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Expertenrunde zur 2. Bundesliga: „Schalke ganz vorne“ und „St. Pauli definitiv im Aufstiegsrennen“

27. Juli 2023 | Spotlight | BY Jannek Ringen

Der Saisonstart in der 2. Bundesliga steht bevor und vorab gilt es einige spannende Fragen zu beantworten. Dafür haben wir uns Experten aus anderen Redaktionen geholt.

2. Bundesliga: Magdeburg als Überraschung? Sicherer Klassenerhalt für die SV Elversberg?

Zum Saisonstart der 2. Bundesliga war es der 90PLUS-Redaktion wichtig, dass wir über den Tellerrand schauen und uns Meinungen außerhalb der eigenen vier Wände anschauen. Mit großer Freude haben wir uns mit den Kollegen Florian Reis, der unter anderem für die dpa über den 1. FC Kaiserslautern berichtet, Tobias Kröger von Transfermarkt und Henrik Jacobs, der sich dank seiner Arbeit beim Hamburger Abendblatt bestens mit den beiden Hamburger Clubs auskennt, über die Favoriten und potenziellen Überraschungen der neuen Saison in der 2. Bundesliga ausgetauscht. Zudem gab unser Redakteur Manuel Behlert noch seine Einschätzungen zur neuen Saison ab.

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90PLUS: Der FC Schalke 04 und Hertha BSC bereichern die 2. Bundesliga, beide sind im deutschen Fußball zu den prominenteren Namen zu zählen. Welche Rolle werden sie spielen?

Florian Reis: Schalke zähle ich zu den Favoriten für ganz vorne. Bei Hertha ist es ein wenig anders. Sie hatten ja in der Vorbereitung schon wieder Unruhe. Da dürfte die Rückkehr in die Bundesliga bedeutend schwerer werden.

Tobias Kröger: Ich erwarte beide Teams am Ende der Saison im oberen Drittel. Allerdings wird Hertha ein bisschen Zeit benötigen, um zu voller Stärke zu kommen, doch Dardai wird das Team mit der Zeit stabilisieren. Schalke traue ich zu, direkt aufzusteigen.

Manuel Behlert: Schalke 04 verfügt über eine deutlich bessere Basis als nach dem letzten Abstieg. Mannschaft und Trainer kennen sich, der Kader wirkt schon vor Saisonstart in fast allen Mannschaftsteilen homogen zusammengestellt. Mich würde nicht überraschen, wenn Königsblau die Saison dominiert. Hertha BSC sehe ich derzeit noch mit zu vielen offenen Fragen versehen. Da wird sich erst im August zeigen, wo die Reise hingehen kann.

Henrik Jacobs: Schalke ist für mich der Topfavorit, weil sie trotz des Abstiegs mit einer Euphorie aus der Rückrunde in die Saison gehen und Trainer Thomas Reis weiß, wie die Zweite Liga funktioniert. Alle Neuzugänge haben ausreichend Zweitligaerfahrung. Probleme könnte zu Saisonbeginn die Defensive sein. Mit Timo Baumgartl hat Schalke die letzte Schlüsselposition jetzt gut besetzt. Bei Hertha sehe ich große Probleme durch viele offene Fragen in der Kaderplanung. Pal Dardai wird Geduld brauchen. Offensiv ist aber nach wie vor großes Potenzial vorhanden. Trotzdem muss Hertha aufpassen, nicht der neue HSV der Zweiten Liga zu werden.

90PLUS: Der HSV ist in den vergangen beiden Jahren in der Relegation gescheitert und hält weiter an Tim Walter fest. Gelingt dem Traditionsklub im sechsten Anlauf der Aufstieg?

FR: Ja, der HSV ist dieses Jahr einfach dran. Das ist eine gewachsene Mannschaft, dazu haben sie das Publikum im Rücken.

TK: Der Kader schreit von den Namen und vom Spielstil her mal wieder nach Aufstieg, doch es bleibt fraglich, ob man nicht wieder wichtige Punkte gegen „die Kleinen“ liegen lässt und am Ende zittern muss. Der Relegationsplatz ist wieder realistisch.

Der HSV möchte im sechsten Anlauf die 2. Bundesliga verlassen.

(Photo by Ronny Hartmann/Getty Images)

MB: Der HSV zählt für mich auf jeden Fall zu den drei Topkandidaten auf den Aufstieg. Allerdings müssen zwei Faktoren zusammenkommen: Trainer Walter muss es schaffen, seinen zuweilen etwas radikalen Spielstil in ausbalancierte Strukturen einzubetten und die Mannschaft darf nicht zu sehr von Verletzungssorgen geplagt sein.

HJ: Ich glaube es nicht, da die Negativerlebnisse des Saisonfinals noch tief in den Köpfen und Knochen stecken. Das hat sich durch die vielen Verletzungen in der Vorbereitung gezeigt. Einfacher als in der vergangenen Saison wird der Aufstieg für den HSV wohl nie wieder werden. Es wird schwer, die Spieler wieder richtig anzuzünden. Trotzdem wird der HSV wieder um den Aufstieg mitspielen.

90PLUS: Der FC St. Pauli performte unfassbar gut in 2023, der SC Paderborn hat sich mit Max Kruse verstärkt, Fortuna Düsseldorf will auch wieder angreifen. Welche Teams mischen im Aufstiegsrennen mit?

FR: Schalke und den HSV habe ich ja schon genannt. Dazu rechne ich damit, dass St. Pauli, Düsseldorf und Hertha oben mitspielen werden.

MB: St. Pauli hat eine sehr gute Basis, hat nicht viele Spieler verloren und den Kader klug ergänzt. Der Paqarada-Abgang wird schmerzen, aber sollte dahingehend eine gute Lösung gefunden werden, sehe ich das Team weit vorne. Bei Fortuna Düsseldorf hängt vieles von weiteren Transfers ab, da lässt sich (noch) keine finale Aussage treffen. Paderborn und der KSC haben einen enormen Boost an individueller Klasse erhalten, bleiben Stindl und Kruse fit, können sie eine Rolle spielen.

TK: Ich sehe den FC St. Pauli definitiv im Aufstiegsrennen. Die Basis dafür wurde in der Rückrunde bereits gelegt. Das Umfeld ist ruhig, das kann ein Vorteil gegenüber anderen Klubs sein. Zudem traue ich Karlsruhe eine Überraschung zu. Das Offensiv-Duo Stindl und Wanitzek ist sehr vielversprechend, zudem ist der Stadionumbau endlich fertig und sollte neue Energie erzeugen.

HJ: St. Pauli könnte die Mannschaft der Hinrunde werden. Ähnlich wie vor zwei Jahren. Entscheidend wird sein, ob es der Club endlich schafft, zwei konstante Halbserien zu spielen. Paderborn wird durch Kruse noch einmal auf ein neues Level gehoben. Wenn er fit bleibt, ist Paderborn ein Aufstiegskandidat. Aber auch nur dann. Hannover 96 wird in dieser Saison den nächsten Schritt machen und um den Aufstieg mitspielen. Auch Greuther Fürth wird wieder eine gute Rolle spielen.

90PLUS: Der 1. FC Kaiserslautern hat eine gute Hinrunde nach dem Aufstieg gespielt, musste danach jedoch Federn lassen. Folgt in dieser Saison der Abrutsch?

MB: Ich schätze den 1. FC Kaiserslautern als ein solides Mittelfeldteam ein. Puchacz, Raschl und Ache sind gute Verstärkungen, Schuster scheint zum Team zu passen. Der FCK wird auf den Rängen acht bis elf einlaufen.

FR: Kaiserslautern wird meines Erachtens etwas weiter hinten in der Tabelle landen. Mit dem Abstiegskampf sollten sie aber nichts zu tun haben, denn die Mannschaft ist im Kern zusammengeblieben und wurde sinnvoll verstärkt. Der Klassenerhalt sollte locker wieder drin sein.

TK: Der FCK wird dank seiner Heimstärke und dem abgezockten Trainer nicht in den Abstiegskampf geraten, aber auch für die obere Tabellenhälfte wird es nicht reichen. Ich tippe auf einem Platz im Mittelfeld.

HJ: Das kann passieren. Das zweite Jahr nach dem Aufstieg ist immer das schwerste. Mit dem Publikum im Rücken wird der FCK aber wieder die Klasse halten und sich stabilisieren.

Der 1. FC Kaiserslautern möchte die gute Saison in der 2. Bundesliga bestätigen.

(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

„Beim SCP hängt vieles von Max Kruse ab“

90PLUS: Immer wieder schaffen Überraschungsteams den Sprung ins Aufstiegsrennen, wie im vergangenen Jahr der 1. FC Heidenheim. Gibt es in diese Saison auch eine Überraschung? Vielleicht der 1. FC Magdeburg unter Christian Titz?

FR: Magdeburg könnte tatsächlich überraschen. Sie haben eine spielerisch gute Mannschaft, eine gute Rückrunde gespielt und mit Titz einen guten Mann an der Seitenlinie, der einen interessanten Ansatz verfolgt. Wenn sie die Abwehr dicht bekommen, könnten sie oben mitspielen.

MB: Holstein Kiel würde ich durchaus zutrauen, eine sehr gute Saison zu spielen. Sie haben viele Spieler, die noch einen Schritt nach vorne machen können und eigentlich im perfekten Alter dafür sind, so zum Beispiel Porath, Pichler oder der ohnehin schon starke Sander. Die Rothe-Leihe war zudem ein sehr kluger Schachzug. 

TK: Ich traue dem KSC und Paderborn einen Platz im Aufstiegsrennen zu. Gerade beim SCP hängt vieles von Max Kruse ab. Der offensive Spielstil der Mannschaft sollte ihm sehr entgegenkommen. Magdeburg wird eine gute Saison spielen, aber für das obere Drittel wird es noch nicht reichen.

HJ: Für Magdeburg gilt dasselbe wie für Kaiserslautern. Der Club hat sich aber gut verstärkt und bislang keine Leistungsträger verloren. Für eine Platzierung unter den ersten fünf wird es aber nicht reichen.

90PLUS: Mit der SV Elversberg hat ein Verein den Durchmarsch von der Regionalliga in die 2. Bundesliga geschafft. Wie stehen ihre Chancen in dieser Saison?

MB: Das ist schwierig einzuschätzen. Die Neuzugänge kamen abgesehen von Wahid Faghir, der aus Stuttgart ausgeliehen wurde, weitgehend aus der 3. Liga oder der Regionalliga. Individuell fällt Elversberg im Vergleich zu vielen Teams ab, das muss bestmöglich kaschiert werden. Der Klassenerhalt ist drin, aber ich rechne mit einem Zittern bis zum letzten Spieltag. 

FR: Nach zwei Aufstiegen in Folge wird es Elversberg diese Saison schwer haben. Auch im eigenen Stadion werden sich viele Partien wie Auswärtsspiele anfühlen. Ich schätze, dass sie von Beginn an gegen den Abstieg spielen, aber knapp die Klasse halten könnten.

TK: Ich sehe sie mit viel Euphorie und Leichtigkeit in die Saison starten und sie werden für einige Überraschungen sorgen. Am Ende landen sie im unteren Mittelfeld, ohne in Abstiegsnot zu geraten.

HJ: Die Erfahrung zeigt, dass der souveräne Drittligameister auch in der Zweiten Liga eine gute Rolle spielen kann. Die Mannschaft wird mit viel Euphorie in die Saison gehen und wird für einige Überraschungen sorgen.

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Jannek Ringen

Sozialisiert durch die Raute von Thomas Schaaf, gebrochen durch den Abstieg unter Florian Kohfeldt. Fußball in Deutschland ist sein Fachgebiet, aber immer mit einem Blick in England und Italien.


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