EL | Eintracht vs. Basel: Duell der Schwächelnden

12. März 2020 | Vorschau | BY Victor Catalina

Am Donnerstagabend empfängt Eintracht Frankfurt den FC Basel im Achtelfinal-Hinspiel der Europa League. Zuletzt lieferte die Eintracht gerade in Pokalwettbewerben starke Auftritte. Die Spielpraxis könnte ein Vorteil sein. Vorab sprachen wir mit Alexander Bonengel (Sky Sport News HD), um auf das Duell vorauszublicken.

Anpfiff der Partie ist am Donnerstag um 18.55 Uhr, live auf DAZN (Registriere dich jetzt auf DAZN und erhalte einen Gratismonat).

Eintracht Frankfurt: Die schwere Zeit nach der Büffelherde

Noch letztes Jahr war Eintracht Frankfurt die Mannschaft der Stunde in der Europa League. Mit Donezk, Inter und Benfica setzten sie sich gleich gegen drei Absteiger aus der Champions League durch. Vergleicht man dazu noch die Auftritte von Frankfurt und Arsenal im Finale gegen Chelsea, kommt man zu dem Schluss, dass diese Mannschaft durchaus Titelpotenzial besaß und auch im Finale alles andere als chancenlos gewesen wäre.

(Photo by Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Ein Jahr später sieht die Realität etwas anders aus. In der Bundesliga steht Frankfurt nur auf Platz zwölf, der Relegationsplatz ist näher als Europa. Aber: In den Pokalwettbewerben liefert die Eintracht weiterhin zuverlässig. Im DFB-Pokal haben sie sich gegen RB Leipzig durchgesetzt und stehen im Halbfinale. Die Ergebnisse in der Europa League lesen sich nicht zwingend schlechter: 2:1 im Emirates, 4:1 gegen Salzburg, Achtelfinale erreicht. Wie aber lässt sich diese Diskrepanz zwischen der Liga – in der man unter anderem in Dortmund und Leverkusen 0:4 verlor – und den Pokalwettbewerben erklären?

Wir haben Sky-Reporter Alexander Bonengel gefragt:

Womöglich aber hat es damit zu tun, dass diese Mannschaft mit den Erfolgen der letzten Jahre so etwas wie eine Pokal-Mentalität entwickelt hat. Die Spieler wissen, dass es mit relativ wenigen Spielen möglich ist, sehr viel zu erreichen. Sie wirken in den Pokalwettbewerben das Quäntchen konzentrierter und entschlossener, während sich in der Bundesliga immer wieder Konzentrationsfehler einschleichen, die in dieser Häufigkeit in den Pokalwettbewerben nicht auftauchen. Geradezu erschreckend ist, wie schwach die Eintracht auswärts Auftritt. Zudem fehlt in der Bundesliga das große Ziel, denn der Anschluss nach oben ist längst verpasst. Ich könnte mir vorstellen, dass so etwas zumindest im Unterbewusstsein eine Rolle spielt.

Zumal die Pokalwettbewerbe Frankfurts letzte Chance sind, noch ein Europa-Ticket zu ergattern. Der Rückstand auf die sechstplatzierten Schalker beträgt neun Spieltage vor Saisonende neun Punkte. Das noch aufzuholen, wird schwer bis unmöglich.

(Photo by Jörg Schüler/Bongarts/Getty Images)

Fehlende offensive Variabilität als Grund für Frankfurter Sorgen

Was den Frankfurtern besonders abgeht, ist ihre offensive Unberechenbarkeit. Mit Ante Rebic, Luka Jovic und Sebastien Haller hatten sie eine extrem variable Offensive, die sich in ihren Fähigkeiten auch noch perfekt ergänze. Jeder der drei konnte durch die Mitte kommen, eine tödliche Flanke schlagen, den entscheidenden Pass spielen – oder eben selbst vollstrecken. Im Sommer mussten sie alle drei ziehen lassen. Rebic ist im Moment Milans Mann der Stunde, Haller versucht nach Startschwierigkeiten mit West Ham den Abstieg in die Championship zu verhindern. Luka Jovic hat seinen Platz bei Real Madrid dagegen noch nicht gefunden.

Als Ersatz haben die Frankfurter André Silva und Bas Dost verpflichtet. Damit haben sie zwar wieder drei Stürmer, die allerdings eher klassische Neuner sind und sich in ihren Fähigkeiten weitestgehend überlappen. Einzig Bas Dost fällt mit seinen höheren Taktik- und Defensivwerten etwas aus der Reihe.

Goncalo Paciencia (grün) vs. Bas Dost (blau)
André Silva (grün) vs. Bas Dost (blau)
Paciencia Eintracht
André Silva (grün) vs. Goncalo Paciencia (blau)

Alex Bonengel spricht noch einen weiteren interessanten Punkt an: „Die Eintracht hat mit ihnen Tempo, Spielwitz, Wucht, Unberechenbarkeit und Effektivität verloren. Zwar hatten sowohl Paciencia als auch Dost und Silva immer wieder starke Phasen, in denen sie ihr Potential gezeigt haben, eine komplette Offensive in Topform gab es aber nie. Das hatte nicht zuletzt auch mit Verletzungspech zu tun. Jovic und Haller, mit Abstrichen auch Rebic, waren dagegen bei der Eintracht allesamt gleichzeitig auf der Höhe ihres Schaffens.“

FC Basel: Der entthronte Serienmeister

Was der FCB der Bundesliga im Begriff ist zu erreichen, hat der FCB der Super League schon vor einigen Jahren vollendet: Zwischen 2010 und 2017 gewann der FC Basel acht Meisterschaften in Folge. Und dann kamen die Young Boys Bern auf, mit einem gewissen Adi Hütter als Trainer und setzten der Baseler Hegemonie kurzerhand ein Ende. Mit 15 Punkten Vorsprung vor Basel wurde YB 2018 Schweizer Meister. Davon haben sie sich bis heute nicht erholt. Auch letzte Saison ging die Meisterschaft in die Hauptstadt. Hütters Nachfolger Gerry Seoane hat den Vorsprung sogar nochmal um fünf Punkte überboten. Man stelle sich nur mal die Zustände in München vor, würde Borussia Dortmund oder RB Leipzig Ähnliches gelingen.

Momentan pausiert die Schweizer Super League aufgrund des Coronavirus. Nach 23 Spielen steht die Mannschaft von Marcel Koller zwar nur auf Rang drei, die Meisterchancen sind mit fünf Punkten Rückstand auf Spitzenreiter St. Gallen und YB aber noch einigermaßen gegeben.

(Photo by FABRICE COFFRINI/AFP via Getty Images)

Genau dieser Absturz wird Basel aber zum Verhängnis. Waren sie früher noch in den oberen Stockwerken der europäischen Wettbewerbe vertreten, so bleibt der Aufzug zunehmend weiter unten stehen. So wird es immer schwerer, Toptalente zu finden und zu halten. 2013 erreichten sie das Halbfinale der Europa League, wie Eintracht Frankfurt. Damals schieden sie gegen den späteren Titelgewinner FC Chelsea aus, wie – genau.

Auf dem Flügel der Baseler wirbelte damals ein gewisser Mohamed Salah und im Tor stand Yann Sommer. Eine weitere illustre Auswahl von Namen, die den St. Jakob-Park ihr Heimstadion genannt haben: Ivan Rakitic, Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri, Alex Frei, David Abraham oder Manuel Akanji. Mit Ausnahme von Salah haben sie alle eine Gemeinsamkeit: Eine Vergangenheit – oder Gegenwart – in der Bundesliga. Das, zusammen mit den starken Bernern sorgt dafür, dass Basels Glanz vergangener Tage nicht nur bröckelt, sondern Stück für Stück abblättert.

Basel und Frankfurt: ligaschwach und pokalstark

Es gibt noch eine Parallele zwischen den beiden Mannschaften: So sehr sie ihre Ambitionen in der Liga unterbieten, so stark sind sie in den Pokalwettbewerben. Auch der Schweizer Cup pausiert momentan wegen Corona, trotzdem steht Basel im Viertelfinale. Ach ja: Titelverteidiger sind sie auch. In der Europa League haben sie sich zudem zweimal gegen das in dieser Saison nicht gerade schwache Getafe durchgesetzt und die Gruppe gewonnen. Im Sechzehntelfinale eliminierten sie APOEL Nikosia über zwei Spiele 4:0.

(Photo by FABRICE COFFRINI/AFP via Getty Images)

Nach wie vor setzt Basel auf viele junge Spieler, das Durchschnittsalter der Mannschaft liegt bei 23,2 Jahren. Der Ex-Stuttgarter Zdravko Kuzmanovic ist mit seinen 32 Jahren der Herbergsvater. Zumeist tritt der FC Basel entweder im 4-1-4-1 oder im 4-2-3-1 auf. Taulant Xhaka und Luca Zuffi heißen die Dirigenten im Mittelfeld, davor wird der Ex-Mainzer Fabian Frei von Kevin Bua, Raoul Petretta oder Edon Zhegrova flankiert. Im Sturm ist der Brasilianer Arthur Cabral gesetzt. Bonengel sieht in Basel keine große Gefahr für Frankfurt: Sollte die Eintracht aber die bisherige Europa League-Form annähernd bestätigen, sollte Basel kein allzu großer Stolperstein sein.“

Es gibt andere Punkte, die beide zum Stolpern bringen könnten. Und zwar die Sicherheitsmaßnahmen wegen Corona. Dadurch, dass die Super League pausiert, hat der FC Basel seit dem 27. Februar kein Pflichtspiel mehr bestritten. Die Spielpraxis wird ihnen fehlen. Für die Frankfurter sind es die Geisterspiele, die zum Schutz der Allgemeinheit abgehalten werden. Bonengel: „Die Eintracht lebt wie kaum eine andere Mannschaft auf europäischer Ebene von ihren Fans und deren Unterstützung. Sollten die KO Spiele tatsächlich vor leeren Rängen stattfinden, würde das die Eintracht womöglich härter treffen als die meisten anderen.“ Seit Mittwoch ist das Gewissheit, am Donnerstag wird das Hinspiel zwischen der Eintracht und Basel ohne Zuschauer stattfinden.

Prognose

Ja, Basel hat viele junge Spieler und auch viele talentierte Spieler. Für die Eintracht wird es darum gehen, die Europa-League-Form zu halten. Es wird natürlich eine große Umstellung sein, ohne Fans zu spielen. Aber die Qualität, um gegen Basel zu bestehen, hat die Eintracht allemal.

Bonengel geht sogar noch einen Schritt weiter: „Trotz der Schwächephasen in der Bundesliga halte ich Frankfurt für eine Mannschaft die, sofern sie ihr Potenzial vollständig abrufen kann, praktisch jede Mannschaft schlagen kann. Das traue ich ihr auch in dieser Europa League-Saison zu.“

(Photo by KRUGFOTO/APA/AFP via Getty Images)

Mögliche Aufstellungen

Basel hat im Moment einige Verletzungssorgen. Jasper van der Werff, Luca Zuffi, Zdravko Kuzmanovic, Kevin Bua und Ricky van Wolfswinkel können nicht spielen. Dadurch kommt dem FC Basel einiges an individueller Qualität abhanden. Im Sturm wird es wohl wieder auf Arthur Cabral hinauslaufen. Für Kevin Bua kann Raoul Petretta einen Ganztonschritt nach vorne rücken. Fabian Frei könnte die Doppelsechs mit Taulant Xhaka bilden.

Bei der Eintracht sieht die Personallage etwas entspannter aus. Lucas Torro, Gelson Fernandes und Bas Dost fehlen, aber gerade offensiv hat Frankfurt genug Handlungsspielraum. André Silva oder Goncalo Paciencia könnten auf der Neun spielen, Sebastian Rode, Stefan Ilsanker oder Djibril Sow könnten für Fernandes einspringen.

Eintracht Frankfurt: Trapp – Ndicka, Hinteregger, Abraham, Touré – Sow, Ilsanker – Kostic, Kamada, Chandler – André Silva

FC Basel: Omlin – Riveros, Alderete, Cömert, Widmer – F. Frei, T. Xhaka – Petretta, Campo, Stocker, Arthur Cabral

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(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images)

Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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