CL-Vorschau | Tottenham vs Liverpool: Das Treffen der Mentalitätsmonster

1. Juni 2019 | Vorschau | BY Chris McCarthy

Vorschau | Im Finale der Champions League erwartet uns ein rein-englisches Duell: Tottenham gegen Liverpool. Zwei Teams, die um ein Haar die Gruppenphase nicht überlebt hätten und jeweils ein Wunder benötigten, um das Halbfinale zu überstehen. Doch genau das scheint die beiden Teams auszuzeichnen, ebenso wie ihre Trainer…

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Tottenham

Trotz limitierter finanzieller Mittel hat Mauricio Pochettino die Tottenham Hotspur zu einem Stammgast in der Champions League transformiert. 35 Jahre nach dem letzten signifikanten Erfolg, dem Gewinn des UEFA-Cups, soll mit der Eröffnung des neuen Stadions nun eine neue, erfolgreiche Ära eingeläutet werden. Die erste Gelegenheit dazu bietet das Finale der Königsklasse.

Der Weg

Die Euphorie über die Teilnahme an der Königsklasse sowie die namhaften Gegner der Gruppe (Inter, Barcelona, PSV) setzten bei den zwischenzeitlich platten Spurs neue Kräfte frei. Denen ist es auch zu verdanken, dass sie ein nicht für möglich gehaltenes 1:1 beim FC Barcelona holten, um am letzten Spieltag den Einzug ins Achtelfinale zu sichern.

Beflügelt von dieser herausragenden Leistung entschieden die Nordlondoner das Achtelfinale gegen ein dezimiertes Dortmund bereits im Hinspiel (3:0; Rückspiel 1:0). Das Viertelfinale entpuppte sich als Zitterpartie. Angesteckt von der elektrisierenden Stimmung beim Europapokal-Debüt des neuen Tottenham-Stadions, bezwang das Team von Mauricio Pochettino Manchester City dank einer couragierten Leistung mit 1:0.

Im Rückspiel wurde diese Führung bereits nach vier Minuten egalisiert, doch dann setzte Heung-Min Son zum Doppelschlag an. Die Cityzens gaben sich jedoch ebenfalls nicht geschlagen, drehten bereits vor der 21. Minute die Partie und erhöhten in der 59. Minute sogar auf 4:2. Ausgerechnet der eingewechselte Fernando Llorente drückte dann wie aus dem Nichts in der 73. Minute den Ball für Tottenham über die Linie. Die darauffolgenden Angriffe ManCitys, gekrönt durch ein spätes Abseitstor von Raheem Sterling, wurden mit Mann und Maus verteidigt. Letztendlich qualifizierten sich die Spurs dank der Auswärtstorregel knapp für das Halbfinale.

Dieses verlief bekanntlich ebenso spektakulär. Nach schwachen 135 Minuten gegen Ajax, das Hinspiel zuhause (0:1) und die erste Halbzeit in Amsterdam (0:2), startete Tottenham eine furiose Aufholjagd. Angeführt von Hattrick-Schütze Lucas Moura setzten die Gäste erneut ungeahnte Kräfte frei, überkamen den Drei-Tore-Rückstand in aller letzter Sekunde (96′) und sicherten sich somit das Ticket für Madrid.

(Photo by Dan Mullan/Getty Images )

Pragmatisch und doch effektiv  

Der dünne Kader der Spurs war bereits vor der Saison, nach einer intensiven Weltmeisterschaft, sichtlich geschwächt und wurde weder im Sommer noch im Winter verstärkt. Die Ermüdungserscheinungen waren auch auf dem Platz deutlich zu erkennen. Nichts desto trotz gelang es der Mannschaft von Mauricio Pochettino weiterhin konstant Punkte einzufahren. Der argentinische Trainer bestach dabei gleich in zweierlei Hinsicht mit beachtlichem Pragmatismus.  

Zum Einen gelang es ihm, alles, aber wirklich alles aus seinem kleinen Kader zu holen und von jeder Ressource Gebrauch zu machen. Heung-Min Son machte mit wettbewerbsübergreifend 20 Toren und 10 Assists ein weiteren Sprung. Bereits abgestempelte Fehleinkäufe wie Lucas Moura (15 Tore) oder Moussa Sissiko, der plötzlich die dynamische und treibenden Kraft im Mittelfeld darstellte, avancierten zu Leistungsträgern. 

(Photo IAN KINGTON/AFP/Getty Images)

Ebenfalls pragmatisch, und damit kräfteschonender, war die zurückhaltendere Spielausrichtung, die dank einer beachtlichen Effizienz, neu gefundener Reife und einer kleinen Portion Spielglück Erfolg mit sich brachte. Als sich aber die Pflichtspiele und Verletzungen häuften, genügte das nicht.

Pochettino musste auf andere Werte setzen. Er hauchte seiner Mannschaft unbändigen Glauben an sich selbst ein. So konnte erneut eine Platzierung in den Top-Four verteidigt werden und so möchte man nun sogar die Champions League gewinnen. Liverpool ist nämlich nicht die einzige Mannschaft mit einer beachtlichen Mentalität.

Nicht tot zu kriegen 

Die Mentalität der Spurs wurde 2018/2019 oftmals auf die Probe gestellt: Als neben Harry Kane auch noch Dele Alli verletzungsbedingt ausfiel, als die Kräfte in der Liga scheinbar am Ende waren und die Top-Four-Platzierung aus den Fingern zu gleiten drohte, oder als Harry Kane erneut von seinem anfälligen Knöchel heimgesucht wurde.

Die Widerstandskraft ließ den kleinen Kader Tottenhams all diese Rückschläge überkommen. Sinnbildlich dafür waren die vielen Momente, in denen sie in der Königsklasse dem Tod von der Schippe sprangen. Gerade in der letzten halben Stunde, die Phase, in der die Energiewerte auf dem Tiefpunkt sein müssten, erzwangen die unermüdlich kämpfenden Spurs regelrecht ihr Glück: Das entscheidende 1:1 beim FC Barcelona, das den Einzug in die K.O.Phase überhaupt erst möglich machte, fiel erst in der 85. Minute, das erzwungene 3:4 durch Fernando Llorente bei Manchester City im Viertelfinalrückspiel in der 73. und der dramatische Siegtreffer bei Ajax Amsterdam zum Einzug in das Finale sogar erst in der sechsten Minute der Nachspielzeit.

(Photo by Dan Mullan/Getty Images )

In der laufenden Champions-League-Saison erzielten die Lilywhites zehn der insgesamt 19 Tore erst in der letzten halben Stunde. Tottenham ist 2018/2019 nicht tot zu kriegen, gerade in Europa.

Der Kane-Mythos 

Harry Kanes Knöchel, und damit seine Verfügbarkeit für das Finale, ist seit Wochen das Gesprächsthema Nummer eins bei den Spurs. Immerhin ist er ihr bester Spieler. Daran gibt es keinen Zweifel. Schaut man allerdings auf die Zahlen, würde man das kaum glauben: Mit ihm holte Tottenham 2018/2019 in der Liga im Schnitt 1,86 Punkte pro Spiel – ohne ihn dagegen 1,9. Ach ja, ohne Kane gelang darüber hinaus das Wunder von Amsterdam.

Ist der Engländer also doch nicht so wichtig? Nein, das lässt sich eher auf Taktiker Pochettino und seine uneigennützige Mannschaft zurückführen. Der Argentinier hat ein Kollektiv geformt, das weniger von Individuen abhängt und einen derartigen Ausfall sowohl mental als auch physisch zu kompensieren versteht. Andere Spieler übernehmen Verantwortung, legen eine Schippe drauf und werden von Pochettino gekonnt in Szene gesetzt. Dauerreservist Fernando Llorente agierte als „Abwehrbeschäftiger“, „Räumeschaffer“ und Brechstange, der quirlige Lucas Moura und der pfeilschnellen Heung-Min Son als Konterstürmer. Christian Eriksen und Co. schalteten sich vermehrt offensiv ein.

(Photo by Dan Mullan/Getty Images)

Ohne ihren berühmt-berüchtigten Fixpunkt in der Offensive waren die Spurs in dieser Saison nicht nur schwer auszurechnen, sie betrieben vor allem auch einen höheren körperlichen Aufwand, um Kanes Ausfall zu trotzen. Evident wurde das nach seiner ersten Rückkehr, als den Spielern die Strapazen anzumerken waren und sie sich zu sehr auf ihren angeschlagenen Talisman verließen. Mit Kane zurück im Aufgebot riss eine Siegesserie von vier Spielen und eine Negativserie von fünf Partien ohne Erfolg begann. Der Kane-Mythos war geboren.

Doch der Mythos ist nur das, ein Mythos. Gegen Ende der Saison, als Kane das zweite Mal ausfiel, waren auch bei Pochettinos Duracell-Häschen die Energiewerte auf einem Tiefpunkt. Nur drei der letzten neun Pflichtspiele wurden gewonnen. Darunter natürlich der Kraftakt von Amsterdam, wo jeder Spieler ein letztes Mal alles in die Waagschale warf.

Gegen Liverpool werden sie das wieder, ob mit oder ohne Kane.

Liverpool

Seit knapp vier Jahren steht Jürgen Klopp nun an der Seitenlinie des FC Liverpool. In diesen Jahren stieg mit den Ausgaben nicht nur die Leistungskurve rasant an, sondern auch die Erwartungen. Nach der knapp verpassten Meisterschaft soll der deutsche Trainer mit dem Gewinn der Champions League endlich auch den ersten Titel seit 2005 an die Anfield Road holen…

Der Weg ins Finale

Anders als in der Liga, wo nur ein Spiel verloren ging, hatte der FC Liverpool in der Champions League 2018/2019 so seine Mühen. Beinahe hätten die Reds aufgrund ihrer Auswärtsschwäche (Niederlagen bei Paris, Neapel sowie Roter Stern Belgrad) die Gruppenphase nicht überstanden. Durch ein 1:0 über Napoli am letzten Spieltag, das nur durch eine Glanztat Alissons festgehalten wurde, gelang letztendlich die Qualifikation zur K.O.-Phase.  

Hier setzten sich die Reds nach anfänglichen Startschwierigkeiten gegen den FC Bayern durch (0:0; 3:1), ehe der FC Porto bequem ausgeschaltet wurde (2:0; 4:1). Die letzte große Hürde vor dem Finale stellte der FC Barcelona dar. Nach dem Hinspiel schien diese gar unüberwindbar zu werden. Die Reds dominierten im Camp Nou zwar das Spielgeschehen, kreierten zunächst allerdings zu wenige Chancen und ließen gegen überaus effiziente Katalanen zu viele zu. Barcelona gewann mit 3:0 und verhinderte sogar das gefürchtete Auswärtstor.  

Das Rückspiel schien nur eine Formsache zu werden. Doch obwohl Jürgen Klopp auf Mohamed Salah und Roberto Firmino verzichten musste, zündeten die Reds an der Anfield Road ein wahres Feuerwerk an Intensität ab. Liverpool überrollte die behäbigen Gäste aus Barcelona und qualifizierte sich dank eines verdienten 4:0 für das Finale in Madrid.  

„Mentalitätsmonster“ 

„Ich habe den Jungs vor dem Spiel gesagt: Es ist unmöglich, aber weil ihr es seid, ist es möglich“, sagte Jürgen Klopp nach dem sensationellen 4:0 über den FC Barcelona. Natürlich war das seinerseits vor allem eine Phrase.

Bei Jürgen Klopp scheinen die Spieler allerdings fest an seine Worte zu glauben. Mehr noch, sie glauben an sich selbst. Mit seiner ansteckenden und enthusiastischen Art kann Klopp die Portion Selbstbewusstsein herauskitzeln, die bei einem derartigen Comeback gegen eine der besten Mannschaften der Welt den Unterschied machen kann. Die Intensität des Pressings, die Entschlossenheit in den Zweikämpfen und Angriffen, all das wurde für die zunehmend verunsicherten Gäste aus Barcelona zu viel. Sie wurden von den hungrigen Reds regelrecht aufgefressen.  

(Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Es wäre naiv zu behaupten, dass Liverpool es gegen Barcelona lediglich mehr wollte, oder die individuelle Klasse der Reds ebenso wenig eine Rolle spielte wie die defensiven Probleme der Katalanen. Gleiches gilt für die taktischen Kniffe und die spielerische Ausrichtung Jürgen Klopps, die die sensationelle Aufholjagd überhaupt erst möglich machten.   

Es wäre allerdings ebenfalls falsch, das, was sich in den Köpfen der Spieler ereignet, herunterzuspielen, und in diesem Bereich gelingt es Jürgen Klopp aus seinen Spielern wahre Mentalitätsmonster zu machen. 

Die Mischung macht’s  

Mentalität alleine gewinnt allerdings keine Titel. Tore, die Liverpool schon vor der Ankunft Mohamed Salahs genügend produzierte, genügen ebenfalls nicht. Das erkannten auch die Verantwortlichen des FC Liverpool und begannen mit der Ankunft Jürgen Klopps endlich kräftig zu investieren, vor allem in die Defensive.

Alleine die 145 Millionen Euro, die man für Abwehrchef Virgil Van Dijk (85 Millionen Ablöse) und Keeper Alisson (60 Millionen Euro) in die Hand nahm, brachten die Reds dem ersten Titel seit 2005 schon deutlich näher. Das neue Duo übertraf nicht nur durch eigene Leistungen die Erwartungen, sondern erleichterte durch ihre Präsenz sogar die Arbeit für Mitspieler wie Joel Matip oder Joe Gomez, die dadurch aufblühten. Die Defensive transformierte sich vergangene Spielzeit dadurch endgültig von der ewigen Schwäche zu einer absoluten Stärke. Kassierten die Reds 2016/2017 noch 42 Gegentore und 2017/2018 38, so waren es 2018/2019 lediglich 22 – Liga-Bestwert.

Photo by Alex Livesey / Getty Images Sport

Die Reds müssen sich nicht mehr auf ihre Offensive und hohe Intensität verlassen, um ein Spiel siegreich zu gestalten. Durch die neue Stärke agiert Liverpool kontrollierter, kann bequem und unspektakulär eine 1:0 Führung verwalten.

Mittlerweile kann Klopps Liverpool mehr als „nur Vollgasveranstaltungen“. Doch auch diese werden regelmäßig abgehalten, gerade in den Topspielen, wie das Beispiel Barcelona eindrucksvoll belegt. Diese Mischung machte Liverpool 2018/2019 so schwer zu schlagen, sie hätte beinahe die erste Meisterschaft seit 1990 beschert. Sie soll nun den Gewinn der Champions League ermöglichen.  

Außenverteidiger als Schlüssel 

Das Spiel des FC Liverpool wurde durch die neue Spielausrichtung kontrollierter, jedoch ging der Mannschaft mit sinkender Intensität etwas die Torgefahr abhanden. Das Team musste sich zunehmend auf das Mittelfeld verlassen. Eine Herausforderung für die Reds, denn gerade hier kristallisierte sich durch die Anpassungsprobleme von Naby Keita und Fabinho eine Schwachstelle heraus. Jordan Henderson und Georginio Wijnaldum erfüllten ihre pragmatischen Aufgaben zwar gut, dennoch hakte es in Sachen Kreativität.

Liverpool musste umdenken und stieß dabei auf seine ungemein athletischen Außenverteidiger. Sowohl Trent Alexander-Arnold als auch Andew Robertson arbeiten die Außen unermüdlich ab, verschaffen Mohamed Salah und Sadio Mané somit mehr Räume und versorgen sie darüber hinaus mit maßgeschneiderten sowie überlegten Vorlagen (siehe Alexander-Arnold gegen Barcelona).  

(Photo by Clive Brunskill/Getty Images)

Mit wettbewerbsübergreifend 29 Vorlagen sind Alexander Arnold (16) und Robertson (13) für das Offensivspiel der Reds unverzichtbar geworden. Zum Verlgiech: Der Top-Vorlagengeber der Spurs, Christian Eriksen – ein offensiver Mittelfeldspieler, hat insgesamt 17 Assists.  

Die vermeintlich defensive Flügelzange der Reds wird auch im Finale ein großer Faktor sein.  

Zwei Trainer in der Pflicht? 

Während Jürgen Klopp die hervorragende Entwicklung beim FC Liverpool endlich mit einer Trophäe krönen möchte, für viele sogar muss, übersteigt Mauricio Pochettino alleine schon mit der Final-Teilnahme die Erwartungen bei den Spurs. Trotzdem könnte auch Tottenham den Titel sehr gut gebrauchen. Wir sprachen mit DAZN-Final-Kommentator Jan Platte unter anderem darüber, was für beide Trainer auf dem Spiel steht.

(Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

90PLUS: Während Mauricio Pochettino mit den begrenzten Möglichkeiten des Klubs die Erwartungen bereits übertroffen hat, galt Liverpool schon eher als ein Kandidat fürs Finale. Siehst du den Druck für Jürgen Klopp höher, weil er jetzt auch endlich einen Titel holen muss? 

JP: Er hat nach dem Spiel gegen Barcelona gesagt, dieser Abend und dieses Erlebnis ist mehr wert als jede Silberware und ich glaube ihm jedes Wort zu hundert Prozent. Ich denke, dass das auch viele Fans so sehen. Andererseits würde ihm ein Triumph natürlich sehr gut tun. Nach den 97 Punkten in der Liga, die nicht zur Meisterschaft reichten, wird Liverpool ja auch schon ein Stück weit in die Favoritenrolle gedrückt, wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht. 

Bei Klopp kommt die Geschichte hinzu, einige Finals verloren zu haben, mit den Reds und auch mit dem BVB. Ich kann es aber nicht so richtig einschätzen, ob er das braucht. Ich würde sagen, nein. 

Aber irgendwann, ja, irgendwann wäre es für ihn natürlich schön, eine Trophäe als Liverpool-Trainer in den Händen zu halten. Es würde seine Hinterlassenschaft noch größer machen, die Leute würden ihn auf ewig auch mit einem Titel in Verbindung bringen und du wirst von vielen auch an Titeln gemessen, das ist halt so. 

Aber: Für wie viele unvergessliche Spiele und Augenblicke hat diese Mannschaft unter Klopp bitte schon gesorgt? 

90PLUS: Auf der anderen Seite Tottenham, die an einem entscheidenden Punkt sind. Sie sind finanziell limitiert, vielleicht braucht Pochettino den Titel ebenso, um ein gewisses Prestige aufzubauen und auf diesem Weg, Spieler anzulocken? 

JP: Ja, wobei Pochettino nicht in der Pflicht steht, das Ding zu gewinnen, um Tottenham noch attraktiver zu machen. Für die ist das allein schon so ein wahnsinnig großer Erfolg. Natürlich wollen die jetzt auch mehr und es ist ihnen auch zuzutrauen. Wenn man sich jetzt die Mannschaft anguckt, gibt es da eine Position ohne Nationalspieler? Kaum. 

Das ist eine Riesen-Möglichkeit für die, aber die sind schon sehr sexy geworden durch diese Saison. Wenn die da jetzt das Finale verlieren, sehe ich nicht, dass Pochettino in Bedrängnis gerät oder dass es Tottenham dann schlechter geht. 

Also die gehen aus dieser Saison definitiv als Gewinner raus, ganz gleich, was im Finale passiert. Sie haben jegliche Erwartung übertroffen und das ganz häufig ohne Harry Kane, einen der besten Mittelstürmer, den es überhaupt gibt. 

Das komplette Interview, samt Jan Plattes Prognose, gibt es hier.

Personal 

Tottenham 

Die guten Neuigkeiten vorweg, beide Harrys, Harry Winks und Harry Kane, stehen nach überstandenen Verletzungen für das Endspiel zur Verfügung. Ob Pochettino gleich von Anfang an auf das englische Duo setzt, ist allerdings fraglich. Ihnen fehlt womöglich die Fitness 90 Minuten die Intensität an den Tag zu legen, die der Argentinier für dieses Spiel benötigt.

Neben Kane, der der Offensive auf einen Schlag deutlich mehr Gefahr verleihen würde, wäre auch ein Einsatz von Winks von großem Vorteil. Sein unspektakuläres, dafür aber überlegtes Passspiel, würde dazu führen, dass die Spurs längere Ballbesitzphasen erzwingen und damit den Ball von den gefährlichen Reds fernhalten könnten. 

(Photo by Laurence Griffiths/Getty Images)

Die zuletzt angeschlagenen Jan Vertonghen, Davinson Sanchez, Danny Rose und Dele Alli konnten die letzte Woche allesamt ohne Einschränkung mittrainieren. 

Prinzipiell wirkten die Spurs mit einer Dreierkette in der Defensive deutlich stabiler. Gegen die Reds, bei denen das Offensivspiel fast ausschließlich über die Außen abläuft, könnte eine Art 4-5-1 mit gedoppelten Flügeln deutlich sinnvoller sein. Egal in welcher Formation, das so souveräne belgische Innenverteidiger-Duo Jan Vertonghen und Toby Alderweireld wird den Takt vorgeben.

Liverpool 

(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Das große Fragezeichen ist bei den Reds der Fitnesszustand von Roberto Firmino. Der Brasilianer konnte in den letzten vier Spielen aufgrund von Leistenproblemen nicht mitwirken. Sein Ausfall wurde zwar eindrucksvoll abgefangen, Comeback-Siege gegen Newcastle und Barcelona, doch sein Wert als intelligentes Bindeglied und Arbeitstier in der Offensive ist nicht zu unterschätzen. Firmino lässt sich oftmals fallen, verstärkt somit das Mittelfeld, oder bindet mit seiner Präsenz Gegenspieler und schafft somit Räume für seine Kollegen. Klopp kündigte an, dass der Angreifer im Finale zur Verfügung stehen sollte. Ob es für die Startelf langt, bleibt abzuwarten. Sollte er zunächst auf der Bank Platz nehmen, dürfte der Mann für die wichtigen Tore, Divock Origi, seine Rolle übernehmen.

Naby Keita (Leiste) wird unter keinen Umständen mit dabei sein. Die Dauerpartienten Alex Oxlade-Chamberlain und Adam Lallana sind fit, ihnen dürfte aber die Spielpraxis fehlen um Ansprüche auf ernsthafte Minuten stellen zu können. Diese erhofft sich Georginio Wijnaldum. Nach seiner einflussreichen Leistung gegen Barcelona dürfte er den Vorzug gegenüber James Milner erhalten.

Liverpool wird mit viel Energie in die Partie gehen und versuchen, die Spurs zu überrumpeln. Im Fokus dürften dabei, wie so oft, die Außen stehen, sowohl defensiv als auch offensiv.  

Mögliche Aufstellungen 

Tottenham: Lloris – Trippier, Alderweireld, Vertonghen, Rose – Winks, Sissoko – Dele, Eriksen, Son – Kane (Lucas) 

Liverpool: Alisson – Alexander-Arnold, Matip, Lovren, Robertson – Henderson, Fabinho, Wijnaldum (Milner) – Mane, Fimino, Salah 

Prognose 

Wenn Tottenham und Liverpool in dieser Saison eines demonstriert haben, dann, dass man sie niemals abschreiben sollte. Im Wanda Metropolitano treten zwei wahre Mentalitätsmonster aufeinander. Was das angeht, befinden sich beide Teams auf Augenhöhe. Qualitativ verfügen jedoch die Reds um den besseren Kader. Doch alleine die Spiele in der Liga, in denen sich die Spurs jeweils knapp mit 1:2 geschlagen geben mussten, zeigen, dass es Pochettinos Team an einem guten Tag mit jedem Gegner der Welt aufnehmen kann. Ist heute solch ein Tag?

Wir erwarten ein enges und intensives Duell, bei dem Nuancen den Unterschied machen könnten…vielleicht sogar erst in der Verlängerung oder im Elfmeterschießen.  

Chris McCarthy

(Main Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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