Auch in sein mittlerweile siebtes Zweitliga-Jahr geht der HSV als absoluter Aufstiegskandidat. Doch kurz vor dem Auftaktspiel gegen den 1. FC Köln stehen noch viele Fragezeichen über der Hansestadt. Können Steffen Baumgart und seine Mannschaft dem hohen Erwartungsdruck gerecht werden?
HSV: Baumgart-Ball im zweiten Anlauf?
Und auf ein Neues. Die siebte Saison in der 2. Bundesliga soll diejenige werden, in welcher dem HSV endlich die lang ersehnte Rückkehr in die Beletage des deutschen Fußballs gelingt. Nach vier vierten und zwei dritten Plätzen ist der Sprung auf einen direkten Aufstiegsrang in diesem Jahr Pflicht. Doch die Konkurrenz im Unterhaus ist stark, vielleicht so stark wie noch nie.
Da hilft es auch nicht wirklich weiter, dass in Hamburg zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel gegen den 1. FC Köln niemand so richtig weiß, wo der ehemalige Bundesliga-Dino eigentlich steht. Nachdem Steffen Baumgart in der vergangenen Rückrunde vor dem 23. Spieltag das Amt von Tim Walter übernahm, wurde der extrovertierte Coach gewissermaßen ins heiße Wasser geworfen. Der 52-Jährige kannte die Mannschaft nicht und wurde vor seinem Amtsantritt dennoch als der richtige Feuerwehrmann für die Mission Aufstieg angesehen.
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Mit 20 Punkten aus elf Spielen erreichte Baumgart einen ordentlichen Wert, blieb insgesamt aber hinter den hohen Erwartungen zurück. Schon vor dem 34. Spieltag war klar, dass der HSV keine Chance mehr auf das Erreichen des Relegationsplatzes haben würde. Der frühere Effzeh-Trainer galt vor dem Gang in die Sommerpause als nicht unumstritten, doch der frisch vorgestellte Sportvorstand Stefan Kuntz erklärte noch im Mai, dass man definitiv mit Baumgart in die Spielzeit 2024/2025 gehen würde. Nun hatte dieser also das erste Mal bei den Rothosen eine komplette Vorbereitung zur Verfügung, um der Mannschaft seine Spielidee zu implementieren. Dementsprechend hoch sind auch die Ansprüche, viele Fehler darf sich der Coach schon zu Saisonbeginn nicht mehr erlauben.
Die Ab- und Zugänge des HSV
Dabei hat sich im Kader des Hamburger SV gar nicht allzu viel getan. Mit Laszlo Benes zog es den absoluten Unterschiedsspieler des vergangenen Jahres zwar zum 1. FC Union Berlin, doch mit Ausnahme des Slowaken haben Baumgart und Kuntz das Stammpersonal der Vorsaison vollständig beisammen halten können. Die Rotationsspieler Stephan Ambrosius (FC St. Galllen) und Elijah Krahn (1. FC Saarbrücken) verließen den Nord-Klub ebenso wie die Youngster Leo Oppermann (Arminia Bielefeld) und Tom Sanne (Hannover 96 II). Das sind allesamt Abgänge, die nicht besonders schwer ins Gewicht fallen dürften.
Der Wunsch nach personeller Kontinuität wurde auch durch die feste Verpflichtung von Lukasz Poreba unterstrichen. Der Pole lief in der letzten Saison auf Leihbasis in der Hansestadt auf und spielte sich insbesondere im Endspurt der Spielzeit in die Stammformation. Für lediglich 300 Tausend Euro wurde Poreba vom RC Lens geholt. Außerdem verstärkten sich die Hamburger mit Sechser Daniel Elfadli (1. FC Magdeburg), Adam Karabec (Sparta Prag) und Davie Selke (zuletzt 1. FC Köln). Vor allem der Transfer von Selke sorgte dabei für Aufsehen, da der 29-jährige Stürmer Baumgart schon aus Zeiten in der Domstadt kennt. Den beiden wird ein exzellentes Verhältnis zueinander nachgesagt.

Abgeschlossen sind die Personalplanungen des sechsmaligen deutschen Meisters damit aber noch lange nicht. Ein Innen- und ein Rechtsverteidiger sollen noch kommen, auch die Verpflichtung eines offensiven Flügelspielers ist nicht ausgeschlossen. Seeler-Enkel Levin Ötzunali darf den Verein hingegen verlassen, wobei für den Flügelspieler schlicht und ergreifend die Angebote fehlen. Auch die Rechtsverteidiger William Mikelbrencis und Moritz Heyer haben nicht den einfachsten Stand. Allerdings scheint gerade für Mikelbrencis in den vergangenen Tagen eine ungeahnte Tür aufgegangen zu sein, die dafür sorgen könnte, dass der junge Franzose in seinem dritten HSV-Jahr endlich einen Fuß auf den Boden bekommt.
Die Startelf steht – mit zwei Ausnahmen
Baumgart setzte in den zurückliegenden Trainingseinheiten häufig auf ein 3-2-4-1, in welchem Mikelbrencis die Position als rechter Schienenverteidiger bekleidete. Der 20-Jährige könnte dem eigentlich gesetzten Eigengewächs Nicolas Oliveira kurz vor Saisonstart den Rang abgelaufen haben. Als deutlich offensivere Variante für die rechte Schiene käme zudem noch Bakary Jatta infrage.
Abgesehen von einigen vakanten Positionen ist die Startelf des HSV für das Erste jedoch in Stein gemeißelt. Matheo Raab hat im Tor die Nase vorne, wobei Daniel Heuer Fernandes diesen aufgrund eines Infekts beim Saisonauftakt in Köln vertreten wird. Denis Hadzikadunic, Kapitän Sebastian Schonlau und Miro Muheim bilden die Dreierkette, Jean-Luc Dompe kommt auf der linken Seite zum Einsatz und stellt den deutlich offensiveren Gegenpart zu seinem Landsmann Mikelbrencis dar. Auf der Doppelsechs sind Jonas Meffert und Neuzugang Elfadli absolut gesetzt, davor ist mit den niederländischen Edeltechnikern Ludovit Reis und Immanuel Pherai zu rechnen.

Offen ist dagegen noch, wer im Rheinenergiestadion als Sturmspitze agieren wird. Torschützenkönig Robert Glatzel und der frisch verpflichtete Selke verpassten große Teile der Vorbereitung verletzungsbedingt, gerade für Glatzel kommt die Partie in Müngersdorf noch zu früh. Selke könnte zumindest eine Option von der Bank sein. Daher wird aller Voraussicht nach der etatmäßige Rechtsaußen Ransford-Yeboah Königsdörffer im Angriff beginnen.
Gelingt der Aufstieg im siebten Anlauf?
Auch wenn große Teile der Stammelf und des Kaders bereits feststehen, wirft die Situation rund um das Volksparkstadion noch einige Fragezeichen auf. Neben der komplizierten Personalsituation im Sturm macht den Hamburger Anhängern auch der Zustand ihrer Defensive zu schaffen. Ob und wann der immer noch dopinggesperrte Mario Vuskovic wieder in den Spielbetrieb eingreifen kann, ist derzeit völlig offen. Das Trio Hadzikadunic/Schonlau/Muheim ist momentan also fast konkurrenzlos, da weder Guilherme Ramos, Jonas David noch Noah Katterbach bisher den Nachweis erbringen konnten, über gehobenes Zweitliga-Niveau zu verfügen.
Dementsprechend durchwachsen präsentierten sich die Hanseaten auch in ihren kürzlichen Testspielen. Beim 4:2-Erfolg über den FC Nantes gelang nach einem Zwei-Tore Rückstand eine beeindruckende Aufholjagd samt ansehnlichen Offensiv-Fußball und toller Tore. Die 0:3-Pleite gegen Cardiff City und das torlose Remis gegen Aris Limassol warfen jedoch mehr Fragen auf, als diese zu beantworten. Anhand dieser Ergebnisse und des noch nicht vollständigen Kaders lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt auch keine fundierte Prognose über das aktuelle Hamburger Leistungsvermögen treffen.
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Umso spannender ist daher auch der Blick auf den Saisonstart, der es mit Partien in Köln, zu Hause gegen Hertha BSC und auswärts bei Hannover 96 so richtig in sich hat. Nach diesen Begegnungen wird es schon deutlich einfacher sein, den HSV der Spielzeit 2024/25 fassen zu können. Auch wenn Schnellschüsse und übereilte Bestandsaufnahmen Ende August selten besonders nützlich sind, ist auch klar, dass der Trainerstuhl bei einem eventuellen Fehlstart schnell ins Wackeln geraten könnte. Zu hoch sind die hanseatischen Ansprüche auch im siebten Zweitliga-Jahr noch immer.
So oder so: Die bevorstehende Saison ist sowohl für Steffen Baumgart als auch für den gesamten Verein eine absolut schicksalhafte. Wieder einmal wäre alles andere als der Aufstieg in die Bundesliga eine Enttäuschung, doch wie schwer dieses Unterfangen ist, zeigten nicht zuletzt die vergangenen sechs Jahre. Der hochdekorierte Traditionsklub aus dem Norden Deutschlands gleicht vor dem Beginn seines siebten Zweitliga-Jahres einer Wundertüte. Einer Wundertüte mit Aufstiegsambitionen.
(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)


