Weißt du noch? WM 2002 – Hakan Sükurs Blitztor bringt der Türkei Platz 3!

26. Mai 2018 | Weißt du noch...? | BY Manuel Behlert

Bei der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea standen zwei der erfolgreichsten Nationen aller Zeiten im Finale, nämlich Deutschland und Brasilien. Doch dieses Turnier verlief nur auf den ersten Blick logisch, denn einerseits gehörte die deutsche Elf nicht zu den Favoriten, andererseits standen mit Gastgeber Südkorea und der Türkei zwei Mannschaften im Halbfinale, die man dort nicht erwarten konnte. Unter anderem aus diesem Grund schauen wir uns nicht das Endspiel, sondern die Partie um Platz 3 genauer an. 

 

Erstes Turnier auf asiatischem Boden

Die Weltmeisterschaft 2002 fand nicht nur erstmals in zwei Ländern gleichzeitig, sondern auch erstmals in Asien statt. Südkorea und Japan präsentierten sich dabei als gute Gastgeber und den beiden Nationen gelang es ein harmonisches Turnier auf die Beine zu stellen, das mit guter Organisation bestach. In den 64 Spielen fielen insgesamt 161 Tore, knapp 2,8 Millionen Zuschauer verfolgten die Begegnungen in den Stadien. Das Turnier begann mit einer Überraschung, denn der amtierende Welt- und Europameister Frankreich verlor nicht nur die Auftaktbegegnung gegen den Senegal mit 0:1, sondern schied auch mit 0:3 Toren und einem Punkt in der Gruppenphase aus. Auch von Nationen wie Portugal, Kroatien und Argentinien musste man sich bereits nach der Gruppenphase verabschieden.

(Photo by Andreas Rentz/Bongarts/Getty Images)

Frankreich-Bezwinger Senegal schaffte es als eine der Überraschungen des Turniers bis in das Viertelfinale und war dort in guter Gesellschaft, denn auch die US-Amerikaner hatte dort wohl niemand erwartet. Die DFB-Elf setzte sich in einer nicht gerade mit Hammerlosen gespickten Gruppe gegen Saudi-Arabien, Kamerun und Irland souverän durch, spielte dann in den K.O.-Runden einen soliden Ergebnisfußball ohne großartig zu glänzen. Sowohl Paraguay, als auch im späteren Turnierverlauf die USA und und Südkorea wurden, angeführt von Michael Ballack und abgesichert von einem überragenden Oliver Kahn, jeweils mit 1:0 besiegt. Das Finale fand in dem bis dato besten Torhüter des Turniers, Oliver Kahn, seinen tragischen Helden, der sich einen Patzer erlaubte und Brasilien somit einen Treffer schenkte und den Weg zum 5. Weltmeistertitel ebnete.

 

Südkorea & Türkei: Der Weg ins Halbfinale

Die Gastgeber aus Südkorea gingen zumindest nicht ohne Ambitionen in dieses Turnier, erwischten bei der Auslosung eine nicht gerade einfache, aber eine machbare Gruppe. Das erste Gruppenspiel wurde in Busan mit 2:0 gegen Polen gewonnen, es folgte ein 1:1 gegen die USA und ein 1:0-Sieg gegen Portugal. Südkorea war laufstark, spielte diszipliniert und wurde von den eigenen Fans zu Höchstleistungen gepusht. Im Achtelfinale spielte sich ein wahres Drama zwischen Südkorea und Italien ab. Die Italiener verloren mit 2:1 durch ein Golden Goal in der Verlängerung, waren zuvor aber klar feldüberlegen und hatten zahlreiche Torchancen. Hinzu kamen einige fragwürdige Entscheidungen des Schiedsrichters Byron Moreno.

(Photo by Sandra Behne/Bongarts/Getty Images)

Dieser verwies Francesco Totti vom Feld und erkannte einen Treffer von Damiano Tommasi zu Unrecht ab. Im November 2002 wurde Moreno gesperrt, 2008 gab er die Fehlentscheidungen zu und seinem Linienrichter eine Mitschuld. Im Viertelfinale schlug Südkorea dann die Spanier nach Elfmeterschießen mit 5:3 und zogen vollkommen überraschend in das Halbfinale gegen Deutschland ein. Im Gegensatz zu Südkorea durchlebte die Türkei eine deutlich spannendere und engere Gruppenphase. Nach der 2:1-Auftaktniederlage gegen den späteren Weltmeister Brasilien standen die Türken bereits am 2. Spieltag unter Druck, auch wenn man die Brasilianer durchaus fordern konnte.

Nach einem 1:1 gegen Costa Rica musste zwingend ein Sieg gegen China her – und das gelang auch. Durch Treffer von Sas, Korkmaz und Davala triumphierte die Türkei mit 3:0 und qualifizierte sich für die K.O.-Runde. Dort bezwang man zunächst Gastgeber Japan durch einen frühen Treffer mit 1:0, ehe das gleiche Ergebnis gegen das andere Überraschungsteam aus dem Senegal reichte, diesmal erzielt von Ilhan Mansiz, in der 94. Minute (Golden Goal). Somit kam es im Halbfinale zur Neuauflage des Gruppenduells mit der brasilianischen Mannschaft.

 

Platz 3? Für beide das Ziel

Die Halbfinalspiele gingen dann erwartungsgemäß an die Favoriten. Sowohl die Türkei als auch Südkorea stellten ihre Gegner vor Probleme, aber Michael Ballack entschied das Spiel für Deutschland nach 75 Minuten, während Brasilien das Team von Trainer Senol Günes durch einen Treffer von Angreifer Ronaldo ausschaltete. Der Traum vom Finale endete für beide Mannschaften im Halbfinale, aber dennoch hatten beide ein hervorragendes Turnier gespielt und gezeigt, dass sie mit den besten Nationen der Fußballwelt nicht nur mithalten, sondern diese auch gefährden und teilweise ausschalten können.

Das Spiel um Platz 3 wurde also im Vorfeld keinesfalls als ein Duell der Verlierer angesehen. Südkorea wollte sich bei den eigenen Fans bedanken und sich nach einem Turnier voller euphorischer Unterstützung gebührend verabschieden, die Türkei wollte ihrerseits noch einen Auftritt auf der ganz großen Bühne genießen und überdies dafür sorgen, dass dieses Spiel um Platz 3 mit einem erfolgreichen Ausgang in Erinnerung bleibt. Vor über  63.000 Zuschauern wurde das Spiel am 29. Juni in Daegu, Südkorea, ausgetragen – unter der Leitung von Schiedsrichter Saad Mane aus Kuwait.

 

Blitztor von Hakan Sükür

Das Spiel begann mit einem absoluten Paukenschlag. Die Mannschaft von Trainer Günes legte los wie die Feuerwehr und belohnte sich bereits in der 1. Minute durch den Treffer von Hakan Sükür. Im Stadion herrschte eine überragende Atmosphäre, die Südkoreaner hatten Anstoß und bauten das Spiel langsam hinten herum auf. Die Türkei setzte die Asiaten aber sofort unter Druck und lief die Defensivreihe an, zwang diese prompt zu einem Fehler. Und nachdem der Verteidiger der Gastgeber sich orientierungslos um die eigene Achse drehte, stibitzte Sükür ihm den Ball vom Fuß, reagierte schnell und schob alleine vor dem gegnerischen Torhüter souverän ein.

(Photo by JACQUES DEMARTHON/AFP/Getty Images)

Sükürs Treffer war das schnellste Tor bei einer WM-Endrunde und der türkische Angreifer bracht damit den Rekord von Vaclav Masek, der 1962 im Spiel der mexikanischen Mannschaft gegen die CSSR nach 15 Sekunden traf. Das frühe Tor sollte eigentlich für eine Beruhigung des Spiels sorgen und die Südkoreaner hart treffen, doch nach einem verhältnismäßig kurzen Schockmoment fingen sich die Asiaten wieder und versuchten selbst Torgefahr zu kreieren. Im gesamten Turnierverlauf zeichneten sich beide Mannschaften durch ihre gute Mentalität aus, zudem saß mit Guus Hiddink ein absoluter Fachmann auf der Trainerbank bei Südkorea.

 

Turbulente erste Halbzeit

Es häuften sich relativ schnell die Torchancen und in der 9. Minute kamen die Südkoreaner zu einer sehr guten Gelegenheit, als es einen Freistoß in gefährlicher Position halbrechts vor dem Tor der Türkei gab. Lee Eul-Yong lief an und verwandelte die Kugel ins rechte obere Eck, ließ dabei Rüstü Recber im Tor keine Chance. Quittiert von dem Ball der zurecht sehr angetanen Fans der Südkoreaner drückte die Mannschaft von Guus Hiddink in der Folge auf die nächste Chance, doch die Türkei präsentierte sich abgehockt und kam durch Ilhan Mansiz nur vier Minuten nach dem Ausgleich zur erneuten Führung. Das Sturmduo Mansiz/Sükür war ideal aufeinander abgestimmt, verstand sich nahezu blind – und das war ein Vorteil für die Türkei.

(Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Das Spiel war unterhaltsam, beide Mannschaften wollten zwar den 3. Platz fixieren, aber waren gleichermaßen auch stolz auf ihre bisherigen Leistungen, wussten genau, dass ihnen niemand mehr das Erreichte nehmen kann. Es wäre zu viel gesagt, wenn man sagen würde, dass es nicht mehr um viel ging, aber die Gefahr des Scheiterns war nur untergeordnet, spielte keine große Rolle. Im Spiel entwickelte sich nach einer guten halben Stunde eine erneute Torchance für die Türkei, diesmal kam Ilhan Mansiz im Strafraum an den Ball, war schneller als Torhüter Lee und lupfte den Ball kurz vor dem herauseilenden Schlussmann in die Maschen.

 

Nur noch der Anschlusstreffer

Südkorea stemmte sich vehement gegen die Niederlage, vor der Pause gab es aber nur wenige klare Gelegenheiten, die Asiaten kamen über Ansätze nicht hinaus. Das Turnier war kräftezehrend, die Südkoreaner gingen über die eigenen Leistungsgrenzen hinaus, spielten über dem Limit. In der 2 .Halbzeit verwaltete die Türkei das Ergebnis clever, setzte vereinzelte Nadelstiche und kam so durchaus immer wieder zu der ein oder anderen Gelegenheit. Südkorea rannte an, ihnen fehlte aber mitunter die Kreativität und Durchschlagskraft, bis zur Nachspielzeit. In der 93. Minute gelang dem Gastgeber dann noch der Anschlusstreffer durch einen abgefälschten Schuss aus der Distanz. Die Niederlage trübte im Endeffekt aber nicht die Freude über das tolle Turnier, die Mannschaft von Guus Hiddink zeigte, dass der Fußball in Asien aufgeholt hatte und noch lange nicht am Ende der Entwicklung ist. Die Türkei feierte Platz 3 und eines der erfolgreichsten Turniere in ihrer Geschichte.

 

Aufstellungen und Torfolge

Südkorea: Lee Woon-Jae, Yoo Sang-chul, Hong Myung-bo (46. Kim Tea-young), Lee Min-sung, Song Chong-gug, Park Ji-Sung, Lee Eul-yong (65. Cha Du-ri), Lee Young-pyo, Seol Ki-hyeon (79. Choi Tae-uk), Ahn Jung-hwan, Lee Chun-soo

Türkei: Rüstü Recber, Fatih Akyel, Alpay Özalan, Bülent Korkmaz, Ergün Penbe, Ümit Davala (76. Okan Buruk), Tugay Kerimoglu, Yildiray Bastürk (86. Tayfur Havutcu), Emre Belözoglu (51. Hakan Ünsal), llhan Mansiz, Hakan Sükür

0:1 Hakan Sükür (1.)

1:1 Lee Eul-yong (9.)

1:2 Ilhan Mansiz (13.)

1:3 Ilhan Mansiz (32.)

2:3 Song Chong-gug (90+3.)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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