Can Uzun im Portrait – Hat der DFB den Spielmacher der Zukunft verloren?

16. März 2024 | News | BY Philipp Overhoff

Can Uzun spielt aktuell seine Breakout-Saison und ist der wahrscheinlich aufregendste Spieler der 2. Bundesliga. Was sein Spiel ausmacht und wie es für ihn weitergehen könnte. 

Can Uzun: Ein Karrierestart wie aus dem Bilderbuch

Nur selten dürfte sich ein Spieler so eindringlich im Profi-Fußball angemeldet haben wie Can Uzun. Nachdem der damals 17-jährige A-Jugend-Spieler zum Ende der Saison 2022/2023 bereits einige Kurzeinsätze in der ersten Mannschaft des 1. FC Nürnberg sammelte, rückte er im Sommer 2023 fest in den Profikader des Clubs auf.



Im ersten Heimspiel der noch jungen Saison rette Uzun seiner Mannschaft mit einem späten Doppelpack einen Punkt gegen Hannover 96. Mit diesem Treffer wurde der Deutsch-Türke zum jüngsten Torschützen der FCN-Geschichte. Nur sechs Tage später stellte er einen weiteren Rekord auf und mauserte sich beim 9:1 über den FC Oberneuland zum jüngsten Dreierpacker der DFB-Pokal-Historie.

Nur sieben Monate später ist Uzun aus der Mannschaft des FC Nürnberg gar nicht mehr wegzudenken. Mit 13 Toren und einer Vorlage ist der Shootingstar, der im November 18 Jahre alt wurde, Top-Scorer und Lebensversicherung seines Teams. Nicht ohne Grund wird er von halb Fußball-Europa gejagt und nicht ohne Grund lieferten sich der DFB und der türkische Verband bereits einen Wettkampf um die Dienste des Doppelstaatsbürgers.

Uzun entscheidet sich für die Türkei

Anfang diesen Monats entschied sich Uzun, dessen Eltern beide aus der Türkei stammen, für den TFF. Schon in der Jugendnationalmannschaft lief das Offensiv-Juwel für das Geburtsland seiner Eltern auf, wobei er das U18-Team der Türkei bereits als Kapitän auf das Spielfeld führte. Die Absage an den DFB sei ihm alles andere als leicht gefallen, betont der Teenager seitdem immer wieder. Zuvor hatte sich Sportdirektor Rudi Völler noch intensiv und letztendlich vergebens um die Dienste Uzuns bemüht. „Wir haben großen Respekt vor Can Uzuns Entscheidung“, sagte DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig im Anschluss.

(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

„Ich habe auf mein Herz gehört. So eine Entscheidung ist keine Karriereentscheidung wie bei einem Vereinswechsel, sondern eine Herzensentscheidung. Die Nationalmannschaft muss man fühlen und hier haben mein Herz und mein Bauch gesagt, dass die Türkei die richtige Wahl für mich ist“ begründete Uzun seine Entscheidung.

Die türkische Nationalmannschaft darf sich in den kommenden Jahren also auf ein außergewöhnliches Offensiv-Talent freuen, das schon in jungen Jahren eine mehr als beeindruckende Visitenkarte im deutschen Profi-Fußball hinterlassen konnte. Aber welche Fähigkeiten machen Can Uzun eigentlich zu diesem herausragenden Prospect, um das sich Vereine sowie Nationalmannschaften reißen?

Warum ist Uzun so begehrt?

Auf den ersten Blick passt der gebürtige Regensburger gar nicht mal so perfekt in den immer schneller und athletischer werdenden modernen Fußball. Uzun bringt mit 1,86m zwar eine beachtliche Größe mit, ragt physisch aber anderweitig keinesfalls heraus. Er ist nicht besonders muskulös und bringt trotz seiner stattlichen Körpergröße nur 67kg auf die Waage.

Ein Sprinter ist das Club-Talent ebenso wenig. Mit seinem in dieser Saison gemessenen Top-Speed von 31,7 km/h reißt Uzun erstmal keinen Scout vom Hocker. Es sind also viel mehr die fußballerischen als die physischen Attribute, die den fränkischen Offensiv-Allrounder so interessant machen.

(Photo by Cathrin Mueller/Getty Images)

Für einen Spieler seiner Größe ist Uzun unglaublich elegant und bewegt sich sowohl mit als auch ohne Spielgerät am Fuß enorm flüssig. Vor allem die Ballkontrolle des Teenagers ist herausragend, pro 90 Spielminuten führt er 2,9 erfolgreiche Offensiv-Zweikämpfe. Auch die 0,65 Bälle, die der Youngster pro Spiel in den gegnerischen Strafraum trägt, stellen einen absoluten Fabelwert dar.

Der türkische Junioren-Nationalspieler positioniert sich abseits des Balles unglaublich clever und hat für einen so jungen Kicker ein außergewöhnlich gutes Raumgefühl. Das unterstreichen auch die 3,25 Ballberührungen im gegnerischen Sechzehner, welche er im Schnitt in einer Partie sammelt. Insgesamt ist seine bisher größte Calling-Card definitiv die Torgefahr. Uzun verfügt über eine beeindruckende Abschlussqualität und ist darüber hinaus quasi beidfüßig. 16 Pflichtspieltreffer für einen Teenager in seiner ersten Profi-Saison – das liest sich doch gar nicht mal so schlecht.

Beeindruckende Flexibilität und mentale Stärke

Ein weiterer Trumpf Uzuns ist seine positionelle Flexibilität. Egal ob offensiver Achter, klassischer Spielmacher oder hängende Spitze – der junge Nürnberger wusste schon auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen zu gefallen. Hinzu kommt ein schier außergewöhnliches Maß an Selbstvertrauen. Im englischen Sportjargon würde man sagen: „He’s not afraid of the moment!“

Im ersten Heimspiel der Saison gegen Hannover 96 erhielten die Clubberer bei einem 1:2-Rückstand in der Nachspielzeit einen Elfmeter. Wie selbstverständlich nahm sich Uzun in seinem erst zweiten Spiel von Beginn an die Kugel und verwandelte diese souverän zum umjubelten 2:2-Ausgleich. Seitdem ist er Elfmeterschütze Nummer eins der Nürnberger.

Alle News rund um die 2. Bundesliga

Ein Bereich, in dem sich der junge Spielmacher noch steigern kann, ist hingegen das Passspiel. Das hängt weniger mit der erst einen Torvorlage zusammen, die derzeit auf seinem Konto steht. Viel mehr ist es seine durchwachsene Passquote von 77,4 Prozent und die insgesamt niedrige progressive Pass-Distanz (105,5m pro 90 Minuten), die auf diesem Gebiet noch deutliches Steigerungspotenzial vermuten lässt.

Oft will es Uzun dabei ein bisschen zu kunstvoll lösen, womit er seinen Trainer Christian Fiél auch schon das ein oder andere Mal in den Wahnsinn trieb. „Ich weiß, er ist 18, aber das sind Dinge, die ich ihm beibringen muss. Der einfache Pass tut dem Gegner viel mehr weh, als dreimal Hacke innen und außen“, sagte der FCN-Coach erst im vergangenen November.

Der nächste Karriereschritt?

Dass ein Teenager noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung steht und noch viele Dinge lernen muss, verwundert erstmal wenig. Das ist auch bei Can Uzun nicht anders. Doch seine Anlagen und die bisher gezeigten Leistungen sorgen dafür, dass er der 2. Bundesliga schon bald entwachsen sein dürfte. „Natürlich würden wir ihn gerne in Nürnberg halten, aber leider ist die Fußballwelt eine andere. Man kann sich natürlich vorstellen, dass es Vereine gibt, die ihn haben wollen“, erklärte Nürnberg-Sportdirektor Dieter Hecking kürzlich gegenüber Sport1.

Übereinstimmenden Medienberichten zufolge hat Uzun zu Beginn dieser Woche bereits den Medizincheck bei Eintracht Frankfurt absolviert. Dies vermeldete die Sport Bild als erstes. Demnach soll der 18-Jährige im Sommer für die festgeschriebene Ablösesumme von zehn Millionen Euro an den Main wechseln. Möglich macht dies eine vertraglich verankerte Ausstiegsklausel.

(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Bewahrheiten sich diese Berichte, ist der SGE ein echter Transfer-Coup gelungen. Auch Borussia Dortmund soll heftig um die Dienste Uzuns geworben und ihn sogar als Nachfolger für Vereinslegende Marco Reus in Erwägung gezogen haben. Zudem waren auch Inter Mailand und Newcastle United hinter dem Club-Juwel her.

Für Can Uzun läuft die aktuelle Woche also in jeglicher Hinsicht erfolgreich. Am Freitag wurde der Youngster von Nationaltrainer Vincenzo Montella erstmals für die türkische A-Nationalmannschaft. Bei den anstehenden Testspielen gegen Ungarn und Österreich kann sich der Senkrechtstarter also sogar für eine mögliche EM-Nominierung ins Gespräch bringen.

Ob ihm dieses Kunststück noch gelingt oder nicht – in Zukunft dürften der DFB und Borussia Dortmund eine Gemeinsamkeit teilen. Sie beide werden es bereuen, Can Uzun nicht für sich haben gewinnen zu können.

(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)


Ähnliche Artikel