationalspieler sein Karriereende. Ein ungewöhnlicher Schritt, der aber zeigt, wie groß der Drang nach Besserung in seinem Leben war. Mit dem Geschäft konnte er zuletzt nicht mehr allzu viel anfangen. Nur die Leistung auf dem Platz zähle und Verletzlichkeit und Schwäche dürften zu keinem Zeitpunkt existieren. Es sind ehrliche Worte, die jedem zu denken geben sollten. Fans und Verantwortlichen. 

Beim FSV Mainz 05 erlebte er unter Thomas Tuchel seinen Durchbruch, wechselte nach zwei Jahren zu Bayer 04 Leverkusen. Danach folgte der Sprung in die Premier League zu Chelsea. 2014 schrieb er zusammen mit der deutschen Nationalmannschaft Geschichte: Er legte im Maracanã den entscheidenden Treffer von Mario Götze (28) zum Gewinn der Weltmeisterschaft auf. Für immer wird sein Name in den Geschichtsbüchern stehen. 

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Hallo zusammen, Ich möchte euch mitteilen, dass ich meine aktive Karriere beende! ?Im Namen von mir und meiner Familie will ich danke sagen, an alle, die ein Teil dieser phenomenalen Jahre waren! Eure Unterstützung hat das alles möglich gemacht!! Ich freue mich auf neue Herausforderungen und kann es kaum erwarten dieses neue Kapitel zu beginnen ??? Euer André Hi all, I want to let you know that I’m stepping away from playing professional football !! On behalf of myself and my family I want to thank everybody who was a part of these phenomenal years! The support and love you shared with me was unbelievable and more I could have ever asked for! Now I’m ready and open for all the beautiful possibilities that are coming towards me ? André

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Als Weltmeister kehrte er zurück nach Deutschland und spielte für den VfL Wolfsburg. 2016 folgte der Wechsel zum BVB. Spätestens jetzt wurde die Karriere von Schürrle zu einer Talfahrt. Thomas Tuchel wollte laut Medienberichten eigentlich Karim Bellarabi (30) von der Werkself nach Dortmund holen. Doch ein Wechsel sollte nicht zustande kommen. So kam Schürrle als Alternative – und floppte. Er war sichtlich bemüht, aber auch aufgrund einiger Verletzungen kam er nie so richtig in einen vernünftigen Rhythmus.

Unter Peter Stöger hatte er eine gute Phase, in der er einige kleine Erfolgserlebnisse feiern konnte. Sein Siegtreffer zum 3:2-Sieg in Köln war die Initialzündung dafür und man sah ihm die Erleichterung an, die er in diesem Moment verspürte. 

(PATRIK STOLLARZ/AFP via Getty Images)

Leider hielt diese Phase nur kurz an und danach sah man wieder den verkrampften Schürrle, der viel versuchte und dem wenig gelang. Die Trennung war folgerichtig, vor allem weil Lucien Favre mit ihm als Spielertypen nicht so richtig was anfangen konnte. Erfolgreich waren seine Leihen jedoch auch nicht. Großartiges Interesse hatten Vereine auch nicht mehr an ihm. Weder für Fulham noch für Spartak konnte er überzeugen. 

Seit 2016 verlief seine Karriere zunehmend frustrierender und der öffentliche Druck wuchs kontinuierlich. Tiefere Tiefen und immer weniger Höhepunkte, so beschrieb Schürrle die letzten Jahre. Der Spott und die Häme wurden größer. Aber warum eigentlich? Weil er Weltmeister wurde und danach nicht mehr „weltmeisterlich“ performte? Aufgrund der insgesamt über 90 Millionen Euro Ablöse, die Vereine wie Borussia Dortmund, Chelsea und Wolfsburg in ihn investierten? Weder André Schürrle noch irgendein andere Profifußballer können etwas für diese Preise. Jedes Mal sahen die Verantwortlichen etwas in ihm, sodass sie diese Summe bezahlten. Ebenso sein Gehalt. Niemand hat diese Vereine gezwungen so viel zu zahlen. 

Traurig genug, dass ich mich dazu drängen muss, diese Zeilen zu schreiben. Als ob es legitime Gründe geben würde, die einen derart respektlosen Umgang, den Schürrle über Jahre hinweg erlebte, rechtfertigen würden. Es wird auch genügend Menschen geben, die auch jetzt noch verbal auf ihn einprügeln werden und auf sein verdientes Geld zeigen, nach dem Motto „Der soll sich nicht so anstellen“. Innere Zufriedenheit und Glück kann man nicht gegen Geld aufwiegen. Natürlich muss er sich keine existenziellen, finanziellen Sorgen mehr machen, aber das dient nicht als Schutz für den Druck, dem er die letzten Jahre ausgeliefert war. 

Ich wünsche André Schürrle für seine Zukunft nur das Beste. Hoffentlich findet er beruflich das Glück, was ihm zuletzt fehlte. Und hoffentlich nimmt der Profifußball seine Worte und Situation ernst. Vereine, Fans, Medien und alle anderen, die ihren Teil zu dieser Sportart beisteuern, sollten sich im Idealfall so verhalten, dass kein Spieler den immensen Druck verspürt, den Schürrle zuletzt aushalten musste. Wir sollten alle dafür sorgen, dass die psychische Gesundheit genauso gut geschützt wird, wie die physische. Egal wie die Leistung auf dem Platz aussieht.

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Damian Ozako

(ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Damian Ozako

Als Kind von Tomas Rosicky verzaubert und von Nelson Haedo Valdez auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht worden. Geblieben ist die Leidenschaft für den (offensiven) Fußball. Seit 2018 bei 90PLUS.


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