Hauptsache, der Ball rollt | Katar 2022: Schwenkt die Regenbogenfahnen!

11. April 2022 | Trending | BY Florian Weber

Eine Kolumne über eine „WM für alle“ in Katar, bei der sich aber nicht alle sicher fühlen können. Und die Bereitschaft der FIFA, dies zu ändern, sich in Marketingfloskeln erschöpft.


„Hauptsache der Ball rollt“ erscheint künftig wöchentlich. Jeden Montag als Rückblick darauf, welche wechselseitigen Auswirkungen von Fußball und Politik in der vergangenen Woche wichtig waren. Um die Mär, Fußball sei unpolitisch, der noch immer einige Funktionäre hinterhersinnen, zu widerlegen.


Am 23. Juni 2021, Deutschland traf bei der Europameisterschaft auf Ungarn, sollte die Allianz Arena in Regenbogen-Farben illuminiert werden. Als Reaktion darauf, dass die ungarische Regierung Tage zuvor schwulenfeindliche Gesetze erlassen hatte. Die ungarische Regierung erzürnte dieses Vorhaben. „Es ist äußerst schädlich und gefährlich, Sport und Politik zu vermischen“, sagte Außenminister Peter Szijjártó. „Die historische Erfahrung zeigt, dass das eine schlechte Sache ist, und allen voran die Deutschen wissen das genau.“



Eine schief in der Luft stehende Aussage, der die UEFA allerdings Folge leistete. Denn der Verband untersagte der Stadt München, die Arena regenbogenfarbend leuchten zu lassen. Der Verband argumentierte mit einer scheinbaren Zwangsläufigkeit, die aus den Statuten hervorgehe: Die UEFA sei „aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale Organisation. Angesichts des politischen Kontextes dieser speziellen Anfrage – eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abzielt – muss die UEFA diese Anfrage ablehnen.“ Aus dieser kruden Argumentation entsteht der Eindruck, als sei Schwulenfeindlichkeit für den Verband eine legitime politische Position. Ach, UEFA.

Für eine überragende Mehrheit in Deutschland ist es dies aber nicht. Eine kollektive Regenbogen-Flagge raste am Tag des Spiels durch Deutschland. Solidaritätsgesten überall. In jeder Stadt und auch den verwunschendsten Winkeln des Internets. Das Logo jeder Firma war plötzlich regenbogen-farbend. Die Aufmerksamkeit, die die illuminierte Arena erzeugen sollte, wurde durch das Verbot nur noch vergrößert.

Katar 2022: Keine WM für alle

Eine größere Aufmerksamkeit, die muss auch auf die Situation der LGBT+-Community rund um die anstehende Fußball-Weltmeisterschaft in Katar scheinen. Mehrere Fan-Organisationen veröffentlichten jüngst ein Statement mit einer erschütterten Botschaft. „Wir können unseren Mitgliedern, LGBT+-Menschen oder Verbündeten nicht mit gutem Gewissen sagen, dass dies eine WM für alle ist“, heißt es darin in fetten Lettern. Hintergrund dessen ist, dass homosexuelle Handlungen in Katar unter Strafe stehen. Auspeitschen, Inhaftierung oder sogar die Todesstrafe sind dafür vorgesehen. Wobei letztere nach Erkenntnissen von Menschenrechtsorganisationen bislang nicht vollstreckt worden ist.

Diese Tatsache bewegte die Fanorganisationen dazu, von der FIFA und dem WM-Organisationskomitees Sicherheitsgarantien für Anhänger LGBT+-Community zu verlangen. Zumal die FIFA immer wieder propagiert, die WM in Katar sei eine für „alle“. Und Nasser Al-Khater, der Vorsitzende des WM-Organisationskomitees, gegenüber „CNN“ sagte, dass auch Homosexuelle willkommen seien.

In dem Statement erklingt nun ein ernüchternder Ton. In den Gesprächen mit der FIFA und dem WM-Organisationskomitee „gab es wenig Bemühungen der Organisatoren, sich proaktiv mit den Bedenken auseinanderzusetzen. Stattdessen haben wir oft den PR-Satz gehört, dass ‚dies eine WM für alle‘ sei“. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Bedenke, Ängsten und Sorgen sei nicht zu erkennen. Der Eindruck, dass es nur um das Image, nicht um die Sache gehe, entsteht zwangsläufig. Und dieser bewegt die Fan-Organisationen zu einem deutlichen Urteil: „Slogans statt Sicherheit, Nebelkerzen statt Garantien, Vermeiden statt Handeln. Einfach gesagt: das ist nicht gut genug.“

Länger als nur 28 Tage

Maßnahmen und Zusicherungen zum Schutz von dort strukturell verfolgten Menschen werden also vermieden? Nicht ganz. Die „AP“ berichtete vor zwei Wochen darüber, dass Fans in Katar Regenbogen-Flaggen abgenommen werden könnten. Darüber würde nachgedacht. Denn so könnten die Fans davor geschützt werden, dafür attackiert zu werden, weil für die Rechte der LGBT+-Community symbolisch eintreten. Denn Gesetze und Religion könne man nicht für 28 Tage ändern, sagte der katarische Generalmajor Abdulaziz Abdullah Al Ansari.

28 Tage? Das wäre das Mindeste, wenn die FIFA, ein weltweit agierender Verband, der vor keine Marketingkampagne für die Gleichstellung aller zurückscheut, die Welt einlädt. Langfristig muss es aber natürlich um mehr gehen: Um die Anerkennung und Gleichbehandlung der in Katar lebenden LGBT+-Community. Genau wie Human Rights Watch es fordert.

Katar, heißt es in einem Statement, müsse Freizügigkeit und Nicht-Diskriminierung unabhängig von sexueller Orientierung und Genderidentität für alle Menschen in Katar versprechen, und nicht nur für WM-Touristen. Und wenn die FIFA müsste ein solches Versprechen zu einer unverhandelbaren Voraussetzung machen, wenn sie ein Turnier in einem Land ausrichten, wo Rechte, die eine Selbstverständlichkeit sein sollten, noch immer nicht gelten. Deswegen, auch wenn es nicht viel ist, aber zumindest etwas: Schwenkt die Regebogenfahnen!

(Photo by Clive Rose/Getty Images)


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