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Zur Meisterschaft von Bayer Leverkusen: Was machen wir eigentlich hier?

14. April 2024 | Spotlight | BY Julius Eid

Bayer Leverkusen feiert die Meisterschaft, Manchester City setzt sich an die Spitze der Premier League und es bleibt vor allem eine Frage: Muss man sich das alles noch anschauen?

Kein sportlicher Wettbewerb

Bayer Leverkusen ist Deutscher Meister. Das ist auf einer Ebene unbestritten verdient, das Team von Xabi Alonso spielt eine herausragende Saison, ist bis heute in allen Pflichtspielen ungeschlagen und spielt begeisternden Fußball. Fast zeitgleich hat sich auch Manchester City im Titelkampf in der Premier League an die Spitze gesetzt, weil die Konkurrenten von Arsenal und Liverpool strauchelten, und natürlich ist auch bei der Elf von Pep Guardiola wenig bis gar nichts an der spielerischen Anlage auszusetzen. ABER: Bayer Leverkusen ist einer der wenigen Vereine, die sich in Deutschland nicht an die 50+1-Regel halten müssen, Manchester City sieht sich weiterhin mit 115 vorgeworfenen Regelbrüchen in der Premier League konfrontiert.

 



Man muss hier vielleicht einen Schritt zurücktreten und erst einmal Grundlagenarbeit leisten. Ein sportlicher Wettbewerb sollte in gewissem Maße daraus bestehen, dass dieser Wettbewerb auch sportlich ausgetragen wird. Es ist ein Trauerspiel und ehrlich gesagt eine Schande für einen Volkssport wie Fußball, dass man diese Grundlage so sehr aufgeweicht hat, dass Vereine mit durchaus umstrittenen Unternehmen (Bayer) oder ganzen Nationen (Abu Dhabi) im Rücken anders agieren können als ihre Konkurrenten.

Wir verlieren die Grundidee

Es ist ein grundsätzliches Versagen der zuständigen Verbände, dass solche Zustände überhaupt entstehen konnten und es ist vor allem ein grundsätzliches Versagen gegenüber der gesellschaftlichen Verantwortung, die ein Sport wie Fußball einnehmen könnte, wenn er denn nur wollte. Der amerikanische Sozialphilosoph Michael Walzer prägte 1983 die Idee der „Sphären der Gerechtigkeit“. Laut ihm ist es möglich, gewisse Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft zu negieren, indem man in anderen Bereichen der Gesellschaft einen Ausgleich schafft. Ein einfaches Beispiel, wenn man diese These auf den Fußball legt, ist die Meisterschaft der SSC Neapel in 1987. Eine Stadt, die sich sozialpolitisch innerhalb ihres eigenen Landes abgehängt fühlt, erkämpft sich Relevanz, ein Wohlgefühl, auf dem Fußballplatz.

Was gerade mit der Meisterschaft einer Werkself, dessen Verluste von einem Milliardenunternehmen ausgeglichen werden und natürlich auch mit Manchester City in England passiert, ist die Umkehrung der Grundidee eines Volkssports. Einer Ausweichsphäre, in der nicht nur Einkommen, Umsatz und Cashflow eine Rolle spielen. Diese Sphäre ist implodiert. Seit Jahren arbeitet die internationale Fußballwelt und auch der deutsche Fußball, außerhalb der eigens gesetzten Regeln (50+1) daraufhin, dass man ganz am Ende auch nur über ein kapitalistisches Rattenrennen reden muss. Eine Erfahrung, die so so viele Menschen in ihrem privaten Leben jeden Tag machen müssen, die an jedem Wochenende, bei jedem Anpfiff davon profitieren würden wenn sie einen Ausgleich hätten. Eine Herzensangelegenheit, in der nicht nur finanzielle Winkelzüge eine Rolle spielen. Wenn man nach England schaut, wenn man die Meisterschaft von Bayer ohne Einschränkungen lobt, dann bleibt nur die Frage: Was machen wir hier eigentlich?

Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images

Julius Eid

Julius Eid

Seit 2018 bei 90PLUS, seit Riquelme Fußballfan. Gerade die emotionale Seite des Sports und Fan-Themen sind Julius‘ Steckenpferd. Alleine deshalb gilt: Klopp vor Guardiola.


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