Frankfurt vs. Barcelona: Jahrhundertspiel für die Eintracht – und die nächste magische Europapokal-Nacht?

Vorschau | Im Viertelfinale der Europa League trifft Eintracht Frankfurt auf den FC Barcelona. Während für die Adler das Jahrhundertspiel ansteht, sieht Barça die SGE als eine Hürde auf dem Weg zum Titel.
Ein Hauch von David gegen Goliath
Die Rollenverteilung ist klar, wenn am Donnerstagabend im restlos ausverkauften Frankfurter Waldstation der Anpfiff ertönt: Der FC Barcelona hat sich unter Trainer Xavi (42) wieder zu einer sportlichen Größe im europäischen Vereinsfußball entwickelt, reist als klarer Favorit in die Mainmetropole. Das hindert die Eintracht aber keinesfalls daran, an ein kleines Wunder zu glauben – aus Gründen. Denn wenn es ein Team in den letzten Jahren geschafft hat, in diesem Wettbewerb für Furore und magische Nächte zu sorgen, dann war es die SGE. Mit den frenetischen Fans im Rücken ist ein weiterer unvergesslicher Abend kein Ding der Unmöglichkeit.
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Eintracht Frankfurt: Bereit für die nächste magische Nacht
Auf dem Rasen gab es in letzter Zeit wechselhaftes Wetter für Eintracht Frankfurt. Drei Siegen in Folge und dem Einzug ins Europa-League-Viertelfinale gegen Real Betis (2:1, 1:1 n. V.) folgten ein magerer Auftritt in Leipzig, der etwas glücklich in einem 0:0 mündete. Ebenso torlos endete die Generalprobe gegen Greuther Fürth am vergangenen Wochenende, bei der den Adlern trotz einiger Torchancen über weite Strecken erneut die offensive Durchschlagskraft fehlte. Mutmacher waren die letzten beiden Auftritte also nicht.
Die jüngsten Formschwankungen der Eintracht lassen sich gut auf den gesamten Saisonverlauf projizieren, wo eines stets ein großes Thema war: Die fehlende Konstanz. Neben guten Phasen, in denen sich auch die ein oder andere Siegesserie findet, lassen die Hessen insbesondere gegen schwächere Teams aus der Bundesliga zu oft Punkte liegen. So gab es neben dem jüngsten Punktverlust gegen Schlusslicht Fürth unter anderem in beiden Spielen gegen Bielefeld (1:1, 0:2) sowie den FC Augsburg (0:0, 1:1) keinen Dreier.
Die Konstanz ist das große Problem
Ein Grund für die fehlende Konstanz ist der Trainerwechsel. Vergangenen Sommer löste Oliver Glasner (47) den erfolgreichen Adi Hütter (52) ab. Zwar ähneln sich die Spielideen der beider Trainer in ihrem Grundsatz, darüberhinaus haben die beiden Österreicher, abgesehen von der Nationalität, jedoch nicht sonderlich viele Gemeinsamkeiten. Glasner setzt, genau wie sein Vorgänger, auf Intensität und Laufbereitschaft gegen den Ball. Nach vorne läuft gerade gegen stärkere Mannschaften zwar nach wie vor vieles über Umschaltmomente, Glasner versucht jedoch – ähnlich, wie er es schon in Wolfsburg tat – auch mehr spielerische Elemente in das Repertoire seiner Mannschaft aufzunehmen.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)
Das beobachtet auch Christopher Michel, der für Sport1 als Eintracht-Reporter arbeitet und die Mannschaft seit Jahren begleitet. „Unter Glasner wurde das Spiel an und für sich spielerisch anspruchsvoller, er fordert auch mehr Kombinationen in der Mitte des Spielfeldes. Filip Kostić (29) soll entlastet und nicht mehr dauerhaft eingebunden werden, auch andere Spieler Verantwortung übernehmen. Durch Neuzugänge wie Jesper Lindström (22), Ansgar Knauff (20) und Rafael Borré (26) hat das Team mehr Tempo und Tiefgang“, so Michel.
Neben der Tatsache, dass es natürlich Zeit erfordert, bis gewisse Automatismen greifen, hat die Mannschaft ein weiteres Problem: Es fehlt ein Vollstrecker. Die Aufgabe, die früher Ante Jović (24) und bis zum Ende der vergangenen Saison André Silva (26) bravourös erfüllten, kommt nun auf Borré zurück. Der Sommerneuzugang hat vieles, was ein guter Stürmer braucht, besticht durch kluge Laufwege und ein starkes Positionsspiel. Neben der Tatsache, dass sich der Kolumbianer immer noch in der Akklimatisierungsphase befindet, geht ihm jedoch auch die nötige Physis etwas abhanden. „In Wolfsburg hatte Glasner mit Wout Weghorst (29) hier ein passendes Puzzleteil, das in Frankfurt nicht vorhanden ist. Dadurch versanden viele gute Ansätze im Nichts, weil ein Verwerter fehlt. Glasner frustriert das sehr“, so Michel.
Barcelona: Wiederauferstehung im Rekordtempo
Ein Stürmer-Problem – wenn man denn überhaupt von einem sprechen kann – hat der Gegner nicht. Nicht mehr, besser gesagt. Nachdem Luis Suárez (35) den FC Barcelona im Sommer 2020 verließ, war die Position der Nummer Neun über ein Jahr lang die Problemzone bei den Katalanen. Erst im Winter konnte mit Pierre-Emerick Aubameyang (32) ein Stürmer geholt werden, der konstant und auf hohem Niveau Tore schießen kann. Nachweise lieferte er alsbald – ohne jede Anlaufzeit. So konnte der Gabuner in seinen ersten zwölf Pflichtspielen in „Blaugrana“ gleich neunmal einnetzen.
Die gute Nachricht für Barça: Sie haben wieder einen funktionierenden Stürmer. Die noch bessere: Das gleiche lässt sich über die gesamte Mannschaft sagen. Der Hauptgrund dafür ist Trainer Xavi (42). Die Vereinslegende hat es innerhalb von nur wenigen Wochen geschafft, aus einem Trümmerhaufen wieder eine funktionierende Mannschaft mit Gesicht zu formen – und das auf eine beeindruckende Art und Weise.
Wie der 42-Jährige das geschafft hat? Alex Truica, freier Journalist und Chefredaktuer bei Barçawelt, erklärt den Prozess wie folgt: „Xavi hat den Spaß zurückgebracht, eine Aufbruchstimmung im Team und Klub geschaffen. Die Mannschaft ist wieder eine Einheit und ein eingeschworener Haufen, die Trainingseinheiten machen wieder Spaß, sind aber gleichzeitig fordernd. Er hat auch klare Ideen, einen klaren Plan und eine klare Philosophie. Und die Spieler setzen das um, was Xavi fordert, folgen seinen Anweisungen und Ideen. Er passt einfach perfekt zu seinem FC Barcelona, liebt und lebt den Klub, hat die Barça-DNA. Und ist auch schlicht und ergreifend ein enorm talentierter Trainer.“
Zurück zu alten Tugenden – nur ein bisschen anders
Interessant dabei: Anders, als Xavi es selbst als „La Masia“-Absolvent und später jahrelang unter Pep Guardiola (51) als Schlüsselspieler praktizierte, lässt er als Trainer der Katalanen zumindest ein Stück weit vom Barça-typischen Ballbesitz- und Positionsspiel ab, setzt auch auf schnelle Pässe in die Tiefe und Umschaltmomente. Zwar ist die Ausrichtung von Barcelona nach wie vor Ballbesitz-orientiert. Neben der typischen Spielweise, sich den Gegner geduldig zurechtzulegen und mittels Raumüberladungen und Seitenverlagerungen die Ketten auseinanderzuziehen, wird nun aber auch der direkte Weg zum Tor öfter forciert. Gegen den Ball presst Barça früh, attackiert den Gegner oft schon in seiner eigenen Hälfte. Für die kurze Zeit, die Xavi hatte, wirken die Abläufe schon unheimlich koordiniert, viele Automatismen scheinen bereits zu greifen.
Auf diese Art und Weise gelang auch der Höhepunkt der jüngsten Wiederauferstehung: Ein 4:0-Erfolg über Real Madrid – im Bernabéu. Ein erstes großes Gemälde dessen, was über die vergangenen Monate im Eiltempo heranwuchs. Neben der Kunst, ein kaputtes Team in der Schnelle wieder zusammenzuflicken, hat Xavi es auch geschafft, Einzelspieler besser zu machen oder sie wieder aufzubauen. Ein Paradebeispiel ist Ousmane Dembélé (24). Noch im Winter völlig außen vor, bekam der Franzose von Xavi eine neue Chance. Jetzt, drei Monate später, sieht man den wohl mit Abstand besten Dembélé, den es jemals in „Blaugrana“ gegeben hat.
Worauf es für Frankfurt und Barça ankommt
Was muss Frankfurt also tun, um einer wiedererstarke Truppe aus Talent und Weltklasse Paroli zu bieten? „Die Frankfurter müssen diszipliniert, lauf-, zweikampfstark und ganz eng an den Gegenspielern sein. Vielleicht sollte Glasner sogar an eine Art Sonderbewachung für die Schaltzentrale von Barcelona – sei es nun Sergio Busquets (33) oder Frenkie de Jong (24) – denken“, sagt Eintracht-Experte Michel. Bringen die Adler ihre Grundtugenden auf den Platz, können sie den Gästen aus Spanien mindestens mal unangenehme 90 Minuten bereiten. Ein wichtiger Faktor sind dabei natürlich auch die Fans im Rücken, die in den vergangen Jahren schon zu dem ein oder anderen unvergesslichen Europapokal-Abend beigetragen haben.
Für Barcelona wird es darum gehen, das eigene Spiel aufzuziehen und sich von der emotionalen Wucht der über 40.000 Eintracht-Fans nicht beirren zu lassen. „Barça muss Frankfurts Intensität matchen. Die SGE wird vom frenetischen Publikum nach vorne gepusht werden, ich erwarte ein ähnliches Spiel wie in Istanbul (0:0 im Achtelfinal-Hinspiel). Eine Eintracht, die vom Publikum und Ambiente angepeitscht 120 Prozent geben wird. Barça muss hellwach sein, laufstark, zweikampfstark, darf sich nicht den Schneid abkaufen lassen. Fußballerisch besser ist Barça sowieso, aber es wird eben auch auf die anderen Tugenden ankommen, die kämpferischen“, schätzt Barça-Experte Truica die Anforderungen an die Katalanen ein.
Prognose: Das sagen die Experten
Christopher Michel: „Der FC Barcelona entscheidet darüber, ob er weiterkommt oder nicht. Nur dann, wenn Barcelona nicht die 100 Prozent erreicht, die Eintracht ihrerseits über sich hinauswächst, ist etwas möglich […] Auch wenn die Frankfurter den Katalanen im Hinspiel Probleme bereiten und ein knappes Ergebnis erzielen werden: Spätestens im Camp Nou vor möglicherweise 90.000 Zuschauern ist dann wohl Schluss für die Eintracht. Die Hürde ist einfach gewaltig und Trainer Xavi hat Barcelona wieder zum Laufen gebracht […] Daher gehe ich eher von einem Weiterkommen von Barça aus.“
Alex Truica: „Barça kommt weiter. Das Hinspiel wird schwierig, aus oben genannten Gründen. Im Camp Nou sollte Barça dann aber endgültig zeigen, dass man für die SGE eine Nummer zu groß ist. Ich denke, im Camp Nou könnte es spätestens eine klare Sache werden.“
Was das Resultat angeht, sind sich die beiden Journalisten einig. Die Gefahr, dass Barça die Europa League auf die leichte Schulter nimmt – sie wären beileibe nicht das erste Topteam, dem das passiert – bestehe im Übrigen nicht, „weil Barça diesen Wettbewerb wirklich gewinnen will“, so Truica. „Das betonen die Spieler und auch Trainer Xavi immer wieder bei jeder Pressekonferenz, und sie sind dabei authentisch. Barça nimmt diesen Wettbewerb sehr ernst und wird alles dafür tun, ihn zu gewinnen.“
Mögliche Aufstellungen
Eintracht Frankfurt: Trapp – Tuta, Hinteregger, Ndicka – Knauff, Jakić, Sow, Kostić – Lindstrøm, Borré, Kamada
FC Barcelona: ter Stegen – Sergi Roberto, Araújo, García, Alba – De Jong, Busquets, Pedri – Adama, Aubameyang, Dembélé
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