CL-Vorschau Gruppe E: Milan, Chelsea, Salzburg, Zagreb

4. September 2022 | Champions League | BY Steffen Gronwald

Der Start der diesjährigen Champions League-Saison rückt immer näher. In Gruppe E werden sich AC Milan, der FC Chelsea, RB Salzburg und Dinamo Zagreb um die begehrten Tickets für die K.O.-Runde streiten. Grund genug, um sich einmal genauer mit den Teams zu beschäftigen.

Milan: Als Meister in die Gruppenphase der Champions League

Elf Jahre ist es her, als Milan das letzte Mal als Italienischer Meister in die Gruppenphase der Champions League starten durfte. Aufgrund des großen Erfolgs in der Vorsaison war der Transfersommer auch verhältnismäßig ruhig, ein großer Umbruch – wie es ihn zuletzt regelmäßiger gab – blieb diesmal berechtigterweise aus. Um den Kader dennoch zu verstärken wurden Charles De Ketelaere (21, FC Brügge), Malick Thiaw (21, Schalke 04), Junior Messias (31, FC Crotone, feste Verpflichtung nach Leihe), Alessandro Florenzi (31, AS Rom, feste Verpflichtung nach Leihe) und Divock Origi (27, FC Liverpool) neu dazugeholt. Zudem ergänzen leihweise Sergino Dest (21, FC Barcelona) und Aster Vranckx (19, VfL Wolfsburg) den Kader. Der Fokus der Transferphase lag damit offensichtlich auf einer punktuellen Verstärkung der Defensive und der Breite des Angriffs.

Gegen Ablöse abgegeben wurden dagegen vor allem Spieler, die bereits im Vorjahr verliehen worden. Doch es waren auch potenzielle Stammkräfte, die den Verein ablösefrei verließen, so zog es unter anderem Franck Kessie (25) nach Barcelona und Ex-Kapitän Alessio Romagnoli zu Lazio Rom. Grundsätzlich konnte die Meistermannschaft aber beisammen gehalten werden, sodass die Elf von Trainer Stefano Pioli (56) von Beginn an eingespielt ist und keine Eingewöhnungszeit mehr benötigt. Die dürfte nicht nur in der Liga, sondern auch in der Gruppenphase der Champions League ein Pluspunkt gegenüber der Konkurrenz sein.

Ordentlicher Start in der Liga

Doch trotz dessen, dass die Meistermannschaft weitestgehend zusammen gehalten werden konnte, tat sich Milan in den ersten Spielen der Saison mitunter schwer. Im gewohnten 4-2-3-1 System blieb sich Milan zwar in Sachen Statistiken treu, doch die Punkteausbeute war noch nicht das, was man sich vor der Saison erhoffte. Sieben zu drei Tore aus vier Spielen haben so zu acht Punkten geführt. Nach den ersten vier Spielen stand die Pioli-Elf damit aber nur auf dem sechsten Rang. So war man zu diesem Zeitpunkt zwar ungeschlagen, doch zwei Unentschieden bei zwei Siegen ließen die Anhänger der Rossoneri nicht durchweg zufrieden dastehen. Bei Weitem kein schlechter Start, aber dennoch nicht so gut, wie er hätte sein können.

(Photo by Marco Luzzani/Getty Images)

Und dann war da noch das Derby della Madonnina am Samstagabend. In einem leidenschaftlichen Spiel konnte Milan das Derby für sich entscheiden und einen zwischenzeitlichen Rückstand in einen vollkommen verdienten Sieg ummünzen. Das 3:2 zeigte Milans große Klasse im Angriff, gepaart mit viel Leidenschaft – diese Mannschaft wird ganz schwer zu schlagen sein. Und so scheint der Saisonstart nun doch besser, als zunächst angenommen. Der Derbysieger wird dem Team neues Selbstvertrauen verleihen können.

Im Fokus: Rafael Leao

Der 23-jährige Flügelspieler hatte in der vorangegangenen Saison seinen endgültigen Durchbruch. Schon in den Jahren zuvor schaffte er es schrittweise, sich zu verbessern und entwickelte sich zunehmend zur Stammkraft. Jedoch ohne feste Position, denn Pioli rotierte regelmäßig und stellte den Portugiesen sowohl auf den Außenpositionen als auch im Sturmzentrum auf. Dies war in der letzten Saison anders, dort bespielte Leao stets die linke Außenbahn. Dies tat ihm sichtbar gut, nie zuvor konnte er eine je zweistellige Anzahl an Toren und Vorlagen beisteuern. Bleibt offen, ob Leao auch in dieser Saison noch eine Steigerung vornehmen kann, Grund genug, den  Außenspieler besonders im Blick zu behalten. Nicht nur wegen seines Doppelpacks im Derby gegen Inter…

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Chelsea: Aufgrund diverser Fragezeichen scheint diesmal alles möglich

Die Blues haben in vielerlei Hinsicht einen turbulenten Sommer hinter sich. Nach dem Eigentümer-Wechsel folgte eine irre Transferzeit mit teils haarsträubenden Summen, die in der Premier League offenbar nur noch ein leichtes Schulterzucken hervorrufen. So darf sich Neuzugang Wesley Fofana (21, Leicester City) als teuerster Innenverteidiger bezeichnen und Marc Cucurella (24, Brighton), Raheem Sterling (27, Manchester City), Kalidou Koulibaly (31, Neapel), Pierre-Emerick Aubameyang (33, FC Barcelona), Gabriel Slonina (18, Chicago) und Leihgabe Denis Zakaria (25, Juventus Turin) ließen die Kreditkarte des US-Konsortiums um Todd Boehly (48) als neue Eigentümer des CFC mächtig glühen.

Eingenommen wurde, obwohl zahlreiche Leistungsträger den Verein verließen, im Vergleich zu den Ausgaben jedoch kaum eine nennenswerte Summe. Timo Werner (26) kehrte nach Leipzig zurück, Emerson (28) und Billy Gilmour (21) suchen bei der Konkurrenz von West Ham, bzw. Brighton ihr persönliches Glück, Romelu Lukaku (29) spielt nun wieder für Inter Mailand das Abwehr-Trio um Antonio Rüdiger (29), Andreas Christensen (26) und Marcos Alonso (31) wechselte bekanntermaßen ablösefrei nach Spanien.

Wie schnell formt Tuchel (s)eine Mannschaft?

Die diversen Veränderungen im Kader des FC Chelsea zeigen schnell, dass der Mannschaft eine schwierige Saison bevorsteht. Dies beweist auch der durchwachsene Saisonstart der Blues – aus den ersten sechs Spielen holte die Mannschaft von Trainer Thomas Tuchel (49) zehn Punkte, gewann drei Partien, spielte einmal Remis und stand zweimal als Verlierer da. Das Ganze bei einem Torverhältnis von 8:9. Der jüngste Sieg gegen West Ham war in der am Ende zudem äußerst glücklich, nachdem Chelsea erste kurz vor Schluss doppelt traf und ein eigentlich regulärer Gegentreffer zurückgenommen wurde.

Doch bei solch immensen Transferaktivitäten ist auch klar, dass es eine gewisse Zeit benötigt, um aus diesem Spielermaterial auch eine einheitliche Mannschaft zu formen. Das sollte für Tuchel grundsätzlich kein Problem sein, dennoch ist fest davon auszugehen, dass dieser Weg auch kleine Schlaglöcher mit sich bringen wird, die die Blues zum Stolpern bringen können. Dementsprechend ist den Blues gerade in der Gruppenphase der Champions League so ziemlich alles zuzutrauen – im positiven wie negativen Sinne.

Der Saisonstart zeigte, dass die Defensive noch mächtig wackelt und Stabilität benötigt. Erfolgt eine schnelle Eingewöhnung der Neuzugänge, dann könnte dieses Problem schnell in den Griff bekommen werden. Funktioniert dann noch die bisher eher enttäuschende Offensive, sind die Blues schwer aufzuhalten. Das große Aber ist aber der Konjunktiv – in genau diesem befinden sich die Blues nämlich, da es aktuell schwer zu prognostizieren ist, wie sich der FC Chelsea präsentieren wird.

Im Fokus: Conor Gallagher

Das Eigengewächs der Blues darf sich nun endlich bei seinem Jugendverein zeigen. Nachdem der mittlerweile 22-jährige Youngster zuletzt stets verliehen wurde, darf er sich nun als festes Mitglied der Tuchel-Elf bezeichnen. Zu Saisonbeginn waren es noch Joker-Einsätze für den Engländer, mittlerweile durfte er aber seine ersten Startelfeinsätze feiern. Diese liefen zwar nicht immer so ab, wie erhofft (Platzverweis gegen Leicester nach 28 Minuten), dennoch scheint er sich erst einmal festgespielt zu haben, denn nach Ablauf der Sperre fand er sich erneut in der ersten Elf wieder.

Es wird spannend zu beobachten sein, wie der zentrale Mittelfeldspieler nun für Chelsea aufspielen wird. In der vergangenen Saison gelangen ihm acht Tore in 34 Spielen für Crystal Palace, die Offensive scheint ihm durchaus zu liegen. Ein Faktor, der dem Chelsea-Spiel guttun kann und keinesfalls zu unterschätzen ist. Mit dem Youngster wird dementsprechend definitiv zu rechnen sein, die Chelsea-Fans dürfen sich wieder auf einen jungen Mann aus den eigenen Reihen freuen.

Salzburg: Verlust vieler Leistungsträger

Eines haben die Neuzugänge von RB Salzburg allesamt gemeinsam – sie sind jung und vielversprechend. Mit den 18-jährigen Lucas Gourna-Douath (St. Etienne) und Karim Konaté (Mimosas), dem 21-jährigen Strahinja Pavlovic (Monaco) und dem 23-jährigen Fernando (Donezk) kommen zwei Offensiv- und zwei Defensivkräfte, die die Zukunft von RB Salzburg mit prägen sollen. Mit diesem Scouting bleiben sich die Österreicher gegenüber der Vorjahre mal wieder treu.

Ebenfalls gleich bleibt die Tatsache, dass sich RB Salzburg auch in diesem Sommer von Leistungsträgern trennen musste, die wiederum eine Menge Geld auf die Einnahmenreihe beförderten. Mit Brenden Aaronson (21, Leeds United), Karim Adeyemi (20, BVB), Mohamed Camara (22, Monaco) und Rasmus Kristensen (24, Leeds United) nahmen die Salzburger insgesamt fast 90 Millionen Euro ein. Eine Summe, die staunen lässt, die gute Scouting-Abteilung unterstreicht, aber auch große Lücken in der Mannschaft hinterlässt. Kann dies auch in dieser Saison abermals aufgefangen werden?

Schafft Salzburg erneut das kleine Wunder K.O.-Phase?

Im vergangenen Jahr schaffte RB ein kleines Wunder und konnte ich die ersehnte K.O.-Phase der Champions League einziehen. Nach dem jahrelangen Fluch der CL-Qualifikation gelang vor wenigen Jahren endlich der Einzug in die Champions League, was letzte Saison dann auch mit dem Einzug in das Achtelfinale gekrönt wurde. Dort war dann jedoch Schluss, nachdem der FC Bayern München ein kleines Machtwort sprach und die Salzburger im Rückspiel mit 7:1 nach Hause schickte. Doch die Mannschaft, die in der Champions League als FC Salzburg auftritt, hat Blut geleckt.

In der Bundesliga in Österreich stehen die Salzburger als Double-Sieger wieder einmal am Platz an der Sonne, haben nach sieben Spielen 18 Punkte auf dem Konto und ein Torverhältnis von 17:3. Die Stärken der Offensive und die Souveränität in der Defensive konnten auf nationaler Ebene bislang wieder gezeigt werden. Gelingt dieser schnelle und furiose Fußball auch auf internationaler Ebene, kann das Zuschauen gerade für den neutralen Beobachter eine Menge Spaß bedeuten. Das intensive Spiel wird auch in dieser Saison wieder durchgezogen. Ob die Mannschaft auch über die nötige Breite im Kader verfügt, um das in der eng getakteten Champions League durchzuziehen, bleibt abzuwarten.

Im Fokus: Luka Sucic

Eine Reihe von vielversprechenden Talenten warten auf den großen Durchbruch und die internationale Bühne. Einer derjenigen, von denen der nächste große Sprung zu erwarten ist, ist Luka Sucic (19). Der Kroate mauserte sich im vergangenen Jahr zum Stammspieler und wusste im zentralen Mittelfeld zu gefallen. Er ist in der Lage, das Spiel zu lenken und in der Zentrale die Fäden zu ziehen. Dazu kommt, dass der 1,85m große, gebürtige Österreicher in der Rückrunde gefallen am Toreschießen gefunden hat. Alleine in den letzten acht Spielen der abgelaufenen Saison erzielte Sucic sechs Treffer und gab zwei Torvorlagen.

Behält Sucic diese Form bei, darf man vom großen Sprung ausgehen und gespannt sein, wie sich der Youngster auf internationaler Ebene schlägt. Auf jeden Fall kann er dabei helfen, gegen die vermeintlichen Favoriten zu bestehen und mit seinen Fähigkeiten Nadelstiche setzen um erfolgreich zu sein. Ob dies dann auch reicht, um die Überraschung des Weiterkommens zu schaffen, wissen wir im späten Herbst.

(Photo by CHRISTOF STACHE / AFP)

Dinamo Zagreb: Comeback in der Gruppenphase

Im vergangenen Jahr scheiterte Dinamo Zagreb bereits in der Qualifikation zur Champions League gegen die spätere Überraschungsmannschaft von Sheriff Tiraspol. In diesem Jahr blieb die Mannschaft von Trainer Ante Cacic (68) konzentrierter und konnte sich erfolgreich für die Champions League qualifizieren – sehr zur Freude der zahlreichen Anhänger des Kroatischen Meisters.

Um für diese Saison gewappnet zu sein und sich entsprechend auf Europas größter Bühne präsentieren zu können, verstärkte sich die Mannschaft nur punktuell. Innenverteidiger Bosko Sutalo (22, Atalanta Bergamo) und der zentrale Mittelfeldspieler Robert Ljubicic (22, Rapid Wien) kamen jeweils für eine mehr oder wenige geringe einstellige Millionenablöse, der in der Bundesliga bekannte Stürmer Josip Drmic (29) kam ablösefrei. Doch es gab auch einige Spieler, die den Verein verließen. Neben Bartol Franjic (22, VfL Wolfsburg) wechselten auch Kristijan Jakic (25, Frankfurt), Petar Stojanovic (26, Empoli), Amer Gojak (25, Ferencvaros) und Komnen Andric (27, Clermont Foot) gegen Ablöse ins Ausland. Wieder einmal muss sich das Team also zumindest in Teilen neu finden.

Viel Selbstbewusstsein dank Dominanz in der Liga

Die Kroaten werden in dieser Saison mit einer breiten Brust und viel Selbstbewusstsein auftreten können, welches sich der Meister im Ligabetrieb holen sollte. Atemberaubende 27 Tore hat die Cacic-Elf in nur acht Partien erzielt, ein Wert, der selbst die heimischen, erfolgsverwöhnten Fans staunen lässt. Allerdings gibt es auch berechtigten Grund für Kritik, denn die Defensive liefert derzeit noch nicht das, was eines Meisters würdig wäre. Bereits zehn Gegentore fing sich der Spitzenreiter nach aktuellem Stand, was fast die Hälfte an Gegentreffern ist, welche Zagreb in der gesamten Vorsaison kassierte. Es gibt also, allem Erfolg zum Trotz, auch verbesserungswürdige Punkte im Spiel der Kroaten. Insbesondere bei einer Gruppe in der Champions League, die mit großen Namen ausgestattet ist.

Zagreb steht also für mächtig Spektakel – vorne hui, hinten Pfui. Dies kann gegen Gegner wie Chelsea und Milan mächtig nach hinten losgehen, verspricht aber viel Spaß für die neutralen Beobachter. Doch wer weiß, möglicherweise ist es genau dieses Spektakel, welches Zagreb gut tun und die Gegner verunsichern kann, sodass am Ende sogar der Sprung auf Platz 3 und vielleicht noch höher gelingen kann.

Im Fokus: Luka Ivanusec

Luka Ivanusec ist Stammkraft im offensiven Mittelfeld Zagrebs. Der 23-jährige Kroate kann als Dreh- und Angelpunkt von Dinamo bezeichnet werden und ordnet und strukturiert das Spiel seiner Mannschaft. Doch der junge Spieler ist bislang nicht als Torjäger bekannt geworden und zeigte sich in der laufenden Saison ebenfalls mehr als Vorlagengeber. Doch das kann sich schnell ändern. Im offensiven Spielgedanken Zagrebs dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch bei Ivanusec endgültig der Knoten platzt. Es lohnt sich, den kleinen Spielmacher im Auge zu behalten. Er könnte einer der nächsten Spieler sein, die es in Richtung Ausland zieht.

Prognose: Es geht nur über Chelsea und Milan

Sollte alles normal laufen, dürfte kein Weg an Chelsea und Milan vorbei gehen. Zu immens ist der qualitative Unterschied gegenüber der vermeintlichen Außenseiter. In einem direkten Aufeinandertreffen ist es durchaus vorstellbar, dass Salzburg oder Zagreb es schaffen, einen der beiden Großen zu ärgern, über die sechs Spiele hinweg scheint es aber nur schwer vorstellbar, dass am Ende nicht die Rossoneri und die Blues die ersten beiden Plätze belegen.

 

(Photo by Glyn KIRK / AFP)

Steffen Gronwald

Steffen verfolgt primär den Vereinsfußball, fühlt sich im deutschen Ober- und Unterhaus zu Hause - verfolgt zugleich aber auch La Liga und die Premier League intensiv. Ob Offensivspektakel oder "park the Bus", fesseln tut ihn beides, zudem steht bei ihm auch der Schiedsrichter im Fokus. Seit 2016 bei 90PLUS.


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