Nachspielzeit: „Deutscher Fußball-Kulturpreis 2016: Sir Alex & Textilvergehen“

24. Oktober 2016 | Nachspielzeit | BY Marius Merck

„Wo bist du?“ Da Chris und ich entsprechend unserer typischen Organisation keinen Treffpunkt am Nürnberger Hauptbahnhof vereinbart hatten, kam es direkt nach der Ankunft zu den ersten Komplikationen. Als danach auch noch mein Handy-Akku leer war, bedurfte es unserer Ur-Instinkte um uns in dem Getümmel aus Menschenmassen am Freitag-Nachmittag zu finden. Entgegen meiner, in Profiler-Manier, erarbeiteten Erwartung, den gebürtigen Londoner bei Kentucky Fried Chicken aufzufinden, traf man sich ganz unspektakulär am Hauptausgang!

 

 

Deutscher Fußball-Kulturpreis 2016

In der Tafelhalle angekommen wurde erstmal über die Gästeliste diskutiert. Über eine Sache waren wir uns schnell einig: auf jeden Fall mit Ansgar Brinkmann ein Bierchen zu trinken. Nach und nach trudelten die Gäste ein: Reporter-Legende Manfred Breuckmann, RB Leipzig Sportdirektor Ralf Rangnick oder der ehemalige Bundesligatrainer und Ferguson-Buddy Eckhard Krautzun. Bei dem Letztgenannten entschied ich mich kurzerhand dagegen, ihm noch einmal ausdrücklich für den FCK-Abstieg 1996 zu danken, was für ein tränenreiches Wochenende in meinem Kinderzimmer gesorgt hatte, auch wenn Chris´ Argumente („Nicht den Pokalsieg eine Woche darauf vergessen!“) dafür nicht ausschlaggebend waren. Der Frust über diesen dieses Ereignis war dann ziemlich schnell vergessen, als augenblicklich Gemurmel in der Vorhalle eintrat. Niemand geringeres als Sir Alex himself schlenderte in Begleitung von Kicker-Chefredakteur Rainer Holzschuh über den Flur. Nachdem der Sir das Blitzgewitter der anwesenden Fotographen überstanden hatte, lief er direkt in die Halle, was mehr oder weniger den offiziellen Beginn der Veranstaltung einläutete. Ein quasi zeitgleich ertönender Gong bestätigte diese Annahme. Sir muss man sein!

 

Die Gala

Nachdem die Platzanweiserin unser der Orientierungslosigkeit geschuldeten Platzwahl direkt hinter Hans Meyer anzweifelte, erreichten wir unsere Sitze für den Abend. Der negative Aspekt war dabei, direkt vor der ausgezeichneten Dolmetscherin für den schottischen Ehrengast zu sitzen und somit die Gala auf multilinguale Weise zu erleben. Die Veranstaltung wurde dann alsbald von der Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein eingeläutet, musikalisch untermalt von Band „The Mergers“.

Zu Beginn wurden von Oliver Fritsch mithilfe von „Fupa.net“ unter dem Projektnamen „Hartplatzhelden“ einige Schmankerl aus dem Amateurfußball präsentiert, die selbst Ferguson ins Staunen versetzte. Hans Meyer kommentierte auf Nachfrage lapidar: „Wenn ich sowas sehe, bin ich um die Zukunft des deutschen Fußballs wenig besorgt!“ Die heftige Blutgrätsche aus der letzten gezeigten Szene ist jedoch mit Sicherheit nicht in diese Einschätzung mit eingeflossen – diese ließ Sir Alex komischerweise komplett kalt.

Danach wurde zu den Preisen übergegangen. Zuerst wurde der Fußball-Blog des Jahres gekürt, das Rennen machte das Team von „Textilvergehen“, welche auf multimediale Weise vom FC Union Berlin berichten. Die äußerst sympathischen Preisträger aus Berlin erzählten bei der Preisverleihung von ihren Anfängen, ihrer Arbeitsweise und ihrer Liebe zu ihrem Herzensverein. Das eine solche Liebe auch eine Liebe zwischen zwei Personen hervorrufen, bewies Gründerin Stefanie Fiebrig, die durch ihr Projekt auch ihren heutigen Ehemann kennen gelernt hat, der leider aus beruflichen Gründen nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnte. Das Preisgeld von 5.000 Euro soll übrigens in neues Equipment für den Podcast investiert werden, nach meinem Podcast-Ausfall vom vergangenen Donnerstag kann ich diesen Schritt absolut nachvollziehen.

Die Berliner Dominanz unter den Preisträgern wurde noch verstärkt. Den Bildungspreis „Lernanstoß“ gewann die Biesalski-Schule aus der Bundeshauptstadt. Die Schule mit sonderpädagogischer Aufgabe richtet einmal jährlich den „Biesalski-Cup mit KidsPK“ aus, bei dem Kinder mit und ohne Behinderung im Fußball sowie im Rollstuhlfußball gegeneinander treten. Garniert wird das Ganze mit einer von den Kindern gehaltenen Pressekonferenz, bei dem unter anderem schon große Namen wie Theo Zwanziger oder Sandro Wagner zugegen waren. Den inoffiziellen 90PLUS-Preis für die mit Abstand coolste Socke des Abends heimste der 16-jährige Schüler, der neben seiner Schulleiterin und zwei Lehrerinnen repräsentativ den Preis entgegen nahm, ein. Auf die Frage von KMH, ob der als Pressesprecher nach dem Turnier fungierende Teenager bei Prominenten wie Zwanziger oder Wagner „nervös sei“, entgegnete dieser trocken, dass dies „auch nur Menschen seien.“ Mit solcher Coolness hätten wir sicher unsere Plätze hinter Hans Meyer behalten.

Den Preis für das Fußballbuch des Jahres staubten Ronald Reng und Lars Mrsosko mit dem Werk „Mroskos Talente. Das erstaunliche Leben eines Bundesliga-Scouts ab.“ Mrosko plauderte dabei ein wenig aus dem Nähkästchen, unter anderem versorgte er die Zuhörer mit einer Anekdote zum Edin Dzeko Transfer zum VfL Wolfsburg. Ein wenig überheblich kam allerdings „Niederschreiber“ Reng daher, der Mrosko spaßeshalber (?) unterstellte, bei alleiniger Ausarbeitung bereits „an der Kommasetzung“ zu scheitern. Das kam in dem Moment ungefähr so cool daher, wie der allseits beliebte Pausenstreich eine Capri-Sonne-Verpackung aufzublasen und durch einen ordentlichen Tritt in einer Menge zum Platzen zu bringen – nur ohne diese vorher ausgetrunken zu haben. Unserem Lieblings-Pressesprecher der Biesalski-Schule ist ein solcher Fauxpas sicherlich noch nie unterlaufen.

Bei einer solchen Gala darf natürlich auch die Comedy nicht zu kurz kommen. Der Komiker Rolf Miller sorgte durch sein Bühnenprogramm für einige Lacher in der Tafelhalle. Natürlich involvierte er auch den Stargast aus schottischen Gowan. Die fleißige Übersetzerin hinter uns übersetzte, mit amüsanten Zwischenlachern, sichtlich bemüht und im Eiltempo jeden Gag. Natürlich musste aufgrund der Manchester United Verbindung auch die eine oder andere Zote über Ferguson-Lieblingsschüler Cristiano Ronaldo gerissen werden. Dabei wurde deutlich, wieso „CR7“ bis heute von seinem schottischen Lehrmeister schwärmt. Nicht eine Miene verzog der an dem Abend sonst gut gelaunte Ferguson, während die Frisur und andere Eigenarten des Portugiesen komödiantisch thematisiert wurden. Das oberste Gebot des Schotten („Loyalität“) gilt wohl auch noch im Ruhestand. In der Kategorie „Fußballspruch des Jahres 2016“ setzte sich der Kölner Trainer Peter Stöger („Ich habe dem Linienrichter meine Brille angeboten, aber die hat er nicht gesehen“) gegen seinen Schalker Kollegen Markus Weinzierl („Ich habe bei der Wohnungssuche schon eine Absage bekommen, weil der Vermieter einen langfristigen Mieter wollte.“) knapp durch.

 

Der Walter-Bensemann-Preis für Sir Alex Ferguson

Daraufhin folgte mit der Verleihung des Walter-Bensemann-Preis das Highlight des Abends. Sir Alex Ferguson wurde in Nürnberg für sein Lebenswerk und soziales Engagement geehrt. Damit tritt er in eine illustre Runde von Preisträgern wie Marcelo Lippi, Ottmar Hitzfeld, Sir Bobby Charlton oder Alfredo di Stefano ein. Die Laudatio für die schottische Trainerlegende hielt Kicker-Chefredakteur Rainer Holzschuh, der in dieser nicht müde wurde, Ferguson ausschließlich mit „Alec“ anzusprechen, was wohl nur Usus bei dessen engsten Freunden (lt. Krautzun) ist. Auf der anderen Seite hat auch nicht jeder einen Sir in seinem Freundes- oder Bekanntenkreis, bei Chris mache ich mir entgegen seines unbegründeten Optimismus hinsichtlich dieser Thematik nur geringfügige Hoffnung. Danach begriff wohl jeder Anwesende in dem Saal, was Ferguson so besonders macht. Der Schotte hat eine unglaubliche Ausstrahlung, was deutlich wurde, als er über seine 39-jährige Trainerkarriere philosophierte. Bei einem Blick durch den Saal währenddessen, wurde mir bewusst, dass wirklich jeder Gast dem Schotten an den Lippen hing, wie ich es kaum zuvor bei irgendeiner Veranstaltung erlebt habe. Der Sir stellte bei Gründen seines Erfolges (allein 13 Meisterschaften in fast 27 Jahren United klingen so absurd) heraus, dass er stolz sei, dass eigentlich alle seiner Spieler seiner Arbeitsmoral gefolgt seien. Möglicherweise als kleine Replik an Comedian Miller hob er in diesem Kontext Cristiano Ronaldo hervor, dessen Arbeitseinstellung „unerreicht sei!“ Für den Deutschen Fußball hat er im Übrigen nach zahlreichen Schlachten im Europa-Pokal nichts „als Respekt übrig.“ Dies gilt natürlich auch für die Trainer, wenngleich einer davon, der aktuell auf der Insel seine Brötchen verdient, für die Trainerikone aktuell „etwas zu erfolgreich“ sei. Gemeint war natürlich Jürgen Klopp vom United-Rivalen FC Liverpool.

Endgültig alle Herzen gewann Ferguson am Ende, als er in wirklich sehr gutem Deutsch noch ein paar Sätze zum Besten gab („Nach der Schule leider alles verlernt!“).

Aufgrund der intimen Atmosphäre lauerten der ein oder andere Gast auf eine „Selfie“-Gelegenheit mit dem Sir, doch Ferguson-„Bodyguard“ Holzschuh hatte die Lage im Griff und schützte seinen Ehrengast vor einem drohenden Blitzlichtgewitter. Daraufhin verließ der Mann des Abends das etwas regnerische Nürnberg Richtung dem wohl nicht weniger regnerischen Schottland.

Das hervorragende fränkische Vollbier, dass nichts desto Trotz auf unserer Agenda stand, und der vorhandene Kickertisch taten zudem ihr Übriges (11:9, du Gurke!) dafür, dass die Rechnung der Taxifahrt auf den Namen meine geschätzten Kollegen fiel.

Im Namen von 90PLUS bedanke ich mich recht herzlich bei Kicker-Redakteur Jörg Jakob für die Einladung zu dieser Veranstaltung. Ich habe an diesem Abend nicht nur den meiner Meinung besten Trainer aller Zeiten einmal live erleben können, zudem konnte ich an diesem Abend auch etwas an meinen „Mitgründer“ und vor allem Freund Chris zurückzahlen, der mir in all mittlerweile drei Jahren 90PLUS wesentlich öfter „den Rücken frei halten musste“, als umgekehrt.

Marius Merck

Eine Autogrammstunde von Fritz Walter weckte die Leidenschaft für diese Sportart, die über eine (“herausragende”) Amateurkarriere bis zur Gründung von 90PLUS führte. Bei seinem erklärten Ziel, endlich ein “Erfolgsfan” zu werden, weiter erfolglos.


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