WM 2022 | Vorschau Gruppe C: Argentinien, Saudi-Arabien, Mexiko und Polen

17. November 2022 | WM-Spotlight | BY Yannick Lassmann

In der Gruppe C der Weltmeisterschaft 2022 trifft das zu den Topfavoriten zählende Argentinien auf die mit reichlich bekannten Namen besetzten Auswahlen aus Mexiko und Polen sowie den krassen Außenseiter Saudi-Arabien.

Der Spielplan der Gruppe C

Argentinien vs. Saudi-Arabien (22. November, 11 Uhr)
Mexiko vs. Polen (22. November, 17 Uhr)

Polen vs. Saudi-Arabien (26. November, 14 Uhr)
Argentinien vs. Mexiko (26. November, 20 Uhr)

Polen vs. Argentinien (30. November, 20 Uhr)
Saudi-Arabien vs. Mexiko (30. November, 20 Uhr)

 

 

Argentinien: Messis letzter Anlauf

Zumindest als Mitfavorit reiste Argentinien zu den vergangenen WM-Auflagen. Die Ergebnisse fielen oftmals relativ spärlich aus, das 2014er Endturnier einmal ausgeklammert, wo bekanntermaßen Deutschland im Endspiel hauchdünn die Nase vorne hatte. Vier Jahre später enttäuschte die Albiceleste dagegen über weite Strecken, gewann nur eine von vier Partien und scheiterte in einem spektakulären Achtelfinale an Frankreich (3:4). Spätestens zu diesem Zeitpunkt, wahrscheinlich aber schon nach den Copa-América-Finalniederlagen gegen Chile, haftete der Generation um Lionel Messi (35), der seit 2006 an allen Weltmeisterschaften teilnahm, der Ruf an, keine Titel gewinnen zu können.

Den Nachweis, auch im entscheidenden Moment abliefern zu können, erbrachte sie – und insbesondere Messi selbst – während der Copa América 2021, als sie ungeschlagen durch den Wettbewerb marschierte und Brasilien im Maracana (!) im Finale durch ein Tor von Ángel Di María (34) mit 1:0 niederrang. Die Nacht des 11.07.2021 brachte einen Stimmungswandel im fußballbegeisterten Argentinien. Der Glaube an den ersten WM-Triumph seit 1986, mit einem damals alles überragenden Diego Armando Maradona, schoss seitdem in die Höhe – und wuchs durch die gelungene WM-Qualifikation, in der es keine Niederlage setzte, nochmals an.

Argentinien: Der Fokus auf das Wesentliche

Einen entscheidenden Anteil an der Trendwende besitzt Lionel Scaloni (44). Nach der Trennung von Jorge Sampaoli (62) infolge der schwachen Weltmeisterschaft 2018 rutschte der vorherige Assistent eher zufällig in die Chefrolle, etablierte sich dort aber mit zunehmender Zeit, indem er aus vielen hochbegabten Einzelspielern ein funktionierendes Kollektiv formte. Mittlerweile ist die überwiegend auf ein recht simples 4-4-2-System zurückgreifende Albiceleste seit 35 Länderspielen ohne Niederlage. Ausschlaggebend für die beeindruckende Erfolgsserie ist die vorhandene Balance zwischen einer aus Hochkarätern bestückten Offensive sowie einer starken Abwehr, die etwa in der WM-Qualifikation lediglich acht Gegentore in 17 Spielen zuließ.

Die dort aktiven Spieler zählen wohl nicht zum höchsten Regal des Weltfußballs, bringen aber definitiv gehobenes Format mit. Hierzu gehören der für Aston Villa auflaufende Schlussmann Emiliano Martinez (30), die Außenverteidiger Nicólas Tagliafico (30) und der offensivfreudige Nahuel Molina sowie Nicolás Otamendi (34), der immer noch als Abwehrchef fungiert. An den Platz an seiner Seite streiten sich Cristian Romero (24) und Lisandro Martinez (24), die noch eine große Zukunft vor sich haben.

(Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Die größten Fragezeichen bilden sich aktuell im zentralen Mittelfeld, wo der tonangebende Akteur noch nicht gefunden wurde. Zugetraut wird dies auf lange Sicht dem zurzeit bei Benfica herausstechenden und schon mit dem FC Barcelona in Verbindung gebrachten Enzo Fernandez (21). Ob er allerdings schon bei der WM eine gewichtige Rolle einnimmt scheint offen, denn in den letzten Testspielen sammelten Leandro Paredes (28), Guido Rodriguez (28) und der wohl gesetzte mit Ideenreichtum agierende Rodrigo de Paul (28) reichlich Spielzeit.

Auch im mittleren Mannschaftsteil wird allerdings wohl vergeblich nach der absoluten Weltklasse gesucht. Diese trifft sich dafür in der Offensivabteilung, wo neben dem überragenden Messi wohl nur Lautaro Martinez (25) unangefochten ist. Paulo Dybala (29), der inzwischen (zu) verletzungsanfällige Di María, aber auch Papu Gomez (34), dessen Spielfreude immer ein belebendes Element darstellt, werden sich je nach Ausrichtung des gelegentlich ein 4-3-3 nutzenden Scaloni um ein oder zwei Startplätze duellieren. Wie die Anfangsformation im Auftaktspiel gegen Saudi-Arabien ausschauen wird, sorgt in ganz Argentinien für große Diskussionen, doch innerhalb der Mannschaft richtet sich der Fokus auf den sportlichen Erfolg, denn der Gewinn des dritten WM-Titels steht über allem.

Player to Watch: Lionel Messi

Über Lionel Messi gibt es grundsätzlich nicht mehr viel zu sagen. Jedem Fußballfan sind seine genialen Fähigkeiten bekannt. Doch nachdem es den Linksfuß zu Paris St. Germain zog, wurden die Zweifel größer, ob er diese noch regelmäßig auf allerhöchstem Niveau abrufen kann. Zu enttäuschend verlief die Spielzeit 2021/22, in der Messi unverhältnismäßig wenig – insgesamt nur elfmal in Pflichtspielen – einnetzte. Die Zweifel beseitigte er umgehend, wie 26 Scorerpunkte in 19 Pflichtspielen während er laufenden Saison unterstreichen. Es scheint alles angerichtet für einen letzten Anlauf in Richtung WM-Krone, deren Gewinn, auf Toplevel, den perfekten Abschluss einer beispiellosen Karriere darstellen könnte.

Saudi-Arabien: Die Defensive als Fundament

Zum sechsten Mal schaffte Saudi-Arabien die Qualifikation zur Weltmeisterschaft. Seit der ersten Teilnahme im Jahr 1994, als direkt das Erreichen des Achtelfinals gelang, hatte der Wüstenstaat bei den Endturnieren nicht mehr viel zu bestellen. Immerhin gelang zum Abschluss der Auflage in Russland nach zwölf vergeblichen Versuchen wieder ein Sieg auf der weltweit größten Bühne für Nationalmannschaften. Das 2:1 über das ebenfalls ausgeschiedene Ägypten besaß zwar keinerlei sportlichen Wert mehr, bestärkte aber durchaus das Gefühl mit aus individueller Sicht stärkeren Gegnern nicht nur mithalten zu können, sondern auch erfolgreich agieren zu können.

In der WM-Qualifikation traf Saudi-Arabien nach erfolgreicher Vorrunde gegen eher namenlose Gegner aus der zweiten oder dritten asiatischen Reihe unter anderem auf Japan und Australien, die auf viele in Europa unter Vertrag stehende Profis zurückgreifen konnten. Trotzdem sprang mit 23 Punkten aus zehn Partien Rang eins heraus, wobei die WM-Qualifikation schon weit vor dem Abschluss der Begegnungen sichergestellt wurde. Dabei erzielten die „Grünen Falken“ nur zwölf Tore und gewannen aufgrund einer stabilen Verteidigung gleich sechs Begegnungen mit lediglich einem Tor Differenz.

Saudi-Arabien will über den Teamgeist für Überraschungen sorgen

Zufällig kamen die Ergebnisse keineswegs zustande. Dafür reicht bereits ein Blick auf die Besetzung des Trainerpostens. Hervé Renard (54) ist ein Weltenbummler, der seine größten Erfolge in Afrika feierte. Den Underdog Sambia führte er 2012 zum Gewinn des Afrika-Cups und Marokko zur letzten Weltmeisterschaft. Dort verpassten die Nordafrikaner gegen Spanien und Portugal nur knapp das Weiterkommen. Der französische Coach baute bei diesen beachtlichen Erfolgen stets auf eine kompakte Defensive, die den Gegner möglichst weit vorm eigenen Tor fern hielt und verließ sich im Angriffsspiel oftmals auf die wenigen sich ergebenden Momente, in denen seine Akteure ihrer Kreativität oder ihrem Tempo freien Lauf ließen.

Einen ähnlichen Ansatz wählte er auch seit dem 2019 erfolgten Amtsantritt in Saudi-Arabien, mit Erfolg wie die WM-Qualifikation beweist. Renard vereinte die ausschließlich in der im asiatischen Vergleich als stark geltenden, aber in weltweiter Perspektive abfallenden heimischen Liga, aktiven Spieler. Eine dementsprechende Unbekannte stellen sie vor Turnierbeginn für die meisten Beobachter dar. Qualität ist aber durchaus vorhanden. Sowohl Japan als auch Australien wurden im eigenen Stadion bereits niedergerungen. In den darauffolgenden neun Testspielen gab es zwar nur zwei Siege, aber auch nur zwei Niederlagen bei lediglich vier Gegentoren.

Schlussmann Mohammed Al-Owais (31), der schon bei der WM 2018 ein Spiel absolvierte, musste nur selten hinter sich greifen. Einerseits hängt dies mit seinen durchaus ansprechenden Fähigkeiten zusammen, andererseits mit der sehr geschlossenen Verteidigung um Abwehrchef Abdullah Al-Amri (25), die nur wenige klare Möglichkeiten für den Gegner zuließ. Neben Al-Amri sticht der Außenverteidiger Sultan Al-Ghannam (28) hervor, dessen Vorwärtsdrang durchaus den ein oder anderen Gegner während der Weltmeisterschaft vor Probleme stellen könnte.

Bei aller Konzentration auf die Defensive angesichts von Gegnern wie Argentinien, Polen und Mexiko wird müssen die „Grünen Falken“ auch offensive Akzente setzen, um akzeptable Resultate zu erzielen. Die Hoffnungen der Anhänger liegen wohl hauptsächlich auf Salem Al-Dawsari (31), der als bester Fußballer des Kaders gilt und neben dem Auge für den Mitspieler auch einen guten Torabschluss mitbringt. Treffsicher zeigte sich in der Qualifikation auch Saleh Al-Sheri (29), der seinen Stammplatz allerdings wohl an den talentierten, in den letzten Jahren insgesamt wesentlich konstanter agierenden Firas Al-Buraikan verloren hat (22). Verlassen darf sich Saudi-Arabien jedoch nicht auf seine Einzelspieler. Eine Chance besteht nur, wenn die gesamte Mannschaft ähnlich geschlossen wie schon auf dem Weg nach Katar auftritt.

Player to watch: Salem Al-Dawsari

Die Weltmeisterschaft nutzen immer wieder bis dato nahezu unbekannte Spieler, um auf sich aufmerksam zu machen. Diese Möglichkeit besteht trotz seines Alters von bereits 31 Jahren auch für Salem Al-Dawsari, der der Fixpunkt im Offensivspiel von Saudi-Arabien ist. Neben einer feinen Technik weiß der gerne auch über den linken Flügel kommende Spielgestalter sich auch in Zweikämpfen zu behaupten. Dabei profitiert er von seiner hohen Grundschnelligkeit, die er im richtigen Moment einzusetzen weiß. Al-Dawsari könnte für den ein oder anderen schön anzuschauenden Moment sorgen – und womöglich auch einen bedeutenden Beitrag zu einem überraschenden Punktgewinn beitragen.

(Photo by JOSE JORDAN/AFP via Getty Images)

Mexiko: Mehr als das Achtelfinale?

Siebenmal in Folge nahm Mexiko an der Weltmeisterschaft teil. Die Endstadion hießen Bulgarien, Deutschland, USA, Argentinien, Argentinien, Niederlande sowie Brasilien, und zwar jeweils im Achtelfinale. Somit scheint die Zielsetzung für das kommende Turnier offensichtlich. Erstmals seit 1986, wo El Tri als Ausrichter fungierte, soll an eine gelungene Vorrunde – wie etwa 2018, als die Mexikaner auch Deutschland vollkommen verdient mit 1:0 bezwangen, angeknüpft werden und das Ticket für die Runde der letzten Acht gebucht werden.

Die Vorzeichen sind jedoch nicht besonders vielversprechend. Sämtliche Begegnungen von größerer Bedeutung in der jüngeren Vergangenheit konnte die Auswahl von Gerardo Martino (59), einst Trainer des FC Barcelona und auch schon auf Nationalmannschaftsebene für Paraguay und Argentinien tätig, nicht für sich entscheiden. Die Endspiele im Golf-Cup und in der CONCACAF Nations League gingen jeweils knapp gegen die USA verloren. In der WM-Qualifikation sprang gegen den Dauerrivalen ebenfalls kein Sieg heraus. Selbiges war auch in den Vergleichen mit dem aufstrebenden Kanada, das sogar die Gruppe für sich entschied, zu konsternieren.

Mexiko: Martino baut auf Erfahrung

Die Pleiten in vielen wegweisenden Duellen haben den Druck auf die stets von vielen Fans begleitete mexikanische Auswahl nochmals erhöht. Trainer Martino versucht der komplizierten Situation, mit dem Einsatz von Erfahrung zu begegnen. So steht zwischen den Pfosten immer noch Guillermo Ochoa (37), dessen brillanter Auftritt beim 0:0 gegen Brasilien während der WM 2014, vielen Zuschauern in Erinnerung geblieben ist. Nach acht Jahren in Europa kehrte der schon 131-mal für die Nationalmannschaft auflaufende Schlussmann in die Heimat zurück, tat es damit vielen seiner Mitspieler gleich. Der Großteil verdient seine Sporen nämlich in der Liga MX.

Dazu zählt auch Héctor Moreno (34). Der während seiner bewegten Laufbahn unter anderem bei der PSV Eindhoven, AS Roma oder Real Sociedad unter Vertrag stehende Innenverteidiger hat das Kommando im Abwehrzentrum inne, wovon der erstmals bei einer Weltmeisterschaft antretende Nebenmann César Montes (25) profitieren soll. Ebenfalls ein WM-Debütant ist Jorge Sánchez (25). Trotzdem genießt der von Ajax Amsterdam als Nachfolger von Noussair Mazraoui (25) verpflichtete Außenverteidiger mit Offensivwillen ein hohes Ansehen im Kader und soll auf der rechten Seite für mächtig Belebung sorgen.

(Photo by MAURICE VAN STEEN/ANP/AFP via Getty Images)

Edson Álvarez (25) ging ebenfalls den Weg von CF America zu Ajax, ist Sánchez sogar einen Schritt voraus. Schon 2019 wechselte er zum niederländischen Rekordmeister und gehörte nach kurzer Anlaufzeit, auch in den starken Jahren unter Erik ten Hag (52), zum Stammpersonal. Daher nimmt er auch für Mexiko eine wichtige Rolle ein. Álvarez zeichnet seine Zweikampfstärke im Verbund mit einer guten fußballerischen Komponente aus, sodass er dem Mittelfeld Stabilität verleihen kann. Unterstützung erhält er unter anderem von Altmeister Andres Guardado (36), dessen Spielzeit bei Real Betis abnahm, was aber längst nicht gleichbedeutend mit einem Bedeutungsverlust für El Tri ist.

Es liegt auch an Guardado, die Offensive um Hirving Lozano (27), Siegtorschütze beim denkwürdigen 1:0-Sieg über Deutschland, mit Zuspielen zu versorgen. Der für die aktuell herausragende spielende SSC Napoli bringt ein hohes Tempo, sowie eine gewisse Zielstrebigkeit in Richtung Tor mit. Dazu harmoniert er mit Uriel Antun (25) sowie dem keine 1,80 Meter groß gewachsenen, im 4-3-3 als einzigen Stürmer fungierenden Henry Martín (29), der den zwar in Kader berufenen, aber verletzungsbedingt ohne jegliche Spielpraxis anreisenden Raúl Jiménez (31) vertritt. Das Trio ist in der Lage, auch Gegner wie Argentinien durch ihre Geschwindigkeit, ständige Positionswechsel und große Lust am Fußball in Bedrängnis zu bringen.

Player to watch: Edson Álvarez

Nicht ohne Grund investierte Ajax 15 Millionen Euro Ablöse in Edson Álvarez. Der zentrale Mittelfeldspieler erfüllt viele Anforderungen, die von Nöten sind, um in Amsterdam regelmäßig zum Zug zu kommen. Dazu gehört neben einer hohen Ballsicherheit sowie einem sicheren Passspiel auch eine gewisse Spielintelligenz, verbunden mit dem schnellen Erkennen von entstehenden Räumen. Abseits dieser Komponenten, die vor allem im eigenen Ballbesitz eminent wichtig erscheinen, gefällt Alvarez durch robustes Auftreten in Zweikämpfen, wodurch ihm viele Ballgewinne gelingen, aus denen vielversprechende Umschaltsituationen resultieren. Im mexikanischen Spielen dürfte er daher eine prägende Rolle einnehmen.

WM 2022: Die Kader der Gruppe C

Polen: Erstes Achtelfinale seit 36 Jahren?

Polen erzielte bei der Weltmeisterschaft bereits beachtliche Erfolge. Diesen liegen mittlerweile jedoch weit in der Vergangenheit. 1974 und 1982 sprang jeweils Rang drei heraus. Anschließend folgten nur noch vier weitere Teilnahmen am Endturnier, wobei 1986 letztmals der Weg aus der Gruppe hinaus führte. Danach war jeweils nach der Vorrunde Schluss, auch 2018 als Kolumbien, Japan und Senegal sich als zu stark erwiesen. Bei der vergangenen Europameisterschaft hatte die Mannschaft um Superstar Robert Lewandowski (34) ebenfalls das Nachsehen, obwohl Gegner wie die Slowakei oder Schweden schlagbar schienen.

Diesmal haben sich alle Beteiligten vorgenommen, die Vorrunde zu überstehen. Der erste Schritt zur Besserung gelang schon im März, als das entscheidende Playoffspiel zur Qualifikation mit 2:0 gegen Schweden gewonnen wurde. Die Verantwortung trug damals der erst Ende Januar, als Reaktion auf den unerwarteten Abgang von Paulo Sousa (52), verpflichtete Czeslaw Michniewicz (52), der sich durch Erfolge in der nationalen Liga sowie mit der U21 einen Namen machte und nun erstmals die ganz große Bühne des Weltfußballs betreten wird.

Polen: Die Tendenz geht zur Dreierkette

Während der Nations League, die durchschnittlich verlief und auf Rang drei hinter der Niederlande und Belgien endete, wechselte der neue Coach zwischen Dreier- und Viererkette. In den abschließenden Begegnungen liefen drei Innenverteidiger vor dem unumstrittenen Wojciech Szczesny (32) auf. Dazu zählt der nicht jünger werdende Kamil Glik (34), der wohl auch während der Weltmeisterschaft das Kommando übernehmen wird. Das Abwehrzentrum könnte sich als Problemzone erweisen. Jakub Kiwior (22) sowie Mateus Wieteska (25) zeigen durchaus gute Ansätze, haben aber noch wenig Erfahrung auf Topniveau, während Jan Bednarek (26) etwa im Verein fast gar nicht zum Zug kommt.

Wesentlich mehr Freude bereiten die Schienenspieler. Über die linke Seite wird mit dem bei der AS Roma unter Vertrag stehenden Nicola Zalewski (20) eines der wenigen, aber sehr begabten Talente des Kaders mit hoher Laufbereitschaft seiner Arbeit nachgehen. Sein Pondon auf der rechts ist der erst vor rund einem Jahr eingebürgerte Matty Cash (25). Er besitzt ebenfalls die Qualität, das stets im Strafraum lauernde Sturmduo aus Lewandowski und Arkadiusz Milik (28) mit scharfen Hereingaben zu bedienen.

(Photo by Michael Steele/Getty Images)

Doch nicht nur das Spiel über die Außen soll die Polen beflügeln, denn im Zentrum laufen teils exzellente Fußballer auf. Besonders im Vordergrund steht Piotr Zielinski (28), der seit Saisonbeginn bei der SSC Napoli brilliert. Zum aktuellen Zeitpunkt sammelte er genauso viele Scorerpunkte wie in der gesamten vorangegangenen Spielzeit. Der beidfüßige Zielinski kann sowohl den entscheidenden Steckpass in die Tiefe spielen als auch aus der Distanz Torgefahr ausstrahlen, sodass er für viele Gegner schwer berechenbar ist.

Erleichtert wird sein Wirken durch die Tatsache, dass ihm im Mittelfeld der Rücken freigehalten wird. Der mittlerweile in Saudi-Arabien aktive, beim FC Sevilla seine beste Zeit erlebende Gregorz Krychowiak (32) übernimmt dort eine gewichtige Rolle und kann zudem auch mit Ball am Fuß Akzente setzen. Dies gilt selbstverständlich auch für Lewandowski und Milik, die beide in ansprechender Verfassung die Reise nach Katar antreten – und dort die Tore zur Kehrtwende nach zwei enttäuschenden Großturnieren beitragen.

Player to watch: Robert Lewandowski

Fraglos ruhen die Hoffnungen der polnischen Anhänger auf Robert Lewandowski, dem in 134 Länderspielen 76 Tore gelangen. Ähnlich wie in den vergangenen großen Champions-League-K.o-Spielen mit dem FC Bayern München verliefen die Welt- und Europameisterschaften bislang nicht nach seinen Vorstellungen. 2021 traf er zwar dreimal in der Vorrunde, doch Polen schied als Gruppenletzter aus. Auch bei der letzten Weltmeisterschaft hatten Lewandowski und co wenig zu bestellen. Diesen Makel will der Weltklasse-Angreifer in Katar beheben. Viel Mut macht seine herausragende Form, die auch nach dem Wechsel zum FC Barcelona nicht verloren ging – und allen Menschen, die es mit den Polen halten, viel Freude bereiten dürfte.

Prognose zur Gruppe C:

Als klarer Favorit kristallisiert sich Argentinien heraus, das unter normalen Umständen den Gruppensieg einfahren wird. Damit könnte eine Neuauflage des WM-Achtelfinals von 2018 gegen Frankreich verhindert werden, weshalb die Albiceleste in sämtlichen Begegnungen aufs Gaspedal treten dürfte. Um Rang zwei bewerben sich Mexiko und Polen. Das direkte Aufeinandertreffen schon am ersten Spieltagen gilt als wegweisend. Wer mit Vorteilen ins Turnier startet, lässt sich schwer ausmachen. Beide Mannschaften bringen Erfahrungen mit und haben offensichtliche Stärken sowie Schwächen. Möglicherweise wird Saudi-Arabien zum Zündlein an der Waage. Ein Ausrutscher gegen die „Grünen Falken“ könnte nämlich gleichbedeutend mit dem frühen Turnieraus sein. Der krasse Außenseiter selbst hingegen dürfte schon froh sein, wenn er zumindest einmal nicht als Verlierer das Spielfeld verlässt.

(Photo by Elsa/Getty Images)

Yannick Lassmann

Rafael van der Vaart begeisterte ihn für den HSV. Durchlebte wenig Höhen sowie zahlreiche Tiefen mit seinem Verein und lernte den internationalen Fußball lieben. Dem VAR steht er mit tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2021 bei 90Plus.


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