Champions League Vorschau Gruppe G: Juventus, FC Barcelona, Dynamo Kiew, Ferencvaros

18. Oktober 2020 | Vorschau | BY Christoph Albers

In wenigen Tagen beginnt die Gruppenphase der neuen Saison in der Champions League. In der Gruppe G stehen sich Juventus, der FC Barcelona, Dynamo Kiew und Ferencvaros gegenüber. Wir stellen die Gruppe vor!

  • Pirlos Juventus zeigt zum Saisonstart vielversprechende Ansätze und ist Favorit aus den Gruppensieg
  • Der Umbruch des FC Barcelona ist noch im vollen Gange, Trainer Koeman steht vor vielen Herausforderungen
  • Dynamo Kiew mit vielen vielversprechenden Youngstern, Ferencvaros mit einer Dynamo-Legende auf der Bank

Gruppe A: Bayern, Atletico, Salzburg, Lok. Moskau

Gruppe B: Real Madrid, Shakhtar, Inter, Gladbach

Gruppe C: FC Porto, Manchester City, Olympiakos, Marseille

Gruppe D: Liverpool FC, Ajax, Atalanta, Midtjylland

Gruppe E: FC Sevilla, Chelsea, Krasnodar, Stade Rennais

Gruppe F: Zenit, Dortmund, Lazio, Club Brugge

Juventus Turin: Trotz Barça Favorit auf den Gruppensieg

Der italienische Serienmeister (neun Serie A Titel in Folge) befindet sich, ebenso wie Gruppengegner Barcelona, in einer Phase des Übergangs. Nach fünf Jahren unter Massimiliano Allegri und einem eher unglücklichen Jahr unter Maurizio Sarri, der den Ansprüchen die stolzen Turiner nicht so recht entsprechen konnte, soll es nun Andrea Pirlo (41) gelingen, die nationale Macht auch wieder zu einer internationalen zu formen.Angesichts dessen, dass es sich hierbei um Pirlos ersten Trainerjob handelt und sich auch der Kader im Umbruch befindet, eine große Herausforderung.Nichtsdestotrotz geben die ersten Spiele unter dem 41-jährigen durchaus Anlass zur Hoffnung, dass er dieser Aufgabe gewachsen ist. 

Unter Pirlo spielt Juventus bisher zumeist aus einer 3-4-2-1-Grundordnung heraus, die als Ausdruck seiner Spielidee verstanden werden darf. Die drei Innenverteidiger sollen, gemeinsam mit dem Torwart, eine Überzahlsituation im Spielaufbau herstellen, sodass es dem Gegner schwerfallen wird zu pressen, ohne dass sich die „Bianconeri“ mit einem einfachen Pass befreien können.

(Photo by GIOVANNI ISOLINO/AFP via Getty Images)

Der Aufbau soll vornehmlich zentral ausgerichtet sein, mit kurzen, flachen Pässen erfolgen und im zentralen Mittelfeld münden. Die zentralen Mittelfeldspieler sind wiederum dazu angehalten sich hinter der ersten Verteidigungslinie des Gegners aufzuhalten und stets anspielbar zu sein, um den Ball von dort zu verteilen. Die Außenbahnspieler halten unterdessen stets die volle Breite, um den Gegner auseinander zu ziehen und Platz im Zentrum zu schaffen oder um selbst angespielt zu werden, falls der Gegner sich auf das Zentrum versteift. Mit Juan Cuadrado (32) und den beiden Neuzugängen Dejan Kulusevski (20) und Federico Chiesa (22) hat er für diese Positionen auch gleiche mehrere gute Optionen. 

Vielversprechende Ansätze und offene Fragen

Ganz vorne ist Juventus sehr variabel – mal lässt Pirlo mit zwei Halbraumspielern und einem Stürmer spielen und mal mit einem „Zehner“ und zwei Stürmern. Wichtig scheint ihm hierbei vor allem zu sein, dass stets zwei Spieler zwischen den Linien anspielbar sind, während ein Stürmer die Innenverteidigung in der Tiefe bindet, um Platz zu schaffen. Ohnehin geht es in Pirlos Spielidee stets darum, den Gegner mit Flexibilität und guten Läufen auseinander zu ziehen und Platz im „Zehnerraum“ und in den Halbräumen zu schaffen, um von dort gefährlich zu werden. Mit Cristiano Ronaldo (35), Federico Bernardeschi (26), Aaron Ramsey (29), Paulo Dybala (26) und Alvaro Morata (27) verfügt er in jedem Fall über eine illustre Auswahl für diese drei Offensivpositionen, die es ihm erlaubt auch gegnerabhängig eine geeignete Auswahl zu treffen.

Angesichts der geringen Stichprobengröße und der bisherigen Spielverläufe, bleiben zwar noch Fragen bezüglich des Defensivkonzepts zurück, doch zumindest die individuelle Qualität, die der Kader auch in der Defensive zu bieten hat, spricht dafür, dass hier mehr Potenzial als Risiko verborgen ist. Ebenso fraglich ist es, ob Pirlo als Trainer schon den Größten seines Faches gewachsen ist, in den Spielen, in denen es darauf ankommt, doch das wird man wohl erst im weiteren Turnierverlauf sehen. Die Gruppenphase dürften die „Bianconeri“ problemlos überstehen und könnten dabei zu einem der interessantesten Teams des Turniers werden.

(Photo by MIGUEL MEDINA/AFP via Getty Images)

FC Barcelona: Der Umbruch hinterlässt Spuren

Auch der FC Barcelona geht mit einem neuen Trainer, Ronald Koeman (57), in die neue Saison. Doch eine vergleichbare Euphorie, wie sie bei der Ernennung von Pirlo in Turin zu spüren war, blieb aus. Dafür ist in den vergangenen Monaten auch einfach viel passiert: Die (innerhalb der Mannschaft) höchst umstrittene Entlassung von Ernesto Valverde, die Ernennung des (im Rückblick) völlig überforderten Quique Setien als Trainer, das Versagen in in der Supercopa, in der Copa del Rey und in La Liga, noch übertroffen vom blamablen Ausscheiden in der Champions League gegen den FC Bayern München, Barça-Gate, die schlechten Finanzergebnisse, das Theater um Lionel Messi (33), unrühmliche Abgänge verdienter Spieler und die ständige Unruhe rund um die anstehenden Präsidentschaftswahlen. Und das ist noch nicht mal alles.

(Photo by RAFAEL MARCHANTE/POOL/AFP via Getty Images)

Koeman hat es also beileibe nicht leicht und doch versucht der 57-Jährige, der für diese Aufgabe die Chance auf die EM-Teilnahme mit den Niederlanden aufgab, den Klub, der im Sommer am Boden zu liegen schien, mit aller Macht wieder auf die Beine zu helfen. Dabei scheut Koeman, der als Spieler zur Barça-Legende wurde, auch keine unpopulären Entscheidungen. Er stellte die Grundformation vom klassischen 4-3-3, das so viele Jahre als unantastbar galt, auf ein 4-2-3-1 um, mit dem klaren Ziel vier echte Offensivspieler auf den Platz zu bringen. Messi, der zumeist vorderste Spitze beginnt, hat alle Freiheiten und bekommt mit Philippe Coutinho (28) kreative Unterstützung. Diese Entscheidungen sind Beispiele für ein Prinzip, dass Koeman bei all seinen Stationen immer umzusetzen versucht: Spieler müssen in der Rolle bzw. auf der Position spielen, in der sie am stärksten sind.

Teure Sorgenkinder

In diesem Sinne soll die Umstellung auch seinem Landsmann Frenkie de Jong (23) zugutekommen, der nun etwas tiefer spielt und sich die Bälle aus der Defensive abholen soll, wie er es zuvor bei Ajax Amsterdam oder in der Nationalmannschaft getan hat. Unter Valverde und Setien wurde er meist deutlich offensiver eingesetzt, was ihm nicht wirklich dabei half zu seinen Stärken zu finden. Dabei will ihm Koeman nun helfen – bisher allerdings mit eher bescheidenem Erfolg. Das zweite große „Sorgenkind“ ist und bleibt Antoine Griezmann (29). Er wurde von Koeman bisher zumeist auf der rechten Außenbahn eingesetzt, mit der ausdrücklichen Erlaubnis nach innen zu ziehen.

Eine ähnliche Rolle hat er auch schon mal unter Diego Simeone bei Atletico Madrid gespielt, mit ungleich größerem Erfolg. Der Saisonstart verlief für den Franzosen höchst unglücklich und langsam, aber sicher muss er sich auch Sorgen machen, schließlich bekommt er Druck von hinten. Nicht von Youngster Ansu Fati, der herausragend in die neue Saison startete und längst fester Bestandteil der Startelf und Hoffnungsträger ist, aber von den Neuzugängen Trincão (20), Pedri (17) und Ousmane Dembele (23), der auch endlich wieder eine Option ist.

Verjüngungskur beim FC Barcelona

Insbesondere Fati, Pedri und Trincão stehen für den angestrebten Verjüngungskurs, ebenso wie Ronald Araujo (21) und Neuzugang Sergiño Dest (19), der endlich auch mal jüngere Alternativen für die Viererkette darstellen, die zu Saisonbeginn noch unverändert daherkam. Miralem Pjanic (32) passt zwar nicht dazu, doch sein Transfer lässt sich vor allem mit den finanziellen Zwängen des Klubs erklären, was aber nicht heißen soll, dass er keine Bereicherung für die Mannschaft wäre. Er könnte zu einer wertvollen Alternative zu den zuletzt schwächelnden Busquets (32) und de Jong werden.

Insgesamt hat sich das Spiel der Katalanen nicht allzu sehr verändert, auch wenn sie wieder etwas zielstrebiger unterwegs sind und öfter und intensiver pressen als noch in der Vorsaison, doch es gibt Hoffnung, dass man wieder etwas mehr von dem alten Barça sehen kann. Zu den Turnierfavoriten zählen sie auf jeden Fall nicht, dafür liegt noch zu viel im Argen, doch für den Einzug in die nächste Runde sollte es auf jeden Fall reichen.

(Photo by David Ramos/Getty Images)

Dynamo Kiew – Lucescu und die jungen Wilden

Nach drei Jahren der Abwesenheit, kehrt Dynamo Kiew in dieser Saison in die „Königsklasse“ zurück. Der Vorjahres-Zweite der ukrainischen Premier Liga hat sich in der Qualifikation gegen AZ Alkmaar und KAA Gent durchgesetzt und damit durchaus für eine Überraschung gesorgt, was aber nicht heißen soll, dass Kiew nicht auch höchst interessant ist.

Der prominenteste Name ist sicherlich auf der Trainerbank zu finden: Mircea Lucescu. Der 75-jährige Rumäne trainierte 12 Jahre lang Shakthar, Dynamos großen Widersacher, und sorgte mit der Mannschaft aus dem Donbass auch international für Aufsehen. Nach Stationen bei Zenit St. Petersburg und der türkischen Nationalmannschaft, kehrte er in diesem Sommer in die Ukraine zurück. Seine Ernennung erregte zunächst einigen Unmut bei den eigenen Fans, was dazu führte, dass es schon nach vier (!) Tagen Gerüchte gab, dass Lucescu zurückgetreten sei, doch dieser Unmut dürfte sich inzwischen etwas gelegt haben. Die souveräne Qualifikation für die Champions League und der formidable Saisonstart (11 Punkte aus fünf Spielen vor der Länderspielpause, Platz 1) sprechen für sich und rund um den Klub wächst die Hoffnung, dass Lucescu die erste Meisterschaft seit 2016 in die Hauptstadt holen könnte.

Eine halbe Nationalmannschaft

Und auch der Blick auf die Mannschaft ist, in Kombination mit Lucescus Ruf als hervorragender Entwicklungsförderer, äußerst vielversprechend. Mit den Verteidigern Ilya Zabarnyi (18), Vitaly Mykolenko (21), Rechtsaußen Viktor Tsygankov (22) und Vladyslav Supryaga (20) verfügt Kiew über eben jene Talente, denen zugetraut wird, dass sie auch die Nationalmannschaft auf Jahre prägen können – Nationalspieler sind sie natürlich alle schon. Doch damit nicht genug, auch Innenverteidiger Denys Popov (21) und „Zehner“ Mykola Shaparenko (22) sind bereits in ihren jungen Jahren in den Kreis der ukrainischen Nationalmannschaft gestoßen und zählen zum Stamm Dynamos, ebenso wie die etablierten Nationalspieler Georgiy Bushchan (26), Sergiy Sydorchuk (29) und Vitaliy Buyalskyi (27). 

Mit anderen Worten: Dynamo Kiew stellte die halbe Mannschaft, die erst kürzlich die spanische Nationalmannschaft mit 1:0 besiegte. Man sollte sie also keineswegs unterschätzen, auch wenn es in Gruppe G wohl nur zu Platz 3 reichen kann.

(Photo by JASPER JACOBS/BELGA MAG/AFP via Getty Images)

Ferencvaros – Außenseiter mit ukrainischem Einfluss

Auch der ungarische Meister, der sich erst zum zweiten Mal, nach der ersten Teilnahme in der Saison 1995/96, für die Gruppenphase der Champions League qualifizieren konnte, setzt auf ukrainischen Einfluss. Allen voran ist damit natürlich Trainer Sergiy Rebrov gemeint, der 75 Spiele für die ukrainische Nationalmannschaft absolvierte und eine absolute Legende Dynamo Kiews ist. Er spielte zwischen 1992 und 2000, sowie zwischen 2005 und 2008 für den Dynamo und war zudem zwischen 2009 und 2017 als Trainer bzw. Co-Trainer in verschiedenen Funktionen (u.a. drei Jahre als Cheftrainer) tätig. Für ihn wird es also in erster Linie ein schönes Wiedersehen mit seiner großen Liebe.

Ansonsten wird für seine Mannschaft wohl auch nicht allzu viel zu holen sein. Ferencvaros geht als großer Außenseiter in die Gruppe – trotz des tollen Laufs in der Qualifikation, in der man Djurgarden, Celtic, Dinamo Zagreb und Molde ausschalten konnte. 

Die Mannschaft besteht im Wesentlichen aus „No-Names“ von denen aber insbesondere Linksaußen Tokmac Chol Nguen (26) heraussticht. Der norwegische Nationalspieler mit kenianischen Wurzeln ist mit sieben Toren und zwei Assists hervorragend in die Saison gestartet und entschied sowohl das Duell mit Durgarden als auch das mit Celtic zugunsten der Ungarn. Ansonsten ist vor allem auf den Brasilianer Isael (32), Kapitän und Rechtsverteidiger Gergö Lovrencsics (32), Rekord-Neuzugang Myrto Uzuni (25, kam für 1,8 Millionen Euro von Lokomotiva Zagreb) und die beiden Ukrainer Igor Kharatin und Oleksandr Zubkov (24) zu verweisen, während den Bundesliga-Fans vor allem Robert Mak (29), der allerdings eher Ergänzungsspieler ist, ein Begriff sein dürfte. 

(Photo by Ian MacNicol/Getty Images)

Prognose

Die Gruppenkonstellation legt einen sehr vorhersehbaren Ausgang nahe. Juventus und der FC Barcelona dürften relativ problemlos in die nächste Runde einziehen, wobei es vor allem darum gehen wird, wer sich den Gruppensieg sichert, während Kiew klarer Favorit auf Platz 3 ist und Ferencvaros nur der letzte Platz übrigbleiben dürfte.

(Photo by BEN STANSALL/AFP via Getty Images)

Christoph Albers

Cruyff-Jünger und Taktik-Liebhaber. Mag präzise Schnittstellen-Pässe, schwarze Leder-Fußballschuhe, Retro-Trikots und hat einen unerklärlichen Hang zu Fußball-Finanzen. Seit 2016 bei 90PLUS.


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