Trainerwechsel in Barcelona: Wird jetzt wirklich alles besser?

14. Januar 2020 | Nachspielzeit | BY Christoph Albers

Nachspielzeit | Am späten Montagabend gab der FC Barcelona die sofortige Trennung von Trainer Ernesto Valverde bekannt und verkündete noch im selben Atemzug, dass mit Quique Setién bereits ein Nachfolger verpflichtet werden konnte. Wird nun wirklich alles besser? Ein Kommentar.

Das Ende war abzusehen, es war im Grunde unvermeidlich, doch trotzdem ging es dann doch deutlich schneller, als es die meisten erwartet haben.

Eine kurze Achterbahnfahrt

Nach der bitteren 2:3-Niederlage im Halbfinale der (relativ unbedeutenden) Supercopa de España am vergangenen Donnerstag machten bereits die ersten Gerüchte die Runde, das könnte es gewesen sein für Valverde. Berichte über Verhandlungen mit Xavi Hernandéz folgten auf dem Fuße. Am Sonntag hieß es allerdings, dass dieser abgesagt hätte und auch Ronald Koeman, der als erste Alternative gehandelt worden war, sei nicht verfügbar.

Nach einer kurzen Phase der Euphorie, ausgelöst durch den vermeintlichen Hoffnungsträger Xavi, der womöglich endlich das schöne Spiel zurückbringen könnte, kehrte im Fan-Lager des FC Barcelona große Ernüchterung ein. Man fürchtete, dass Ernesto Valverde doch noch mindestens bis Saisonende im Amt bleiben würde, als „lame duck“. Auch die Tatsache, dass für den Montag ein Vorstandsmeeting anberaumt worden war, machte nur bedingt Hoffnung. Was sollte schon passieren?

Doch am späten Abend platzte die Bombe. Zunächst verkündete der FC Barcelona mit einer kurzen Pressemitteilung die sofortige Trennung von Ernesto Valverde und legte wenige Minuten danach mit der Verkündung, dass Setién übernimmt, nach. Der 61-jährige Spanier erhält nach Vereinsangaben einen Vertrag bis zum 30. Juni 2022 und ist damit natürlich mehr als ein Interimstrainer.

(Photo by Francois Nel/Getty Images)

Gegenseitige Bewunderung

Die Reaktionen der Fans fielen, trotz dessen, dass der „Traum Xavi“ damit wohl über den Sommer hinaus (auf unbestimmte Zeit) aufgeschoben wurde, sehr positiv aus. Die Art und Weise, wie er bei seiner letzten Station, Real Betis, Fußball spielen ließ, brachte ihm im Camp Nou großen Respekt ein. Nicht zuletzt, weil er mit einem spektakulären 4:3-Sieg im Herbst 2018 eine nette Visitenkarte abgegeben hatte.

Setién hatte sich auch in der Vergangenheit, u.a. auf Twitter, zu den Ideen Johan Cruyffs bekannt, was in Barcelona natürlich gerne gesehen wird. Zudem hegte er offenbar immer eine große Bewunderung für das Spiel und die Philosophie der Katalanen. Und diese Bewunderung beruhte offenbar auf Gegenseitigkeit. Denn nach besagtem 4:3-Erfolgs Setién im Camp Nou, überreichte ihm Sergio Busquets, ein Spieler, der den FC Barcelona wie kaum ein Zweiter verkörpert, ein signiertes Trikot mit folgender Widmung: „Für Quique, in Anerkennung und Bewunderung für deine Art Fußball zu verstehen. Eine Umarmung“.

Es spricht also doch einiges dafür, dass Setién eine sehr gute Lösung sein könnte. Seine Arbeit bei UD Las Palmas und Real Betis (auch wenn es gerade in Sachen Effizienz erhebliche Probleme gab) sprechen durchaus dafür. Doch eine gute Philosophie und gute Arbeitsnachweise bei kleineren Teams garantieren noch lange nicht, dass man es auch bei einem Verein wie dem FC Barcelona packt.

Das toxische Umfeld und ein Damoklesschwert

Das Barça-Umfeld ist nämlich unerbittlich, es verzeiht Fehler nur in den seltensten Fällen und es gewährt kaum eine zweite Chance. Pep Guardiola war nach vier Jahren am Ende seiner Kraft, Luis Enrique holte zwar die Champions League nach Katalonien, war aber selten unumstritten, und Ernesto Valverde erfuhr, obwohl erst in seiner Debüt-Saison in der Liga um ein Haar ungeschlagen blieb, nie die Liebe der Fans. Setién dürfte aber wissen, worauf er sich einlässt und auch, dass ihm der Kredit fehlt, den man nur bekommt, wenn man selbst eine Barça-Legende ist.

Außerdem dürfte auch über ihm stets das Damoklesschwert namens Xavi Hernández schweben. Der ehemalige Mittelfeld-Maestro dürfte über die gesamte Amtszeit Setiéns hinweg ein Thema bleiben, immer dann, wenn es gerade nicht läuft. Dazu kommt die Politik im Verein. Lässt er sich instrumentalisieren? Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Direktoren, mit dem Vorstand, mit dem Präsidenten? Wie geht er mit der hysterischen Presse rund ums Camp Nou um? Kann er dem gerecht werden oder geht er darin unter? Bei Barça reicht es nicht „nur“ ein guter Trainer zu sein.

(Photo by Dan Mullan/Getty Images)

Sie haben ihn nie wirklich geliebt

Ein guter Trainer war Ernesto Valverde nämlich auch. Der 55-jährige erzielte in seinen gut zweieinhalb Jahren einen Punkteschnitt von 2,23 Punkten pro Spiel (mehr als z.B. Frank Rijkaard), er gewann 97 seiner 145 Pflichtspiele bei Barça und konnte unter anderem den Gewinn zweier Meisterschaften, eines Pokals und eines Superpokals feiern. Doch in der Champions League schied man unter ihm zweimal im Viertelfinale aus, auf eine nahezu peinliche Art und Weise.

Auch wagte es Valverde, um die Mannschaft in seiner Anfangszeit, die vor allem durch den Abgang Neymars bestimmt war, zu stabilisieren, das geradezu heilige 4-3-3-System gegen ein 4-4-2 auszutauschen. Er kehrte zwar später dazu zurück, doch er ließ seine Mannschaft etwas pragmatischer Spielen, als seine Vorgänger. Barça war damit zwar durchaus erfolgreich, aber das reichte nicht aus. Die fehlende Integration von Jugendspielern war ein weiterer Vorwurf, den er sich gefallen lassen musste.

Er brachte zwar gelegentlich Aleña, beförderte Ansu Fati und Carlos Perez in die erste Mannschaft und verhalf u.a. Miranda, Araujo und Wagué zu Debüts, doch das reichte dem Umfeld nicht, weil keiner von ihnen eine tragende Rolle spielt(e). Stattdessen setzte er gerne auf erfahrene Spieler und seine teuren Neuzugänge. Wie übrigens auch viele seiner Vorgänger. Doch ihm wurde es übler genommen als den meisten von ihnen. Die meiste Zeit waren seine Sympathiewerte auf Höhe derer der GroKo in Deutschland, zumindest gefühlt. Man wurde nicht warm mit ihm. Und nun ist er Geschichte.

(Photo by Alex Caparros/Getty Images)

Zum Scheitern verurteilt?

Die Nachfolge Valverdes erscheint im ersten Impuls durchaus dankbar zu sein. Zunächst könnte es womöglich schon reichen, dass er nicht Ernesto Valverde ist. Ähnlich wie es zuvor beim FC Bayern nach Kovac der Fall war oder bei Manchester United nach Mourinho. Das könnte kurzfristig Ergebnisse bringen und die Saison, in der ja noch alles möglich ist, retten. Ich mittelfristig wird das natürlich nicht reichen.

Setién hat große Aufgaben vor sich. Er muss einen Umbruch moderieren, eine Aufgabe, die Valverde bereits begonnen hat, an der er am Ende aber sicherlich auch u.a. gescheitert ist. Piqué, Alba, Busquets, Rakitic, Vidal, Suárez und Messi sind allesamt über 30. Sie müssen langsam aber sicher ersetzt werden. Die Abhängigkeit von Messi muss überwunden werden (was für sich genommen schon fast unmöglich ist). Die Neuzugänge, Griezmann und de Jong, sowie das Lonngterm-Investment Dembele, müssen integriert werden. Und das alles bitte bei ungebrochenem Erfolg, national wie international.

Allein anhand dieser kurzen Darstellung wird deutlich, dass die Erwartungen im Grunde gar nicht erfüllt werden können, zumal alle auch noch das Bild Pep Guardiolas im Kopf haben. Guardiola hat den Standard gesetzt, an dem sich nun alle Trainer nach ihm messen lassen müssen und womöglich braucht es erst einen neuen Pep Guardiola, bis wirklich wieder „Ruhe“ einkehren kann. Ob Setién ein Trainer dieses Formats ist? Wenn ja, muss er das nun unter Beweis stellen. Ansonsten bleibt die Hoffnung, dass Xavi Hernández genau so einer wird. Und das ist nicht unbedingt die beste Voraussetzung für den, der jetzt das Ruder übernimmt.

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(Photo by Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images)

Christoph Albers

Cruyff-Jünger und Taktik-Liebhaber. Mag präzise Schnittstellen-Pässe, schwarze Leder-Fußballschuhe, Retro-Trikots und hat einen unerklärlichen Hang zu Fußball-Finanzen. Seit 2016 bei 90PLUS.


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