20/21: Alles, außer gewöhnlich – auch in der Champions League

1. Juni 2021 | Spotlight | BY Victor Catalina

Ein neuer Meister in England, ein neuer Meister in Spanien, Italien und Frankreich – nur in Deutschland bleibt alles beim Alten. Und Champions sowie Europa League beweisen, dass Überraschungen sehr wohl noch möglich sind. Ein Rückblick auf die Saison 2020/21 – und wie es dazu kommen konnte.

Viele Überraschungen in den fünf Topligen

Wenn man am Anfang der Saison gefragt hätte, wer Champions- und Europa League gewinnt, wären wohl nur die Wenigsten auf Chelsea und Villarreal gekommen. Aber genau die Erfolge dieser beiden Mannschaften stehen sinnbildlich für die aktuelle Saison. Schon zu Beginn gab es viele überraschende Ergebnisse. Bayern verlor 1:4 in Hoffenheim, Manchester United 1:6 gegen Tottenham und Aston Villa besiegte den amtierenden Meister Liverpool sogar 7:2.

Zwar blieben solche absurden Ergebnisse eher die Ausnahme, als dass sie zur Regel wurden. Aber die Saison 2020/21 war eher keine der Favoriten. In der Premier League verlor der amtierende Meister Liverpool zu Beginn des Jahres erstmals in seiner 129-jährigen Klubgeschichte sechs Heimspiele in Folge, nachdem sie zuvor 68 Spiele lang in Anfield ungeschlagen blieben. Auch Manchester City handelte sich zu Beginn der Saison ein 2:5 gegen Leicester ein. Dasselbe Leicester, das vor gut zwei Wochen den ersten FA Cup seiner Vereinshistorie gewann.

 

 



 

In Italien wurde die neun Jahre andauernde Hegemonie von Juventus beendet – ausgerechnet durch den Mann, der sie einst einläutete: Antonio Conte (51). Atlético wurde Meister in La Liga und konnte es sich sogar leisten, einen Zehn-Punkte-Vorsprung nahezu komplett zu verspielen. Und auch wenn sich in Deutschland der FC Bayern die neunte Meisterschaft in Folge sicherte, blieben auch sie von einer Überraschung nicht verschont: Im DFB-Pokal war schon in der zweiten Runde Schluss, sie scheiterten an Zweitligist Holstein Kiel. Zudem qualifizierte sich Union Berlin erstmals für den europäischen Wettbewerb. Mit Schalke sowie Werder Bremen ging es für gleich zwei große Namen in die 2. Bundesliga.

Am unerwartetsten kam aber wohl die Meisterschaft des OSC Lille in Frankreich. PSG durfte nach dem Finalturnier in Lissabon später einsteigen, erwischte aufgrund von Verletzungen sowie einer ganzen Reihe an COVID-19-Infektionen einen Fehlstart und musste so das Feld von hinten aufrollen. So nutzte die von Luís Campos (56) perfekt zusammengestellte Mannschaft die Gunst der Stunde und sicherte sich den ersten Meistertitel seit zehn Jahren.

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Vollgepackter Spielplan und Verletzungen: Die Underdogs nutzen die Gunst der Stunde

Und auch in Europa setzte sich dieser Trend fort: Juventus scheiterte trotz Überzahl nach Verlängerung im Champions-League-Achtelfinale an Porto. Für Atléticos Meistermannschaft war ebenfalls in der Runde der letzten 16 Schluss, gegen den späteren Titelgewinner Chelsea. Andererseits kämpfte Borussia Dortmund sich bis ins Viertelfinale vor und war nicht weit davon entfernt Manchester City zu stürzen.

Das alles hat einerseits mit dem extrem eng getakteten Spielplan zu tun, der vor allem den vermeintlichen Favoriten viel abverlangte. So gingen die Spieler bisweilen mit einer gewissen Grunderschöpfung in die einzelnen Partien. Besonders beim FC Bayern konnte man diesen Effekt beobachten. Für sie war es aufgrund der zusätzlichen Wettbewerbe, die mit dem Triplesieg einhergehen, eine noch längere Spielzeit, als ohnehin. Während die Mannschaft beim Champions-League-Aus in Paris und in den Spielen danach komplett ausgelaugt wirkte, hatten sie vor dem Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach (6:0) eine zweiwöchige Pause – und spielten im Anschluss wie ausgewechselt.

Leonardo Prieto/imago

Der zweite Faktor: Verletzungen. Über 60 davon musste Real Madrid in dieser Saison hinnehmen. Im Champions-League-Halbfinale gegen Chelsea wirkte die Mannschaft von Thomas Tuchel (47) wesentlich spritziger und griffiger. In Abwesenheit von Lucas Vázquez (29) und Dani Carvajal (29) musste Vinicius (20) einen verkappten Rechtsverteidiger geben, was nur bedingt funktionierte. Chelsea hätte auch weit höher, als 2:0 gewinnen können. Andere Teams waren zwar nicht in dem Ausmaß betrffen. Dafür fielen absolute Schlüsselspieler aus. Virgil van Dijk (29) zog sich schon früh in der Saison einen Kreuzbandriss zu, der ihn auch die anstehende Europameisterschaft kosten wird. Dazu hatten Joe Gomez (24) und Joel Matip (29) immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. So war Liverpool gezwungen, bei Real Madrid (1:3) mit einem Innenverteidigerduo aus dem von Schalke ausgeliehenen Ozan Kabak (21) sowie Nathaniel Phillips (24) anzutreten.

Und dann bleibt noch immer die Frage, wieviele der insgesamt 42 missglückten Torschüsse des FC Bayern gegen Paris Saint-Germain Robert Lewandowski (32) wohl verwandelt hätte. Oder Leon Goretzka (26). Oder Serge Gnabry (25).

Viele Favoriten in Topf 2 – Die Auswirkungen für die Champions League

So konnten die Underdogs die Gunst der Stunde nutzen. Inter schied in der Champions League als Gruppenletzter aus, Lille in der Europa League im Sechzehntelfinale. Chelsea tanzte ab September 2020 nur noch auf drei Hochzeiten, nachdem sie im EFL Cup an Tottenham scheiterten. Und Villarreal konnte sich Platz 7 in La Liga leisten, da sie durch den Erfolg in der Europa League nicht nur an der Champions League teilnehmen werden, sondern auch in Topf 1 gesetzt sind.

Und gerade hier wird diese Saison auch auf die kommende Einfluss nehmen. Real Madrid, Barcelona, Juventus, PSG, Manchester United und Liverpool finden sich allesamt in Topf 2 wieder. Ob sie auch so außergewöhnlich wie die aktuelle wird, bleibt aber zu sehen.

Mandatory Credit: Photo by Dave Shopland/BPI/Shutterstock/imago

 

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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