Expertenrunde zur Champions League: Zu viele „Häuptlinge“ bei PSG?

14. September 2021 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Die neue Saison in der UEFA Champions League steht vor der Tür. Vier Teams aus der Bundesliga hoffen auf den Einzug in die K.O.-Runde, die Favoriten in diesem Wettbewerb wollen schon früh ihre Ambitionen untermauern. Es warten sechs Spieltage voller Spannung und mit einigen packenden Duellen auf die Zuschauer. 

Doch welche Chancen haben die Bundesliga-Teams? Welche Mannschaft sorgt vor dem Start für die größte Begeisterung? Und welche Teams könnten überraschen? 90PLUS-Redakteur Manuel Behlert sprach mit Frank Linkesch (Kicker), Nick Miller (The Athletic UK) und Uli Hebel (u.a. Kommentator bei DAZN) über die anstehende Gruppenphase in der Königsklasse.



„Verlieren die Münchner zum Auftakt nicht, werden sie Gruppensieger“

Am 14. September startet die neue Saison in der UEFA Champions League. Nachdem es einige überraschende Meister gab, waren die Lostöpfe so interessant besetzt wie selten zuvor. Das sorgte für eine packende Auslosung mit einigen hochkarätig besetzten Gruppen. Auf welche Konstellation freuen Sie sich besonders?

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Frank Linkesch: Es bleibt abzuwarten, ob die Gruppen am Ende das halten, was sie versprechen. In den vergangenen Jahren fehlte leider oft die Spannung am letzten Gruppenspieltag, die Spreu hatte sich früh vom Weizen getrennt. Neben der Frage, welche beiden Teams sich fürs Achtelfinale qualifizieren ist spannend, in welcher Reihenfolge, da man als Gruppensieger im Achtelfinale bekanntlich eher noch einen vermeintlich leichten Gegner erwischen kann.

Sehr interessant finde ich die Gruppe B mit Liverpool, Atletico Madrid, Milan und dem FC Porto. Große Namen, attraktive Spiele, mit den Reds und den Colchoneros als Favoriten. Auch die Gruppe F mit Manchester United, Villarreal und Bergamo könnte sehr ausgeglichen werden, YB Bern hat hier nur Außenseiterchancen.

Champions League - Liverpool glückt Generalprobe

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Uli Hebel: Bei der ersten Nennung nichts Überraschendes. Gruppe A ist sportlich höchst unterhaltsam; dank sei der Vizemeisterschaft PSGs. Das quasi-Revival in Gruppe D – bis auf Borussia Mönchengladbach – finde ich auch spannend. Immerhin hat es in der Gruppe letzte Saison zwei der eher favorisierten Teams in der Vorrunde erwischt. Insgesamt haben wir ziemlich viele gleich austarierte Gruppen. Das war in den Vorjahren schon theoretisch oft klarer.

Nick Miller: In der Gruppe mit dem FC Barcelona und Bayern wird es einige große Spiele geben, ebenso in der Gruppe mit Real Madrid und Inter, aber ich glaube, am meisten freue ich mich auf die Gruppe mit Liverpool, Atletico Madrid, AC Mailand und Porto. Es ist eine tolle Mischung aus großen historischen Spielen und spannenden Teams, und ich weiß wirklich nicht, wer weiterkommt.

Die Teams aus der Bundesliga haben Gruppen mit ganz unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden erwischt. RB Leipzig befindet sich in einer unglaublich starken Gruppe, der BVB hat machbare Aufgaben zugelost bekommen. Was meinen Sie, wie schneiden die deutschen Teams ab?

UH: Bayern geht durch, Dortmund ist auch in die Pflicht zu nehmen – daran glaube ich auch. Wolfsburgs Gruppe ist eine spielerisch höchstansehnliche. Ich sehe allerbeste Chancen, dass sie die K.O.-Runde schaffen; vielleicht sogar als stilistische Überraschungsmannschaft. Für RB Leipzig wird es natürlich schwierig. Über ManCity diskutiere ich nicht, bleibt noch das Duell gegen PSG. Aufgrund der scharfen Umschaltmaßnahmen ist Paris keineswegs unbezwingbar. Es gibt eine Welt, in der ich mir alle Deutschen überwinternd vorstellen kann. Und wenn es in nur in der Europa League ist.

FL: Leipzig wird in Gruppe A meiner Meinung nach Dritter und sollte anschließend versuchen, in der Europa League endlich die magere deutsche Bilanz aufzupolieren. Gegen PSG und ManCity werden sie sich nicht durchsetzen, Brügge muss RB ohne Wenn und Aber hinter sich lassen. Die Dortmund-Gruppe ist die leichteste im Teilnehmerfeld. Der BVB hatte Losglück, Platz eins ist Pflicht. Sehr ausgeglichen verspricht die Wolfsburg-Staffel zu werden. Hier sehe ich den FC Sevilla als Sieger, doch dahinter hat der VfL alle Chancen, sich das Achtelfinale zu sichern. Leicht wird dies dennoch nicht, Salzburg und Lille sind nicht zu unterschätzende Gegner, die Teams werden sich gegenseitig die Punkte abjagen.

Und die Bayern? Abwarten! Der FC Barcelona ist ohne Lionel Messi nicht mehr so stark, aber immer noch ein sehr gut besetztes Team. Zudem wird dieser stolze Klub auf die Revanche für das denkwürdige 2:8 im Viertelfinale 2020 brennen. Verlieren die Münchner zum Auftakt in Camp Nou nicht, werden sie Gruppensieger. Benfica und Kiew sind gute Namen, dürften aber nur eine Nebenrolle spielen.

Bayern gelingt Generalprobe für Champions League

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Natürlich müssen wir über Paris Saint-Germain sprechen. Lionel Messi, Sergio Ramos, Achraf Hakimi, Georginio Wijnaldum: Kaum ein Team hat sich in diesem Sommer derart verstärkt, hinzu kommt der Verbleib von Kylian Mbappe. Es ist noch früh in der Saison, aber: Wird PSG das Team sein, das es zu schlagen gilt? Erwarten Sie schon eine starke Gruppenphase vom Starensemble?

FL: PSG hat mit seinen Transfers stark verdeutlicht, dass es unbedingt die Champions League endlich gewinnen will. Durch die Gruppenphase werden sie spazieren, dank der Kadertiefe können sie viel rotieren. Auch in der K.o.-Phase werden sie über zwei Spiele schwer zu schlagen sein, Geld schießt bekanntlich Tore. Aber in einem Spiel, dem Finale? Da ist alles möglich. Der Druck auf PSG wird generell enorm sein, alles andere als der Titel wird als Enttäuschung gewertet. Und abzuwarten bleibt, ob sich die Stars alle verstehen, ob es nicht zu viele Häuptlinge und zu wenig Indianer gibt. Wer weiß, vielleicht beginnt der erste Streit schon dann, wenn es um die Ausführung eines Elfmeters geht?

NM: PSG wird die Mannschaft sein, die die meisten anderen wahrscheinlich fürchten werden, aber das Interessante an der Champions League ist, dass wir hier herausfinden werden, ob ihre Sommertransfers zusammenpassen. Sie haben einige hervorragende Spieler verpflichtet, aber in der französischen Liga, wo sie bereits fünf von fünf Spielen gewonnen haben, werden sie nicht getestet. Gegen hochklassige Gegner in Europa wird sich zeigen, ob sie eine Mannschaft haben, die zusammenarbeitet, oder ob sie nur aus einzelnen Stars besteht.

UH: In jedem Fall ist Paris das Team, das jeder schlagen will. PSG hat im Sommer Fußball-Manager gespielt und endloses individuelles Talent angesammelt. Allerdings nach wie vor mit einem Offensiv-Defensiv-Gefälle, als auch mit Fragezeichen im Teamverbund, der Balance und auf der Verletztenseite (Neymar, Verratti). Aufgrund der Könner sind sie bei mir mit in der Konversation; aber bei weitem nicht eindeutig vorne.

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Die vier englischen Teams haben große Ambitionen. Chelsea hat mit Lukaku noch mehr Power, Manchester United hat mit Ronaldo einen absoluten Torjäger, der City fehlen könnte. Liverpool hat sich auf dem Transfermarkt zurückhaltend gezeigt. Schaffen es alle Teams der Premier League ins Achtelfinale oder wird ein Team in Schwierigkeiten geraten?

NM: Ich gehe davon aus, dass sich alle vier englischen Mannschaften qualifizieren werden, aber am wahrscheinlichsten ist das Ausscheiden von Liverpool. Sie haben die schwierigsten Gegner in der Gruppe, die alle die Mittel haben, den LFC zu schlagen. Manchester City hat ein schweres Spiel gegen PSG, wird aber mit ziemlicher Sicherheit RB Leipzig und Club Brügge schlagen, dasselbe gilt für Chelsea, während die Gruppe von Manchester United insgesamt eher „einfach“ ist.

„Wenn sich bei Paris alles zum Guten wendet, haben wir garantierte Unterhaltung“

Chelsea geht als Titelverteidiger und mit einem neuen Stürmer, Romelu Lukaku, in die neue Saison, PSG haben wir bereits thematisiert. Atletico hat als spanischer Meister sicher einiges vor, der FC Bayern zählt immer zu den Kandidaten und Manchester United hat zumindest in Sachen individueller Klasse erheblich nachlegen können. Welche Teams schätzen Sie nach aktuellem Stand am stärksten ein?

UH: Chelsea hat im Sommer die einzige Frage im Kader mit Lukaku bestmöglich beantwortet und ist noch stärker, variabler und schwieriger auszurechnen geworden. Mit Real Madrid – das haben wir alle gelernt – müssen wir immer rechnen. Juventus mit Allegri ebenfalls wieder. Und wenn sich bei Paris alles zum Guten wendet, haben wir garantierte Unterhaltung. Die Benchmark, trotz verlorenem Finale im Vorjahr, bleibt für mich Manchester City.

Gündogan

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FL: Ich würde hier drei Teams nennen: PSG, Manchester City und Titelverteidiger FC Chelsea. Treffen diese Teams aufeinander, entscheiden die Tagesform und Spielglück. Dahinter sehe ich Manchester United, den FC Liverpool und den FC Bayern, bei dem aber die Stammspieler alle gesund bleiben müssen. Gelingt dies, kann die Nagelsmann-Elf jeden Gegner dieser Welt an einem guten Tag schlagen. Die spanischen Teams schätze ich heuer nicht so stark ein, dass sie bis zum Ende um den Titel spielen, Juventus und Inter Mailand ebenfalls nicht.

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Sheriff Tiraspol aus der Republik Moldau, die Schweden aus Malmö, die Young Boys aus Bern mit Trainer David Wagner: Auch diesmal gehören einige Außenseiter zum Teilnehmerfeld der Gruppenphase. Auf welches der „kleineren“ Teams freuen Sie sich besonders, wer könnte überraschen? 

FL: Tiraspol ist eine tolle Geschichte. Es ist immer schön, wenn sich ein Außenseiter qualifiziert und in dieses fast schon geschlossene System Champions League eindringt. Ajax Amsterdam sehe ich sehr gerne, sie spielen unter Erik ten Hag seit Jahren einen schönen Fußball. Dazu kommen die deutschsprachigen Teams wie Bern und Salzburg, auf die man immer ein Auge wirft.

UH: Ich freue mich immer auf die Talentreservoirs. Am meisten auf Brügge, aber auch auf die Rückkehr von Ajax Amsterdam, die aufgrund der Gruppenkonstellation sogar K.O.-Chancen haben. Die beiden ukrainischen Teams sehe ich auch immer gerne. Die haben gute einheimische Generationen und brauchbares Talent gemischt.

NM: Als erste Mannschaft aus der Republik Moldau in der Champions League wird es spannend sein zu sehen, wie sich der FC Sheriff schlägt, zumal sie viele neue Spieler haben und die Struktur ihrer Liga sehr interessant ist. Red Bull Salzburg hat einige sehr gute junge Spieler, und ich bin sehr gespannt, was David Wagner bei den Young Boys macht.

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Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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