WM Porträts | Daniel „El Kaiser“ Passarella – Argentiniens einziger Doppel-Weltmeister

28. Mai 2018 | Nationalelf | BY Christoph Albers

Zunächst einmal möchte ich an dieser Stelle mein großes Bedauern darüber äußern, dass es die Position des Liberos im modernen Fußball nicht oder zumindest kaum noch gibt. Das liegt vor allem daran, dass die Position bestimmte Spielertypen hervorgebracht hat, die es heute kaum noch gibt, Spielertypen wie Daniel Passarella. 

Die Anfänge

Passarella wurde am 25. Mai 1953 in Buenos Aires, der womöglich fußballverrücktesten Stadt der Welt, geboren. Im Grunde hatte er also gar keine andere Wahl als Fußball zu spielen und das tat er auch. Er tat es sogar so gut, dass er im Jahr 1974, über seine Jugendvereine Argentinos Juniors und CA Sarmiento de Junin, zu einem der besten Vereine des Landes kam – River Plate. Und auch dort brauchte er keine lange Anlaufzeit, sein Debüt feierte er gleich im „Superclasico“ gegen den Erzrivalen Boca Juniors. Dort gelang es dem Defensivspezialisten mit seiner Mannschaft ein 0:0 zu halten. Ein guter Einstieg.

Die Vereinskarriere

So erfolgreich wie es angefangen hatte, ging es auch weiter. In seiner ersten Zeit bei River Plate (1974-1982) holte er mit seiner Mannschaft gleich vier „Metropolitano“-Meisterschaften und drei „Nacional“-Meisterschaften. Seine womöglich beste Saison hatte er im Jahr 1976, in der er gleich 20 (!) Tore erzielte und zum Spieler des Jahres in Argentinien gekürt wurde. Dazu sollte man vielleicht sagen, dass er nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass ihm auch die individuellen Erfolge sehr viel bedeutet haben.

Doch nach acht Jahren River Plate, wurde ihm Argentinien zu klein und er wechselte 1982 in die damals wohl beste Liga der Welt, in die italienische Serie A. Beim AC Florenz war er der unumstrittene Star der Mannschaft und war demzufolge auch in jedem seiner vier Jahre Stammspieler. In seinem letzten Jahr gelangen ihm sogar 11 Tore, was für einen Verteidiger in der damals noch sehr defensiv-ausgerichteten Liga ein nahezu unvorstellbar guter Wert war. Obwohl Passarella mitunter grandios aufspielte, war mit der Fiorentina zu dieser Zeit schlichtweg kein Titel zu gewinnen, daher zog er im Jahr 1976 weiter zu Inter Mailand.

Auch bei den „Nerazurri“ war der Argentinier eigentlich gesetzt, doch auch angesichts seines fortschreitenden Alters, konnte er nicht mehr jedes Spiel machen, er hatte mehr und mehr mit Verletzungen zu tun. Tore erzielte er dennoch, wenn auch nicht mehr so viele. Er schien seinen Zenit bereits etwas überschritten zu haben, sodass er seine Zelte in Mailand nach zwei Jahren und ohne Titel abbrach und im Jahr 1988 zu River Plate zurückkehrte. Nach nur einem weiteren Jahr bei seiner „großen Liebe“, beendete er dann aber seine aktive Karriere.

(Photo credit should read STAFF/AFP/Getty Images)

In der „Albiceleste“

Die größten Sternstunden seiner Karriere erlebte Passarella allerdings nicht im Vereinsfußball, sondern bei den Weltmeisterschaften. Insgesamt nahm er an drei WM-Endrunden teil, 1978, 1982 und 1986. Sein Nationalmannschafts-Debüt feierte er im Jahre 1976 (seine 20 Tore Saison) unter dem legendären Luis Cesar Menotti. Und auch hier schlug er auf Anhieb ein. Er wurde schnell zum unverzichtbaren Teil der Mannschaft und führte die „Albiceleste“ bei der WM 1978, der Heim-WM, als Kapitän an.

WM 1978

Die Heim-WM sollte, im zarten Alter von 25 Jahren, bereits der absolute Höhepunkt seiner Karriere werden. Die Mannschaft (damals noch ohne Diego Maradona) spielte fantastische und zog völlig verdient ins Finale ein. Bis zum Finale musste Argentinien lediglich zwei Gegentore hinnehmen und war auch vor dem Endspiel klarer Favorit. Dort musste man allerdings gegen ebenfalls gute Niederländer, die schon vier Jahre zuvor im WM-Endspiel der deutschen Mannschaft unterlagen, antreten und bis in die Verlängerung gehen. Dort behielt man aber, dank eines überragenden Mario Kempes (zwei Tore, eine Vorlage), die Überhand und durfte den ersten Weltmeistertitel, im eigenen Land, bejubeln. Kempes war dabei zwar der Finalheld, doch Passarella war das Herz und die Seele der Mannschaft und lebte den Erfolg absolut vor. Spätestens als er den Pokal in die Höhe stemmte, wurde er zum Nationalhelden. Ehrentitel wie „Gran Capitan“ oder „El Kaiser“, wie er sogar heutzutage noch mitunter betitelt wird, zeugen davon.

Vier Jahre später, 1982, verpasste der Titelverteidiger in der zweiten Gruppenphase des Turnier aber den Einzug ins Halbfinale. Passarella spielte zwar in allen Spielen über die volle Distanz, konnte da ausscheiden aber nicht verhindern. Ganz anders als 1986…

WM 1986

1986, bei der Weltmeisterschaft in Mexiko, spielte die argentinische Mannschaft grandios und setzte sich am Ende vollkommen verdient die Krone auf (im Finale wurde die deutsche Mannschaft mit 3:2 besiegt). Passarella blieb allerdings nur eine Nebenrolle, er kam verletzungsbedingt nicht zum Einsatz und musste zusehen, wie sein Dauer-Rivale Maradona zum überragenden Spieler des Turniers wurde und die Trophäe als Kapitän in die Höhe streckte. Passarella wurde damit aber, obwohl er ohne Einsatz blieb, zum zweiten Mal Weltmeister und ist damit der einzige Argentinier, dem das jemals gelang. Er selbst tut sich aber bis heute schwer damit sich tatsächlich über den zweiten Titel zu freuen.

Wie eben angeschnitten, war die Beziehung zu Maradona ein interessante. Trotz ihrer gemeinsamen Zeit in der Nationalmannschaft, waren sie stets auch Konkurrenten, in Argentinien (vor allem in den Duellen zwischen River und Boca), in Italien (Maradona spielte für Napoli, während Passarella für Florenz und Inter spielte) und auch in der Nationalmannschaft, in der sie um das Amt des Kapitän konkurrierten. Dennoch erlebten beide große Erfolge und werden bis heute in Argentinien verehrt, auch wenn Passarella wohl nie das Standing Maradonas innehatte.

Nach der WM 1986 in Mexiko beendete der „Gran Capitan“ seine Nationalmannschaftskarriere, am Ende sollte 70 Einsätze und 22 Tore für ihn zu Buche stehen.

(Photo by Mark Sandten/Bongarts/Getty Images)

Nach der Karriere

Nach seiner Zeit als aktiver Fußballer, setzte Passarella direkt zur nächsten Karriere als Trainer an. Nach seinem Karriereende bei River Plate 1989, setzte er sich, im Grunde ohne Unterbrechung, sofort als Trainer auf die Bank. In seiner ersten Amtszeit bei River Plate, die von 1989 bis 1994 gehen sollte, holte er gleich drei Meisterschaften, nicht schlecht für einen Anfänger.

WM 1998

Doch dann kam der Ruf der Nationalmannschaft, also übernahm er im Jahre 1994, nach der Weltmeisterschaft in den USA, die argentinische Nationalmannschaft und erreichte einen zweiten Platz bei den Olympischen Spielen 1994 und den Viertelfinaleinzug bei der Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich. Für die Ansprüche der „Gauchos“ nicht genug, daher kam es im Sommer 1999 zur Trennung und er wurde Nationaltrainer des ewigen Rivalen aus Uruguay. Eine Entscheidung die in Argentinien nicht unbedingt nur positiv aufgefasst wurde. Dort hielt er es dann auch nur zwei Jahre aus, bevor es ihn, wie schon als Spieler, nach Italien zog.

In Italien übernahm er den AC Parma, nach 10 Spielen erfolgte dann aber auch schon wieder die Trennung. Der Erfolg schien etwas nachzulassen. Es folgten Stationen bei Monterrey (MEX, eine Meisterschaft) und den Corinthians Sao Paulo, ehe er abermals zu River Plate zurückkehrte, zunächst als Trainer, anschließend als Präsident. Ende 2013 zog er sich dann aber endgültig aus dem Fußballgeschäft zurück.

Zum Abschluss aber nochmal ein Zitat von Passarella, das ihn, den Libero, als Spieler wohl am besten beschreibt: „Mir ging es oft mehr darum, selbst zu treffen, als unser Tor sauber zu halten.“

(Photo credit should read STAFF/AFP/Getty Images)

Christoph Albers

Cruyff-Jünger und Taktik-Liebhaber. Mag präzise Schnittstellen-Pässe, schwarze Leder-Fußballschuhe, Retro-Trikots und hat einen unerklärlichen Hang zu Fußball-Finanzen. Seit 2016 bei 90PLUS.


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