Nachspielzeit: Sollte sich Arsenal von Aaron Ramsey trennen?

1. Februar 2017 | Nachspielzeit | BY Chris McCarthy

Es war eine trostlose Leistung des FC Arsenal gestern gegen den abstiegsbedrohten FC Watford. Bereits nach 13 Minuten lagen die Gunners 0:2 zurück und hatten sich mal wieder ein tiefes Loch geschaufelt – nicht zum ersten Mal in dieser Saison und ganz sicher nicht zum ersten Mal in den letzten 10 Jahren. Sinnbildlich für das Auftreten der Mannschaft war der rabenschwarze Tag von Aaron Ramsey. Seit seiner beeindruckenden Hinrunde 2013 mit 20 Torbeteiligungen fand der Waliser aus verschiedenen Gründen nicht mehr in die Spur. Zeit für eine Veränderung? Ein Kommentar…

 

„Aaron Ramsey – Kampf gegen Körper und Geist“

Ein Abend, sinnbildlich für eine Karriere

Wir schreiben die 10. Spielminute. Der FC Arsenal, acht Punkte hinter dem Tabellenführer FC Chelsea, verschuldet ca. 30 Meter vor dem Tor einen Freistoß. Der relativ harmlose, aber feste Schuss von Watford Verteidiger Younès Kaboul wird unglücklich von Aaron Ramsey abgefälscht. Petr Cech hat keine Chance, 1:0 für die Gäste.

12. Spielminute. Die Heimmannschaft wirkt kopflos und unkonzentriert. Einwurf auf Höhe der Mittellinie, ein „Vorteil für uns“, wie mein einstiger Jugendtrainer sagen würde. Gabriel schmeißt jedoch den Ball ohne jegliches Gefühl und mit viel zu viel Kraft auf den nassen Rasen. Der Ball springt auf und ist unmöglich zu kontrollieren. Zudem ist der Adressat der Hereingabe gleich von zwei Spielern des FC Watford umzingelt: Aaron Ramsey. Der 26-jährige verliert den Ball und Étienne Capoue marschiert quasi ungehindert auf den Strafraum der vorgerückten Gastgeber zu. Der Waliser, der für den Ballverlust zugegebenermaßen nicht viel konnte, trabt lustlos zurück und sieht zu, wie Troy Deeney einen Nachschuss aus wenigen Meter in die Maschen knallt. Desolates Zweikampfverhalten der Nordlondoner, eine grobe Unkonzentriertheit und einen Mangel an Disziplin bedeuten den frühen 0:2 Rückstand.

20. Minute. Aaron Ramsey bricht im Lauf ab und setzt sich auf das feuchte, kalte Geläuf des Emirates Stadiums. Der Nationalspieler hat sich mal wieder eine muskuläre Verletzung zugezogen, für ihn ist der Arbeitstag beendet.

Ein mehr als unglücklicher Abend, sinnbildlich für den gesamten Auftritt der Mannschaft, aber auch für die letzten drei von Pech geprägten Jahre des Mittelfeldspielers.

(Photo by Michael Regan/Getty Images)

Kampf gegen Körper und Geist – Teil I

Nachdem Aaron Ramsey im Sommer 2008 als 17-jähriger zum FC Arsenal wechselte, sollte er behutsam an die erste Elf herangeführt werden. Anfang 2010 dann der große Schock. Das hoch gepriesene Talent zog sich einen doppelten Schien- und Wadenbeinbruch zu. Erst nach neun langen Monaten, gefolgt von zwei Leihen, begann er die Saison 2011/2012 als Stammspieler im Norden Londons. Zwar blieb er in dieser und der anschließenden Spielzeit relativ beschwerdefrei, doch die mentale Blockade wollte sich einfach nicht lösen. Unbekümmertheit, Dynamik, Konzentration und Selbstbewusstsein fehlten.

Als schon viele Fans ihr einst so heiß umworbenes Talent abschreiben wollten, begann der zentrale Mittelfeldmann Anfang 2013 sein Potential immer mehr anzudeuten. In der Saison 2013/2014 folgte letztendlich der lang ersehnte Durchbruch. Der laufstarke Rechtsfuß wirkte wie entfesselt und steuerte in den ersten 16 Saisonspielen 8 Tore und 6 Assists bei. Es folgte ein Rückschlag, der sich in den kommenden drei Jahren ständig wiederholen würde: Ramsey zog sich eine muskuläre Verletzung zu. In den drei Monaten, in denen die Gunners ohne ihren neu gefundenen Leistungsträger auskommen mussten, verabschiedete man sich aus dem Meisterschaftskampf und aus der Champions League.

Seit Start der Saison 2014/2015 plagten den 45-fachen Nationalspieler immer wieder Blessuren. Folglich verpasste Ramsey in den letzten zweieinhalb Spielzeiten 48 Spiele, hochgerechnet mehr als 15 Partien pro Saison. Das kann vorkommen, allerdings springen beim genaueren Betrachten der Verletzungshistorie (via Transfermarkt) einige Auffälligkeiten ins Auge.

Saison Verletzung Von Bis Tage Verpasste Spiele
14/15 Oberschenkelverletzung 27.09.2014 18.10.2014 21 4
14/15 Oberschenkelverletzung 09.12.2014 11.01.2015 33 8
14/15 Oberschenkelprobleme 10.02.2015 02.03.2015 20 5
15/16 Oberschenkelprobleme 20.10.2015 21.11.2015 32 7
15/16 Oberschenkelverletzung 08.03.2016 04.04.2016 27 5
16/17 Oberschenkelverletzung 14.08.2016 25.10.2016 72 14
16/17 Oberschenkelverletzung 06.12.2016 26.12.2016 20 5
16/17 Wadenverletzung* 31.01.2017 ? 21 ?
225 48

*Update vom 3. Feburar: Ramsey wird aufgrund seiner Wadenverletzung 21 Tage fehlen.

 

  1. Die Verletzungen sind allesamt muskulärer Natur
  2. Pro Saison ist Ramsey in der Regel gleich mehrmals verletzt
  3. Die Ausfallzeiten sind in der Regel nicht so lange, wie die Gesamtzahl von 48 verpassten Spielen vermuten lässt.

 

Zusammenfassend liegt der Verdacht nahe, dass „Rambo“ über die letzten Jahre wohl selten hundertprozentig beschwerdefrei war und seine offensichtlich anfällige Muskulatur zu früh zu stark beanspruchte. Bereits vor einigen Monaten tauchten in den sozialen Medien ein Gerücht auf, Ramsey sei bei den Gunners nicht mehr ganz so glücklich. Längere Regenerations- und Genesungszeiten sollen ein Streitpunkt mit der medizinischen Abteilung gewesen sein. Ein Gerücht, das aufgrund der oben genannten Zahlen zumindest plausibel klingt, jedoch keine größere Beachtung der Medien genoss.

 

Kampf gegen Körper und Geist – Teil II

Aaron Ramsey ist ein fantastischer Fußballer, der mit Toren aus dem Mittelfeld und Dynamik ein Spiel entscheiden kann. In seinen neun Jahren im Verein sorgte er für unzählige Momente, die den Fans lange in Erinnerung bleiben werden.

Aaron Ramsey ist aber zugleich ein sehr frustrierender Spieler. Die Frustrationen beruhen jedoch auf Gründe, die er nicht immer beeinflussen kann. Seit seinem beeindruckenden Lauf im Jahr 2013 konnte der Mann aus Cardiff immer wieder nur phasenweise überzeugen. Ständig warfen ihn Verletzungen aus der Bahn, oftmals als er gerade seine Top-Form zu erreichen schien.

Gerade im letzten halben Jahr wirkt es so, als sei Ramsey verkrampft und mental nicht auf der Höhe. Viele Aspekte seines Spiels erinnern an die schweren Jahre nach seinem Beinbruch. Im Vergleich zu dem (wieder) unbekümmerten Shootingstar von 2013 ist der „Achter“ heute passiver und unkonzentrierter geworden. Aaron Ramsey scheint ein Spieler zu sein, der nur beschwerdefrei vollends überzeugen kann und mit „beschwerdefrei“  ist vor allem die Psyche gemeint.  Die vielen Rückschläge und dem daraus resultierenden Kampf gegen den Geist scheinen den Mittelfeldspieler regelrecht zu fesseln.

 

Kommentar: Arsenal sollte sich von Ramsey trennen

(Photo by Clive Mason/Getty Images)

Unabhängig vom persönlichen Schicksal des Spielers und seines enormen Potentials bin ich der Meinung, dass sich der FC Arsenal im Sommer von Aaron Ramsey trennen sollte. Es ist unbestritten, dass der Waliser in Top-Form eine spielentscheidender „Dynamo“ sein kann, der eine ganze Mannschaft beflügelt. Das Problem hierbei ist jedoch, dass diese Form nur durch Rhythmus, Fitness und Unbeschwertheit erreicht kann. Alles Faktoren, die sich auf eine unberechenbare und anfällige Muskulatur verlassen.

Sollte der Mittelfedakteur bei einem anderen Verein seine Probleme jedoch in den Griff bekommen und zu alter Stärke finden, wäre das für Arsene Wenger und die Fans des 13-fachen englischen Meisters nur sehr schwer zu schlucken, das ist klar. Dafür gibt es aber leider keine vielversprechenden Anzeichen.

Ramsey ist für einen Verein, der erfahrungsgemäß mit vielen Verletzungen zu kämpfen hat, zu einem großen Risiko geworden. Chef-Trainer Arsene Wenger kann sich auf einer so einflussreichen Position momentan nicht auf Konstanz und Beständigkeit verlassen. Nicht nur wegen der anfälligen Muskulatur seines Box-to-Box Spielers, sonder auch wegen den Disziplinlosigkeiten eines Granit Xhaka (24) und der komplizierter werdenden Krankenakte eines so wichtigen Santi Cazorla (32). Die Ungewissheiten im der Schaltzentrale haben für das gesamte Team fatale Konsequenzen hinsichtlich Balance und Rhythmus.

Es wäre daher aus Sicht des Vereins vielleicht die vernünftigere und vor allem sicherere Lösung, das von Pech geprägte Kapitel Ramsey schweren Herzens zu beenden. Die potentiell hohe Ablösesumme könnte für einen adäquaten Nachfolger eingesetzt werden. Außerdem kehrt im Sommer ein gewisser Jack Wilshere (25) von seiner Leihe beim AFC Bournemouth zurück. Der Engländer blieb in dieser Saison endlich von Verletzungen verschont und zeigte prompt, über welch hohe Qualität er verfügt. Seine Leidenschaft, Aggressivität und Direktheit im Offensivspiel sind ohnehin Eigenschaften, die Arsenal etwas vermisst.

Zugegeben, Jack Wilshere war in seiner Vergangenheit auch sehr verletzungsanfällig. Seine Probleme waren allerdings meist die Folge von Tacklings und somit eher Impact-Verletzungen, die zusätzlich mit etwas Pech verbunden waren. Die immer wiederkehrenden Blessuren Aaron Ramseys dagegen sind beinahe schon chronisch und schwer zu managen.

Manch einer würde argumentieren, dass die Gunners in einer Phase, in der sie nicht viel von einem absoluten Titelkandidaten trennt, keine weitere Baustelle schaffen sollten. Ich dagegen würde behaupten, dass gerade die unbeständige Mittelfeldzentrale, nicht nur wegen Aaron Ramsey, bereits eine solche ist.

 

Was meint ihr?

 

 

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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