Real Madrid wartet: Die vorerst letzte CL-Chance für ManCity?

26. Februar 2020 | Champions League | BY Damian Ozako

Vorschau | Dieses Jahr können sich die Fans über vielversprechende Duelle im Achtelfinale der Champions League freuen und heute Abend steht ein besonders heiß erwartetes Duell an: Rekordsieger Real Madrid empfängt das in Europa glücklose Manchester City. Für die Engländer könnte es die vorerst letzte Chance auf den CL-Titel sein. Wir haben nun auch eine Expertenstimme dazugeholt: RealTotal-Chefredakteur Nils Kern.

Anstoß der Partie ist um 21 Uhr. Das Spiel ist Live bei Sky zu sehen.

Real Madrid

Nachdem die Königlichen eine enttäuschende letzte Saison erlebten und in der Champions League krachend an Ajax Amsterdam scheiterten (1:4 im Santiago Bernabéu verloren), sollte in dieser Spielzeit alles besser werden. Ende Februar kann man sagen: Im Großen und Ganzen gelang das. Zidane hat seine Mannschaft deutlich stabilisieren und auch innerhalb der Saison Fortschritte erzielen können. In der Liga befindet man sich im Gegensatz zum letzten Jahr in einem engen Titelrennen und liegt nur zwei Punkte hinter dem FC Barcelona, den man am Sonntag empfängt. Die Supercopa konnte man gewinnen, aber in der Copa Del Rey flog Madrid überraschenderweise gegen Real Sociedad raus. 

In der Champions League traf man in der Gruppe A auf PSG, Brügge und Galatasaray. Zum Auftakt gab es eine deftige 0:3-Klatsche in Paris, die Franzosen waren den Königlichen in allen Belangen überlegen. Danach egalisierte man im Bernabéu einen 0:2-Rückstand gegen Brügge, was dennoch ein unakzeptables Ergebnis für die Spanier war. Doch, wie schon in der Liga, fing man sich nach einem schwachen Start wieder und holte die nötigen Ergebnisse für einen Einzug ins Achtelfinale. Nach drei Siegen gegen Galatasaray und Brügge empfing man PSG, das bereits als Gruppenerster qualifiziert war. Trotz drückender Überlegenheit verspielte Real eine 2:0-Führung und trennte sich mit einem Unentschieden vom französischen Meister. Die Leistung stimmte allerdings im Vergleich zum Hinspiel. 

(Photo by David Ramos/Getty Images)

Real Madrid: Leichter Umbruch

Zinedine Zidane lässt seine Mannschaft zumeist in einem 4-3-3 auflaufen und hat in dieser Saison den dringend benötigten Umbruch zumindest ein Stück weit bereits umgesetzt. Im Mittelfeld kommt mittlerweile häufig Fede Valverde zum Einsatz, der einen enormen Entwicklungsschritt machen konnte. Der Uruguayer hat sich in dieser Saison ins Rampenlicht gespielt und gilt als ein Versprechen für die Zukunft. In den Topspielen setzte Zidane stets auf den 21-Jährigen. Je nach Ausrichtung verzichtet er sogar lieber auf Altstar Luka Modric, der mit seinen 34 Jahren nicht mehr so konstant wie in den vergangenen Jahren brilliert. 

Auf der Position des Linksverteidigers deutet sich ebenfalls eine Wachablösung an: Marcelo, der seit Jahren eine der prägenden Persönlichkeiten des Vereins ist und den man guten Gewissens als Real-Legende bezeichnen kann, muss zunehmend für Neuzugang Ferland Mendy weichen. Der 24-Jährige Franzose, der im vergangenen Sommer von Olympique Lyon kam, hat seine verletzungsbedingten Startschwierigkeiten überwunden und bereichert die Mannschaft enorm. Wenn man über die besten Linksverteidiger der Welt spricht, ist Mendy aktuell definitiv auch in der Verlosung. Vor allem seine Balance spricht für ihn, defensiv ist er jederzeit auf der Höhe.

(Photo by OSCAR DEL POZO/AFP via Getty Images)

Defensive überragt – Probleme in der Offensive

Generell lässt Real Madrid nur wenig zu. Der spanische Rekordmeister kassierte in der Liga nur 17 Gegentore. In den Topligen Europas kann nur Liverpool eine bessere Statistik vorweisen. Wenn die Mannschaft in Bestbesetzung antritt, ist sie extrem schwierig auszuhebeln. Madrid kann sowohl früh pressen und den Gegner über den Platz jagen, als auch in einem tiefen Block die Gegenangriffe stoppen. Die Defensive der Madrilenen rund um Kapitän Ramos und seinem Innenverteidiger-Kollegen Varane ist absolut titelreif. Die Konstanz, die die Hintermannschaft entwickelt hat, sucht ihresgleichen in Europa. 

Das kann man von der Offensive nicht behaupten. Toptorjäger ist wenig überraschend Karim Benzema. Der Franzose spielte vor allem in der Hinrunde phasenweise hervorragend und traf konstant. Bis zum Jahresende erzielte er 16 Tore, um danach in ein Leistungstief zu rutschen. In diesem Jahr netzte er nur zweimal ein und ließ einige Hochkaräter liegen. Formtiefs sind normal, aber sie tun besonders dann weh, wenn die Mannschaft auf die Dienste eines Spielers angewiesen sind. Das ist bei Real Madrid und Benzema der Fall. Der torgefährlichste Spieler nach dem Stürmer ist Ramos mit fünf Ligatoren. Davon waren drei Elfmeter. 

Real Madrid: Wer soll die Tore schießen?

Den Madrilenen fehlt vorne die Durchschlagskraft. Man hat sich insbesondere von Neuzugang Eden Hazard erhofft, dass dieser für viele weitere Tore sorgen wird, aber der Belgier hat mit enormen Verletzungsproblemen zu kämpfen. Der 29-Jährige kam erst zu 15 Pflichtspieleinsätzen und erzielte nur einen Treffer dabei. Am Wochenende verletzte er sich gegen UD Levante erneut und fällt erst einmal wieder aus. Gareth Bale, der in der Regel ebenfalls für Tore sorgen kann, fehlte zuletzt ebenfalls und traf wettbewerbsübergreifend erst dreimal in dieser Spielzeit. Er wird aber im Kader stehen. Neuzugang Luka Jovic, der von Eintracht Frankfurt kam, befindet sich noch immer in der Akklimatisierungsphase.

(Photo by Juan Manuel Serrano Arce/Getty Images)

Real Madrid ist dieser Tage zwar weit davon entfernt sich in einer Krise zu befinden, aber ein Statement gegen Manchester City wäre enorm hilfreich. Wie abgezockt die Zidane-Elf sein kann, bewiesen sie erst vor wenigen Wochen in der Supercopa, die man gegen Atlético Madrid gewann. Gut möglich ist es vor dem Spiel gegen Man. City, dass Real auch vom 4-3-3 abweicht und ein 4-4-2 mit Raute oder ein 4-5-1 aufbietet, um mehr Kontrolle im Mittelfeld zu bekommen. Die Königlichen sind sich nicht zu schade, um sich anderen Gegnern anzupassen und gegen Manchester City könnte dies wieder der Fall sein. 

Manchester City

Für Manchester City verläuft die Saison ziemlich merkwürdig. Im Carabao Cup ist man ins Finale eingezogen, auch im FA-Cup spielt die Guardiola-Elf noch eine Rolle, aber in der Liga ist der dritte Titel in Folge schon seit Wochen quasi abgehakt. Derzeit liegt City 23 Punkte hinter Liverpool, das nicht zu stoppen ist. Das überschattet die Saison der Guardiola-Elf deutlich. Der Fokus liegt nun voll auf der Champions League. Manchester ist in den letzten Jahren immer und immer wieder überraschend in der Königsklasse gescheitert. Letzte Saison war nach einem dramatischen 4:3-Sieg im Viertelfinal-Rückspiel gegen Tottenham Schluss. Die Spurs zogen aufgrund der Auswärtstorregel ins Halbfinale ein. 

Diese Saison lief es in Europa bis jetzt genauso ab wie in den vergangenen Jahren. Die Gruppenphase stellte gar kein Problem dar für die Citizens. Man bekam es mit Shakhtar Donetsk, Dinamo Zagreb und Atalanta Bergamo zu tun. Bis auf zwei Unentschieden gewann man alle Spiele und zog als Gruppenerster ins Achtelfinale ein. Mit Real Madrid bekam Man. City den wohl undankbarsten Gegner zugelost. An den Königlichen scheiterten die Briten 2016 knapp im Halbfinale (0:1 nach Hin- und Rückspiel). Bis heute ist der Einzug ins Halbfinale der größte Erfolg der CL-Historie des Vereins. 

(Photo by David Ramos/Getty Images)

ManCity: Extra Motivation durch Sperre?

Und diesen könnten sie vermutlich erst einmal nur noch diese Saison toppen. Denn aufgrund von Verstößen gegen das Financial Fairplay und UEFA Club Licensing wurde ManCity für die kommenden zwei Spielzeiten von allen UEFA-Klubwettbewerben und somit auch der Champions League ausgeschlossen. Dazu kommt noch eine Geldstrafe in Höhe von 30 Mio. Euro. Vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS wird der Verein das Urteil zwar anfechten, aber das Szenario einer schwerwiegenden Strafe ist realer denn je. Für Manchester City hat die Königsklasse dadurch einen noch höheren Stellenwert bekommen. Der Ligatitel ist weg und die nationalen Pokalwettbewerbe werden den Ambitionen des Klubs kaum reichen.

ManCity: Überzeugende Leistungen, „durchwachsene“ Ergebnisse

Blickt man rüber nach England ist die Premier League auf den ersten Blick eine langweilige Liga, was den Titelkampf angeht, denn Liverpool marschiert durch die Liga. ManCity hingegen strauchelte diese Spielzeit schon mehrfach. Nachdem man in der vergangenen Saison mit einem Punkt Vorsprung den Titel holte, verlor man früh den Anschluss an die Reds. Nach 27 Spieltagen hat die Guardiola-Elf bereits sechs Niederlagen gesammelt. Dazu kommen noch drei Unentschieden. Beides Werte, die City nicht einmal am Ende der letzten Saison hatte (nur zwei Remis und vier Niederlagen). Man könnte meinen, dass der Meister einfach eine schlechtere Saison spielt, aber das stimmt nicht einmal wirklich. 

Ein Blick auf die Statistiken von Understat.com verrät, dass Manchester City deutlich besser spielt, als es die Tabelle wiederspiegelt. Laut des Unternehmens leidet City unter chronischer Underperformance. Man hätte mehr Tore schießen, weniger Gegentreffer kassieren und mehr Punkte einfahren müssen. In der xPTS-Tabelle liegen die Citizens sogar deutlich vor Liverpool, das knapp 21 Punkte über dem xPTS-Wert liegt. Natürlich ist es fraglich inwiefern man auf diese Statistiken achten sollte, aber betrachtet man die City-Spiele einzeln, sieht man, dass diese Mannschaft Spiele nicht gewinnt bzw. sogar verliert, die sie deutlich gewinnen müsste.Für ein Beispiel muss man gar nicht einmal weit zurückblicken: Anfang Februar verlor Manchester mit 0:2 bei den Spurs und nicht einmal die wussten, wie das passieren konnte.

(Photo by OLI SCARFF/AFP via Getty Images)

Und genau solche Spiele hat die Guardiola-Elf zu oft in dieser Saison erleben müssen. Selbst unter den Siegen gibt es genügend Partien, die Manchester City viel zu knapp oder spät für sich entscheiden konnten. Der englische Meister ist nach wie vor eine der besten Mannschaften der Welt, aber stirbt manchmal auch in Schönheit und verpasst es auf verblüffende Arten und Weisen für Entscheidungen zu sorgen. Als Trainer kann man da verrückt werden. 

ManCity: Dominanz im Bernabéu?

Aber Pep Guardiola weiß, dass sein Team an sich gute Leistungen zeigt und wird mit Sicherheit nicht vom eingeschlagenen Weg abschreiten. Auch in Madrid wird City definitiv auf Sieg spielen. Anders kann die Mannschaft vermutlich auch gar nicht auftreten. Guardiola lässt zumeist in einem 4-3-3 oder 4-2-3-1 auflaufen und liebt es den Ball zu haben. City erdrückt seine Gegner schon fast mit Ballbesitz und kann dabei immensen Druck aufbauen. Die 68 Ligatore beweisen, dass der Meister auch durchaus etwas mit dieser Rolle anfangen kann und nicht nur ohne Raumgewinn den Ball hin und her schiebt. 

Mit Agüero (16), Sterling (11) und Jesus (10) verfügt Guardiola über drei Spieler, die bereits im zweistelligen Bereich angekommen sind, was die Ligatore betrifft. Allesamt Akteure, die man kaum über 90 Minuten verteidigen kann. Dazu kommt noch ein Mittelfeld, das aus De Bruyne, Gündogan und Rodri besteht, das vor Kreativität nur sprüht. Vor allem der Belgier füttert die Offensive mit extrem starken Zuspielen. Wettbewerbsübergreifend hat der 28-Jährige bereits 19 Treffer vorbereiten können. 

Mahrez und Laporte als Stützen für ManCity

Dazu kommen noch zwei Akteure, die ein wenig im Schatten der anderen Spieler stehen. Zunächst wäre da Riyad Mahrez, der im Sommer 2018 kam und ein wenig Zeit brauchte. In dieser Saison spielt der Algerier allerdings richtig stark auf. Wettbewerbsübergreifend erzielte er neun Tore und bereitete 14 weitere Treffer vor. Er ist mit seiner Explosivität, aber auch Kreativität zu einem immens wichtigen Teil der Mannschaft geworden. Eben ein Spieler, der für den Unterschied sorgen kann und eine wertvolle Option für Guardiola.

(Photo by Michael Regan/Getty Images)

Dann wäre da noch Aymeric Laporte, der aufgrund eines Knorpel- und Meniskusschaden monatelang verletzt fehlte. Er gibt der Mannschaft viel Sicherheit und ist der beste Innenverteidiger, den der Klub hat. Noch ist der Franzose jedoch nicht bei vollem Leistungsvermögen angekommen. Gegen Leicester City wurde er nach rund einer Stunde ausgewechselt, weil er darum gebeten hat. Sein Trainer ist sich trotzdem sicher, dass er gegen Real Madrid 90 Minuten spielen kann. Es wäre wichtig, da City ab und zu dazu neigt ein wenig unkonzentriert in der Defensive aufzutreten. In der Champions League und vor allem gegen Real Madrid kann jeder Fehler fatal sein. Mit Laporte steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Engländer sicher auftreten dramatisch. 

Experten-Prognose

Real Total-Chefredakteur Nils Kern erwartet eine enge Partie:

Wer ist jetzt mehr motiviert? Manchester City, weil sie es der UEFA und dem Rest der Welt zeigen wollen, oder Real Madrid, weil sie nach den Rückschlägen der letzten Wochen in Liga und Pokal wieder in „ihrem“ Wettbewerb ein Ausrufezeichen setzen wollen. Vor einem Jahr blieben nur viele Fragezeichen, als Ajax den Titelverteidiger düpierte – wiedergutzumachen haben die Blancos entsprechend einiges.

Während die „Citizens“ auf zuletzt zwei Niederlagen zwei Siege folgen ließen und wieder in Form scheinen, hat Madrids Defensive – mit 17 Gegentreffern immerhin nach Liverpools 15 die zweitbeste Europas – zuletzt wieder einige Schwächen gezeigt, auch wenn sie durch Ferland Mendys Rückkehr als Marcelo-Ersatz wieder stabiler stehen dürfte. Vorne dagegen die Königlichen oft zu zahnlos – Karim Benzema außer Form, Gareth Bale kann oder will nicht immer, Eden Hazard wieder verletzt, und dann hält man sich oft zu sehr im Mittelfeld auf. Dabei könnte genau das Zidanes Matchplan gegen City darstellen: Im 4-3-1-2 oder gar 4-5-1 die Engländer müde laufen lassen. Das Fünfermittelfeld klappte gegen Atlético zwar nicht und erst nach der Systemumstellung wurde das entscheidende 1:0 erzielt, und doch wird man erst mal sicher stehen und keine Risiken eingehen wollen. Dann kann Zidane, wie üblich in der Königsklasse, noch schnelle Einwechselspieler (Vinícius Júnior und Luka Jović) bringen, um vielleicht doch noch „mehr“ als ein Unentschieden zu holen.

Den Ritt auf der Rasierklinge im Bernabéu wird die Mannschaft, die gewillter ist, für sich entscheiden – doch dürfte es beiden an Motivation nicht mangeln.

90PLUS-Prognose

Eine der besten Defensivreihen trifft auf eine der besten Offensivreihen Europas. Die Seriensieger aus Madrid sind minimal angeschlagen und hatten zuletzt mit Rückschlägen zu kämpfen, aber wenn es darauf ankommt, ist die Zidane-Elf immer da. Real Madrid wird das Spiel im Santiago Bernabéu knapp für sich entscheiden, da die Königlichen die abgezocktere und reifere Mannschaft haben. 

Voraussichtliche Aufstellungen

Real Madrid: Courtois, Carvajal, Ramos, Varane, Mendy (Marelo) Casemiro, Kroos, Valverde, Modric, Isco, Benzema

Manchester City: Ederson, Walker, Fernandinho, Laporte, Mendy Rodri, Gündogan, De Bruyne, Sterling, Mahrez, Agüero

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(Photo by Laurence Griffiths/Getty Images)

Damian Ozako

Als Kind von Tomas Rosicky verzaubert und von Nelson Haedo Valdez auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht worden. Geblieben ist die Leidenschaft für den (offensiven) Fußball. Seit 2018 bei 90PLUS.


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