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Zé Roberto hört auf: Der absolute Musterprofi

28. November 2017 | Spotlight | BY Marius Merck

Fast zwei Jahrzehnte lang begeisterte Zé Roberto vor allem die Fans in der Bundesliga. Nun hat der Brasilianer mit 43 (!) Jahren seine Karriere beendet. Wir blicken zurück.

 

Überraschungswechsel im Sommer 1998

Nachdem José Roberto da Silva Júnior seine ersten Schritte im Profibereich in Brasilien bei Portuguesa Sao Paulo gemacht hatte, folgte mit 22 Jahren im Januar 1997 der große Schritt nach Europa. Real Madrid bezahlte für den damaligen Linksverteidiger rund neun Millionen Euro. Allerdings bekleidete zu dieser Zeit bei den „Königlichen“ ein anderer Brasilianer die besagte Position: Roberto Carlos.

(Mandatory Credit: Allsport UK /Allsport)

Dementsprechend gering fielen die Einsatzzeiten für Zé Roberto aus, lediglich 23 Pflichtspiele bekleidete er bis zum Januar 1998. Im Anschluss folgte eine Leihe für die Rückrunde zu Flamengo. Trotzdem stand der Spieler im Kader der „Selecao“ für die Weltmeisterschaft 1998 und durfte sich durch den Triumph Reals in der Königsklasse 1997/1998 auch Champions League-Sieger nennen.

Zu der damaligen Zeit war die Bundesliga nicht unbedingt berüchtigt dafür, Spieler von internationalen Rang zu holen. Gerade brasilianische Nationalspieler galten damals als das Non-plus-ultra im Weltfußball, in der Bundesliga wurden zwar Nationalspieler wie Giovane Elber, Paulo Sergio oder Emerson geformt, seltener jedoch bereits als solche verpflichtet (Ausnahme: Dunga zum VfB Stuttgart).

Daher wirkte es durchaus überraschend, als Bayer Leverkusen im Sommer 1998 die Verpflichtung von Zé Roberto für sieben Millionen Euro verkündete. Auf der Position des linken Verteidigers hatte der Linksfuß zu Beginn einige Probleme, daher griff Trainer Christoph Daum zu einer cleveren Maßnahme: Er beorderte den Spieler schlichtweg ins linke Mittelfeld. Von da an startete der Nationalspieler so richtig durch.

 

 

Integraler Bestandteil in der „Vizekusen“-Ära

Bayer begann sich zu diesem Zeitpunkt als „zweite Macht“ in der Bundesliga zu etablieren, schon in der Saison 1996/97 scheiterte man im Meisterschaftsrennen erst am 33. Spieltag (durch eine sehr schmerzhafte 0:4 Niederlage in Köln), der FC Bayern München triumphierte letzten Endes. Den gleichen Ausgang sollte die erste Saison von Zé Roberto in Deutschland mit sich bringen. Mit vier Treffern und sieben Vorlagen schaffte er es relativ schnell ein integraler Bestandteil der Mannschaft zu werden.

In der nächsten Saison stand die „Werkself“ vor dem großen Wurf. Die Truppe von Daum spielte den attraktivsten Fußball in der Bundesliga und führte über lange Zeit die Tabelle an. Zé Roberto hatte mit acht Toren und sieben Assists maßgeblichen Anteil daran. Am Ende stand das „Drama von Unterhaching“, erneut triumphierten die Bayern.

(Photo by Danny Gohlke/Bongarts/Getty Images)

Auch nach dem Kokain-Skandal um Daum sowie den daraus resultierenden Abgang des Trainer, blieb die Rolle des brasilianischen Auswahlspielers unverändert. Unter Klaus Toppmöller spielte er in der Saison 2001/2002 seine beste Runde für Bayer, am Ende der Saison standen vier Treffer und überragende 17 (!) Vorlagen zu Buche. Ein Titel konnte allerdings erneut nicht gewonnen werden, obwohl man im Frühjahr gar Chancen auf das Triple besaß. Bis heute hat Manager Rainer Calmund angesichts der verpatzten Meisterschaft kurz vor Schluss sowie den beiden verlorenen Endspielen in der Champions League (gegen Real Madrid) sowie im DFB-Pokal (gegen Schalke 04) schlaflose Nächte.

Im Sommer 2002 war den Bayern die Konkurrenz aus Leverkusen ein wenig zu gefährlich geworden, im Doppelpack wurden Michael Ballack und eben Zé Roberto verpflichtet. Der Wunsch nach Titeln war mittlerweile groß geworden. Für Unverständnis sorgte allerdings die Entscheidung von Nationaltrainer Luis Felipe Scolari: Er verzichtete auf Zé Roberto bei der Endrunde 2002, obwohl dieser eine herausragende Saison gespielt hatte. Bei den Siegen in der Copa America 1997 und 1999 war der Spieler noch dabei gewesen. Am Ende gab der Erfolg Scolari Recht: Brasilien gewann die Weltmeisterschaft 2002 – dennoch kann man durchaus die Ansicht vertreten, dass es Zé Roberto nach dieser Saison verdient gehabt hätte, sich im Sommer 2002 Weltmeister nennen zu dürfen.

 

Beim FC Bayern: So richtig erfolgreich erst im zweiten Anlauf

In München wirbelte der Brasilianer weiter auf dem linken Flügel. So richtig herausragen wie in Leverkusen konnte er in den ersten Jahren trotz je zwölf (2002/2003) bzw. elf Vorlagen (2003/2004) nicht. Immerhin gewann er in seiner ersten Saison beim Rekordmeister endlich die deutsche Meisterschaft.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Nach dem Trainerwechsel von Ottmar Hitzfeld zu Felix Magath begannen jedoch auch die Einsatzzeiten des Spielers abzunehmen. „Quälix“ konnte mit den Fähigkeiten des Brasilianers nicht wirklich viel anfangen. Trotzdem konnte sich der Spieler über das Double in der Saison 2004/2005 sowie 2005/2006 freuen. Nach dem Ablauf der Saison 2005/2006 wurde sein auslaufender Vertrag nicht verlängert – es war Zeit für eine Rückkehr in die Heimat.

Der FC Santos sollte die nächste Station sein – und dort erfand sich der Spieler komplett neu. Bei dem brasilianischen Klub spielte er vornehmlich im zentralen Mittelfeld und zeigte herausragende Leistungen. Zu seiner sowieso unglaublichen Technik gesellte sich auch eine vorher nicht für möglich gehaltene Zweikampfstärke. In München musste derweil Magath seinen Posten räumen, Hitzfeld kehrte zurück. Die Münchener verpassten trotzdem die Champions League und rüsteten sich für einen großen Transfersommer: Es kam unter anderem Franck Ribery, Luca Toni und Miroslav Klose. Still und heimlich wurde auch Zé Roberto zurückgeholt.

(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images)

Das Sturmduo „Kloni“ traf, Ribery wurde in Rekordzeit zum absoluten Publikumsliebling; für viele war jedoch der Rückkehrer der herausragende Spieler in der Saison 2007/2008. Mit Mark Van Bommel bildete er eine ausgewogene Doppelsechs, im Laufe der Saison wurde der mittlerweile 33-Jährige gar als „der beste Zé Roberto aller Zeiten“ bezeichnet. Am Ende stand ein weiterer Double-Gewinn.

Nach dem Katastrophen-Jahr 2008/2009 unter Jürgen Klinsmann – in welchem der Brasilianer dennoch kaum einen merkbaren Leistungsabfall hatte – wurde sein Vertrag erneut nicht verlängert, der Verein bevorzugte unter Louis Van Gaal eine jüngere Grundausrichtung.

 

Leistungsträger beim HSV, Rückkehr in die Heimat

Dass der Edeltechniker auch mit 35 Jahren noch kein Auslaufmodell darstellte, bewies er ab der Saison 2009/2010 beim Hamburger Sport-Verein. Auch dort wurde er in der Zentrale schnell zum absoluten Fixpunkt, sechs eigene Treffer und weitere sieben Assists untermauern dies eindrucksvoll. Der HSV erlebte in besagter Saison wohl die beste Runde bis zum heutigen Tag, in der Vorrunde galt man als temporärer Tabellenführer gar als Kandidat für den Titel. Nach schwacher Rückrunde sprang am Ende nur der siebte Platz raus.

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

In der Saison 2010/2011 spielte Zé Roberto seine letzte Saison in Deutschland. Abermals überzeugte er mit guten Leistungen und starken Statistiken (ein Treffer/neun Vorlagen) in der Zentrale – und dies mit 36 Jahren. Nach Ablauf seines Kontakts ging es für ein Jahr nach Katar, wo immerhin ein nationaler Pokalsieg raussprang. Mit Sicherheit dürfte es auch dem Kontostand nicht geschadet haben.

Danach folgte eine erneute Rückkehr in die Heimat. Über Gremio Porto Alegre ging es im Januar 2015 zu Palmeiras. Bei seiner letzten Station fand sich der Spieler öfter auf seiner „alten“ Position als Linksverteidiger wieder. Schon im ersten Jahr stellte sich der Wechsel als voller Erfolg heraus: Der brasilianische Pokal konnte gewonnen werden.

Die Krönung gab jedoch es im folgenden Jahr: 2016 feierte der mittlerweile 42-Jährige seine erste Meisterschaft in Brasilien. In seinem Team wirbelte ein gewisser Gabriel Jesus, welcher heute bei Manchester City in der Premier League nach Belieben trifft.

 

Unglaubliche Konstanz

Als Jesus 1997 das Licht der Welt erblickte, zockte Zé Roberto bei der Selecao bereits mit Kalibern wie Ronaldo, Romario und Rivaldo. Dass er dennoch in der Lage war, so lange auf höchsten Niveau mitzuhalten und sich teilweise noch in seinen Mittdreißigern zu verbessern, zeugt von einer unglaublichen Einstellung und Professionalität.

Mancher Beobachter konnte schon in die letzten Bundesliga-Jahren kaum seinen Augen trauen, wenn der gehandelte Oldie nach den Spielen seinen wahnsinnig durchtrainierten Oberkörper zeigte. Vor allem hat es kaum ein Spieler (Torhüter sind hier mals ausgenommen) im modernen Fußball geschafft wirklich bis 43 Jahre in der höchsten Spielklasse des jeweiligen Landes zu spielen.

(Photo by Alexandre Schneider/Getty Images)

Nach 1161 Pflichtspielen ist nun Schluss, seine Entscheidung wirkt dieses Mal unumstößlich:

„Ich habe langsam keine Lust mehr den jüngeren Spielern hinterher zu rennen.“

Darauf haben wohl die wenigsten Lust, wenn man sich dem 45. Lebensjahr nähert. Eine absolute Ikone der Bundesliga tritt damit ab, ein unvergleichlicher Musterprofi, an dem sich jeder junge Spieler hinsichtlich seiner Berufseinstellung orientieren sollte.

Obrigado Zé!

(Photo by VALERY HACHE/AFP/Getty Images)

 

Marius Merck

Eine Autogrammstunde von Fritz Walter weckte die Leidenschaft für diese Sportart, die über eine (“herausragende”) Amateurkarriere bis zur Gründung von 90PLUS führte. Bei seinem erklärten Ziel, endlich ein “Erfolgsfan” zu werden, weiter erfolglos.


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