Champions League | „Abourega“ empfängt die „Reds“ – FC Porto vs. FC Liverpool

14. Februar 2018 | Vorschau | BY Marius Merck

Champions League Gewinner von 2004 gegen den Sieger von 2005: Wenn sich der FC Porto mit dem FC Liverpool im Achtelfinale duelliert, schwingt eine gehörige Portion jüngere CL-Geschichte mit. Doch auch unter den heutigen Bedingungen verspricht die Paarung, in welcher das Hinspiel in Portugal zur gewohnten Zeit um 20:45 angepfiffen wird, eine gehörige Portion Spannung.

Die Portugiesen wollen natürlich den Heimvorteil nutzen, um sich in eine gute Ausgangslage zu bringen, während die „Reds“ in der bisherigen Champions League Saison vor allem offensiv in Erscheinung traten.

 

„Hammergruppe“ für Porto, Spaziergang für Liverpool

In der wunderschönen Hafenstadt dürfte es wenig Jubel gegeben haben, als die Gegner für die Vorrunde der Königsklasse feststanden: In der Gruppe H warteten der letztjährige Halbfinalist und französische Meister AS Monaco, die mit Talenten gespickte Truppe des deutschen Vizemeisters RB Leipzig sowie der türkische Champion Besiktas Istanbul, welchem die meisten Experten lediglich Außenseiterchancen eingeräumt hatten. Am Ende triumphierten neben Porto gerade die Türken – Besiktas dominierte sogar die Gruppe. Auf dieses Resultat hätten zuvor wohl nur die Wenigstens getippt.

Porto kam mit drei Siegen, zwei Niederlagen und einem Remis als Gruppenzweiter weiter. Bei den Siegen sind vor allem die gesammelten sechs Punkte gegen ein unglaublich enttäuschendes Monaco hervorzuheben. Im Fürstentum gewann man mit 3:0, am letzten Spieltag sicherte man sich das Weiterkommen gegenüber Leipzig durch einen 5:2 Kantersieg gegen eben jene Monegassen.

Ein in der Tat leichteres Programm hatte die Mannschaft von Jürgen Klopp. Als die Gruppengegner Spartak Moskau, FC Sevilla und NK Maribor feststanden, dürfte er sich mit der Angst in Grenzen gehalten haben. Im Endeffekt waren die Resultate angesichts der Qualität im Team dann jedoch nicht dermaßen überragend: Drei Siege und drei Remis genügten für den Gruppensieg.

Dafür hatten gerade die Siege etwas Historisches: Die Spiele in Maribor und daheim gegen Moskau gewannen die Engländer mit jeweils 7:0 – ein Novum in der Königsklasse. Mit insgesamt 23 Treffern in der Vorrunde stellt Liverpool nach Paris St. Germain (25) die zweitbeste Offensive des gesamten Wettbewerbs. Ohne die Ausbeute der Pariser hätte das Team den ewigen Rekord für die meisten Treffer in der Vorrunde geknackt.

(Photo by Mark Robinson/Getty Images)

Die aktuelle Form

Die Portugiesen haben in diesem Kalenderjahr eine fast makellose Bilanz. In den letzten zehn Spielen gab es acht Siege, ein Remis und eine Niederlage. Die Niederlage erfolgte im Pokal gegen Sporting Lissabon, was gleichzeitig das Aus in diesem Wettbewerb bedeutete. Ansonsten wurden in der Liga nur beim 0:0 gegen Moreirense Punkte liegen gelassen. Am letzten Wochenende überzeugte der Tabellenführer mit einem 4:0 Sieg bei Chaves.

Nicht so konstant präsentierte sich Liverpool in den vergangenen Wochen. In der Liga gab es unter anderem eine blamable Pleite beim damaligen Schlusslicht Swansea City, im Pokal schied man durch eine 2:3 Heimpleite gegen das jetzige Schlusslicht West Bromwich Albion aus. Als noch größeres Ärgernis kann das 2:2 Unentschieden im „Sechs-Punkte-Spiel“ gegen Tottenham gesehen werden, als man erst durch einen Treffer in der Nachspielzeit selbst in Führung ging und dennoch fast postwendend den Ausgleich (durch einen berechtigten Elfmeter) kassierte. Die Pflichtaufgabe am Sonntag in Southampton erledigten die „Reds“ mit 2:0 (fast schon ungewohnt) souverän.

 

FC Porto: Selbstvertrauen aus der Liga mitnehmen

In den letzten Jahren sah der FC Porto nur wenig Land gegen Benfica Lissabon. Nach einem unglaublich dramatischen Meisterschaftsfinale 2013, als man sich in der Nachspielzeit im direkten Duell durch ein Traumtor von Christian Atsu durchsetzen konnte, konnte der Rekordmeister aus Hauptstadt seitdem nicht mehr gefährdet werden. Dieser Zustand sollte sich in diesem Jahr mal wieder ändern – zumindest bis zum heutigen Tag: Mit 55 Punkten führt Porto die Tabelle der Liga Zion Sagres an, Benfica und Sporting folgen mit 53 Punkten dicht dahinter, haben jedoch beide auch eine Partie mehr absolviert. Die Ausbeute der „Drachen“ ist mit 55 von möglichen 63 Punkten nahe an der Perfektion.

Dieses Selbstvertrauen will Porto nun auch auf der europäischen Bühne zeigen, wo man nach eigenem Selbstverständnis auch hingehört. Der Klub war an einigen Großereignissen in den letzten Jahren beteiligt: Am ehesten ist hierbei natürlich der Gewinn des Wettbewerbs im Jahr 2004 hervorzuheben, was den Beteiligten wie Trainer José Mourinho oder den Spielern Ricardo Carvalho und Deco großartige Karrieren im internationalen Fußball ermöglichte.

Auch eine Achtelfinal-Rückspiel aus der Saison 2007/08 dürfte den meisten Fans noch im Gedächtnis sein: Ein junger Manuel Neuer brachte Ricardo Quaresma und Co. zur absoluten Verzweiflung und sicherte dann im Elfmeterschießen sogar das Schalker Weiterkommen. Das Spiel kann als eine Art Geburtsstunde des deutschen Nationaltorhüters angesehen werden. Ebenso ist das Duell mit dem FC Bayern aus der Saison 2014/15 noch in bester Erinnerung. Die Münchener wurde im Estadio Dragao selten wie nie unter Pep Guardiola bei der 1:3 Niederlage schwindelig gespielt, auch wenn der deutschen Rekordmeister nach dem Rückspiel doch noch durchsetzen konnte.

(Photo by MIGUEL RIOPA/AFP/Getty Images)

 

Umbruch im Sommer, Traumduo „Abourega“

Dass der erste Meistertitel seit fünf Jahren in dieser Runde möglich sein wurde, war im Sommer noch kaum zu ahnen. Der Klub steckte in großen Geldsorgen und musste unter anderem sein „Tafelsilber“ André Silva (AC Milan) und Ruben Neves (Wolverhampton) verkaufen. Dafür kamen zahlreiche (Leih)Spieler, der Kader wurde ordentlich durcheinandergewirbelt.

Der wohl wichtigste Neuzugang steht allerdings nicht selbst auf dem Platz, sondern sitzt auf der Bank: Sergio Conceicao, welcher im Vorjahr beim FC Nantes in Frankreich tätig war. Der ehemalige Nationalspieler des Landes legte mit sieben Siegen zum Auftakt einen Einstand nach Maß hin und scheut sich auch nicht davor unpopuläre Entscheidungen zu treffen: So degradierte er den ehemaligen Welttorhüter Iker Casillias zu Nummer 2 und schenkte dem jungen José Sa das Vertrauen zwischen den Pfosten.

Daneben kann sich Conceicao auf sein fantastisches Sturmduo verlassen. Vincent Aboubakar (15 Tore, drei Vorlagen) und Moussa Marega (16 Tore, drei Vorlagen) setzen die große Stürmertradition in Porto fort und treten in die Fußstapfen von Spielern wie Mario Jardel, Radamel Falcao oder Jackson Martinez. Dementsprechend kurz dürfte ihr weiterer Aufenthalt bei dem Klub sein, welcher seit eh und je große Gewinne durch Spielerverkäufe generiert. In der Königsklasse stach aus dem Duo bisher vor allem Aboubakar mit fünf Toren hervor.

 

FC Liverpool: Zu wenig Konstanz

Wenn man Spiel suchen würde, welches sinnbildlich für den FC Liverpool in dieser Saison (und eigentlich schon immer seit der Ankunft von Klopp) stehen soll, dann dient das 3:3 in Sevilla aus dem November als das perfekte Beispiel: In einer furiosen ersten Halbzeit spielte sich die Mannschaft mit teilweise phantastischen Spielzügen einen 3:0 Vorsprung in einem Stadion heraus, wo in den letzten Jahren einige Mannschaften gepatzt hatten. In der zweiten Halbzeit wurde jedoch komplett der Faden verloren, nach eklatanten Fehlern in der Hintermannschaft endete diese Partie tatsächlich noch 3:3.

Vorne hui, hinten pfui – um diese Devise zu widerlegen, griff der Verein tief in den Geldbeutel und verpflichtete Virgil Van Dijk für aberwitzige 84 Millionen Euro im Januar. Ob damit die Defensive stabiler wird, bleibt abzuwarten, der siebtteuerste Spieler aller Zeiten (!) zeigte bereits Licht (Siegtreffer beim Debüt gegen Everton) und Schatten (Verschuldeter Elfmeter in der Nachspielzeit gegen Tottenham). Die Höhe der Ablöse könnte in diesem Kontext ebenfalls zu einem Problem werden, welche den hochveranlagten, aber (noch) keinesfalls zur Weltklasse gehörenden Niederländer unter Druck setzen wird.

(Photo by Stephen Pond/Getty Images)

 

Torhüterproblematik und „SFM“

Ebenfalls unter Druck stand der ehemalige Mainzer Loris Karius, welcher sich erst vor kurzem nachhaltig als die Nummer 1 im Liverpooler Kasten etablieren konnte. Der Deutsche strahlt vor allem bei hohen Bällen noch nicht die gewünschte Sicherheit aus und auch seine Zuspiele mit dem Fuß besitzen teilweise eine große Streuung. Nichtsdestotrotz hat sich Karius in den letzten Monaten gesteigert, ob er für allergrößte Ambitionen der richtige Mann ist, bleibt abzuwarten.

Der Angriff der „Reds“ verkörpert hingegen pure Weltklasse, allen voran Mohamed Salah, welcher nach dem heutigen Stand wohl der Premier League Spieler des Jahres werden dürfte. Der Ägypter hat schon 21 Mal getroffen und führt das brandgefährliche Trio aus Roberto Firmino, Sadio Mané und eben ihn selbst in dieser Kategorie in der Liga an. In der Königsklasse war jedoch Firmino der bisher beste Torjäger des Teams (schon sechs Tore).

Das Trio konnte in der Vorrunde noch die Unterstützung von Spielmacher Philippe Coutinho genießen, welcher das Team aber im Januar für den FC Barcelona verließ. Doppelt bitter: Der Brasilianer kann gar nicht mehr in Champions League eingesetzt werden und der Titel in der Liga ist den Katalanen eigentlich nicht mehr zu nehmen. Hier muss man kritisch hinterfragen, ob die Situation nicht anders zu lösen gewesen wäre.

Für die allergrößten Ziele war Coutinho unerlässlich – genauso wie eine stabile Defensive.

 

Prognose zum Hinspiel

Die Gäste werden mit Sicherheit unbedingt auf ein schnelles Auswärtstor drängen, der Gastgeber darf sich eine stürmische Anfangsphase einstellen. Sollten die Portugiesen diese unbeschadet überstehen, könnten sie selbst in der Lage sein, gewisse Nadelstiche gegen die immer noch sehr anfällige Defensive der „Reds“ zu setzen. Daher wird der Spielverlauf äußerst geprägt von der Anfangsphase sein.

Porto ist mit Sicherheit nicht chancenlos, wird aber im Abwehrverbund an seine Grenzen getrieben werden. Ein frühes Auswärtstor könnte zudem für die komplette Paarung vorzeitig entscheiden, da Porto Räume öffnen müsste und Liverpool sein geliebtes Konterspiel aufziehen könnte. Auf der anderen Seite ist auch das Team von Conceicao im Stande jederzeit zu treffen.

Insgesamt wirkt allerdings Liverpool schon alleine wegen der Qualität in der Mannschaft als der leichte Favorit – auch in Portugal. Daher neigt das Pegel wohl etwas eher in Richtung eines Auswärtssieges oder eines (nicht torlosen) Unentschiedens. Ein Heimsieg wirkt jedenfalls als die momentan unwahrscheinlichste Variante.

(Photo by MIGUEL RIOPA/AFP/Getty Images)

 

Personelle Lage, mögliche Aufstellungen

Die „Drachen“ müssen am Mittwoch auf Innenverteidiger Felipe verzichten, welcher wegen einer roten Karte gesperrt ist. Große Fragezeichen stehen bei den Gastgebern noch hinter Torjäger Aboubakar, Danilo Pereira und André André.

Liverpool fehlt der deutsche Nationalspieler Emre Can wegen einer Geld-Sperre, auch Nathaniel Clyne wird nach seiner Rückenverletzung wohl noch ausfallen. Darüber hinaus sind Joe Gomez und Ragnar Klavan angeschlagen. Im Tor wird Loris Karius weiter den Vorzug gegenüber Simon Mignolet erhalten, in der Innenverteidigung könnte Dejan Lovren für den zuletzt nicht ganz überzeugenden Joel Matip in die erste Elf rücken.

 

Porto: Sa – Ricardo (Danilo P), Reyes, Marcano, Telles – Brahimi, Oliveira, Herrera, Corono – Marega, Soares (Aboubakar)

Liverpool: Karius – Alexander-Arnold, Matip (Lovren), Van Dijk, Robertson (Moreno) – Wijnaldum, Henderson,  Milner (Chamberlain) – Salah, Firmino, Mané

Marius Merck

Eine Autogrammstunde von Fritz Walter weckte die Leidenschaft für diese Sportart, die über eine (“herausragende”) Amateurkarriere bis zur Gründung von 90PLUS führte. Bei seinem erklärten Ziel, endlich ein “Erfolgsfan” zu werden, weiter erfolglos.


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