Tönnies, Militärgruß, Rassismus: Was war der Skandal des Jahres?

23. Dezember 2019 | Nationalelf | BY 90PLUS Redaktion

Awards | Nicht nur schöne Dinge und gute Erinnerungen schaffen es in einen Jahresrückblick, auch die negative Seite muss beleuchtet werden. Clemens Tönnies, der Militärgruß, Rassismus – was war der Skandal des Jahres?

Das Fußballjahr 2019 neigt sich dem Ende zu und auch in diesem Jahr verleihen wir wieder einmal die Jahresawards. In zwölf Kategorien kann abgestimmt werden, im Anschluss geben wir die Gewinner bekannt!

Clemens Tönnies

„Dann hören die Afrikaner auf, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn‘s dunkel ist, Kinder zu zeugen“. Seinen Vorschlag, im Kampf gegen den Klimawandel nicht die Steuern zu erhöhen, sondern lieber 20 Kraftwerke in Afrika zu bauen, untermauerte Clemens Tönnies, erfolgreicher Geschäftsmann und Aufsichtsratsvorsitzender des FC Schalke 04, beim „Tag des Handwerks“ in Paderborn am ersten August 2019 mit dieser Aussage. Die 1600 Gäste waren zunächst unschlüssig ob ihrer Reaktion, applaudierten dann aber.

Mit dieser Aussage hat Clemens Tönnies in aller Öffentlichkeit rassistisches Gedankengut vorgetragen und seine Vorurteile gegenüber den Bewohnern des afrikanischen Kontinents offenbart.
Die Wirkung solcher Aussagen ist, gerade in unruhigen politischen Zeiten mit aufstrebenden rechtnationalen Parteien, verheerend, weil die Aussage rassistisch ist und mit dem eigentlichen Zusammenhang des Klimawandels wenig zu tun hat.

Nicht nur die Aussagen selbst, auch der Umgang damit sendete falsche, zu unkritische Signale: Clemens Tönnies selbst entschuldigte sich in der Öffentlichkeit, sprach in seinem Statement aber nicht die Afrikaner an, die er verunglimpft hatte. Dies erweckte den Eindruck, dass er das eigentliche Problem nicht verstanden hatte. Der Ehrenrat suspendierte den einflussreichen 63-Jährigen eher alibimäßig für drei Monate. Bei so drastischen Äußerungen wäre auch ein endgültiger Rausschmiss angebracht gewesen, aber Schalke 04 ging insgesamt zu unkritisch mit seinem Aufsichtsratsvorsitzenden um. Das wurde auch drei Monate später deutlich, als Tönnies auf dem vereinseigenen Videokanal nach seiner Rückkehr interviewt wurde.

Der Skandal hat dem FC Schalke 04 natürlich geschadet, der Verein hatte aber die Gelegenheit, ein klares Zeichen gegen Rassismus zu setzten. Genutzt hat Schalke die Gelegenheit nicht, es wirkte, als packe der Verein Clemens Tönnies in Watte. Die Entschuldigungen des Unternehmers wirkten hingegen halbherzig. Am Ende der Affäre bleibt aufgrund der mangelnden Aufarbeitung ein fader Beigeschmack.

Piet Bosse

Militärgruß-Affäre

“Fußball ist unpolitisch!” Dass das Blödsinn ist, zeigt diese Affäre um einen ganz und gar politischen Torjubel: Im Oktober diesen Jahres hatten vier türkische Nationalspieler (zwei davon aus der Bundesliga) die Armee Erdogans in den Spielen gegen Frankreich (1:1) und Albanien (1:0) jeweils per Militärgruß bejubelt – zeitgleich mit deren Angriff auf das ohnehin schon gebeutelte Syrien.

Eine unsensible Reaktion auf ein (nicht erst seit Mesut Özils Erdogan-Affäre) sensibles Thema? Definitiv!
Ein Bekenntnis zum aggressiven Nationalismus des türkischen Staatspräsidenten? Womöglich!

Welche Intention auch dahinter steckte – dem Torjubel folgte das übliche Schlagzeilen-Spiel: Diverse Vereine (auch die der beiden Bundesligisten Ayhan und Karaman) und Verbände verurteilten die Geste. Der türkische Botschafter in Deutschland ließ sich daraufhin nicht lange bitten und warf den Kritikern – natürlich – eine Unterdrückung der Meinungsfreiheit sowie Rassismus vor. Wenn Fußball zur Staatsaffäre wird…

David Theis

Rassismus Bulgarien vs. England

Rassismus im Fußball ist kein Ärgernis, sondern eine einzige Schande. Wo sich die Gesellschaft in allen Bereichen wieder rückständiger präsentiert, scheint der Fußball als Vorreiter dieser extrem bedenklichen Entwicklung zu fungieren. 2019 war von zahlreichen unsäglichen Ausfällen rassistischer Natur in den Stadien geprägt. Stellvertretend hierfür steht auch der folgende Nominierte.

Schon im Vorfeld des Länderspiels zwischen England und Bulgarien ließen die Spieler der Three Lions verlauten, bei rassistischen Schmähungen eventuell das Spielfeld eigenmächtig zu verlassen. Eine Drohung, die natürlich keine Auswirkung auf die Idioten im Publikum hatte, sie vielleicht sogar noch weiter anstachelte. Was aber irrelevant ist, denn eine Entschuldigung für die mehrfachen und deutlich sichtbaren Zeichen und Rufe verschiedener Zuschauer gibt es nicht.

England entschied sich das Spiel fortzusetzen und gewann souverän. Zweimal musste das Spiel allerdings vom Referee wegen genau dieser Ausschreitungen unterbrochen werden, bis die „Fans“, von denen die Aktionen ausgingen, das Stadion augenscheinlich verließen. Schon bis hierhin ein schlimmer Abend. Doch im Nachhinein ließen sich mehrere bulgarische Funktionäre, auch Nationaltrainer Balakov, dazu hinreißen die Geschehnisse abzustreiten oder zu relativieren. Ein unwürdiges Schauspiel und ein waschechter Skandal.

Julius Eid

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