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FC Bayern gegen den BVB: Der hochkarätige Klassiker war einmal

30. März 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

FC Bayern gegen Borussia Dortmund: Dieses Spiel war häufig das erste, das Fußballfans in den letzten Jahren suchten, wenn er Terminkalender seitens der DFL veröffentlicht wurde. Es war die Partie, die Fußballdeutschland elektrisierte, für spannende Geschichten sorgte und selbst in Jahren der Bayern-Dominanz zumindest in Dortmund oder in Pokalspielen oftmals ausgeglichen war. 

Bayern gegen Dortmund: Ein besonderes Duell?

Der BVB war schließlich die letzte Mannschaft, die dem FC Bayern den Titel in der Bundesliga entriss, das auch noch zweimal in Folge. Ein Jahr nach dem zweiten Meistertitel gab es das Endspiel in der Champions League, auf englischem Boden, im Wembley Stadium. Die Fans beider Teams wollten den Sieg im direkten Duell vielleicht noch einmal einen Prozent mehr als in anderen Spielen. Und häufig war die Qualität sehr hoch, manchmal nur in Phasen, manchmal nur von einer Mannschaft. Die „fetten“ Jahre dieses Duells sind schon länger vorbei, aber der gegenwärtige Trend zeigt noch einmal nach unten. Warum ist das so?

 



Auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass es daran liegt, dass Bayer 04 Leverkusen eine herausragende Saison spielt und die Bundesliga dominiert. Das ist zwar eine Tatsache, führt aber nicht zwangsläufig dazu, dass ein brisantes Duell seine Qualität und seinen Reiz verliert. Oder war der Clasico mit Lionel Messi und Cristiano Ronaldo langweilig, nur weil es einen überraschenden wie verdienten Meister Atletico gab? Natürlich nicht. Topklubs haben Schwächephasen, das gehört zur Natur der Sache. Aber es ist zu unterscheiden zwischen Phasen und einer negativen Entwicklung, die über einen längeren Zeitraum andauert. Kurioserweise ist gerade der Titelkampf beider Teams gegeneinander in der Saison 2022/23 ein besonders aussagekräftiger Indikator dafür, dass dieses Duell deutlich an Qualität eingebüßt hat. Es gab nur niemanden, der das bestraft hat.

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Der vorläufige Gipfel des Qualitätsverlustes

Die phasenweise schwache Hinrunde des BVB, einzelne Aussetzer des FC Bayern, die sich im Frühjahr zu einer mittelschweren Krise entwickelten, Unruhe im Klub, die Trainerentlassung von Julian Nagelsmann und eine verunsicherte, sogar mental beeinträchtige Mannschaft beim Rekordmeister, das Nervenflattern der Dortmunder am Ende: All das sind zwar Zutaten einer unterhaltsamen Saison, aber den Fehler, ein 5:4 pauschal erst einmal als qualitativ hochwertig und nicht als unterhaltsam einzuordnen, machen die Beobachter des Fußballs ohnehin zu häufig. Fehler, falsche Entscheidung, hektische Spiele und daraus resultierend Tore sorgen für Unterhaltung, aber sind nicht immer ein Indikator für hochklassigen Fußball. Und trotz vieler guter Ergebnisse ließen beide diesen in der letzten Saison und auch in einigen Teilen der aktuellen Saison vermissen.

Bayern BVB

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Jetzt sollte natürlich niemand den Fehler machen und den Rekordmeister in Sachen Voraussetzungen mit dem BVB vergleichen. Es ist normal, dass Dortmund einen individuell schwächeren Kader zur Verfügung hat. Es ist aber nicht normal, dass beide Teams gleichzeitig ihrem eigenen Optimum und ihren Ansprüchen hinterherlaufen. Was für Bayern aktuell Bayer 04 Leverkusen ist, ist für den BVB der VfB Stuttgart und je nach Saisonverlauf RB Leipzig. Bayern muss den Anspruch haben, die Bundesliga zu dominieren und den besten Fußball zu spielen. Dortmund muss den Anspruch haben, die klare Nummer zwei zu sein, fußballerisch eine klare Identität auf den Platz zu bringen. All das ist aktuell nicht der Fall.

Die Gründe sind vielschichtig. Die Verantwortlichen des FC Bayern haben sich fehlende Kontinuität auf der Trainerbank, fehlende Klarheit bei der Besetzung des Kaders, Blauäugigkeit beim Ersetzen wichtiger Spieler und unglückliche Verhandlungen bei Transfers vorzuwerfen, was schon mehrfach diskutiert wurde. Teile davon treffen auch auf die letzten Jahre in Dortmund zu oder würde irgendein BVB-Anhänger wirklich behaupten, man hätte die 180 Mio. € für Felix Nmecha, Karim Adeyemi, Emre Can, Nico Schulz, Thorgan Hazard, Maximilian Philipp und Andriy Yarmolenko nicht wesentlich besser einsetzen können? Die Fehlertoleranz in Dortmund ist sicher geringer, aber in den letzten fünf, sechs, sieben Jahren wurden einfach zu viele gemacht, um die unterschiedlichen Voraussetzungen bestmöglich zu kaschieren.

Falsche Entscheidungen auf beiden Seiten begünstigten also die Negativentwicklung, die beide Teams in den letzten Monaten und Jahren durchlaufen hat. Dortmund spielt nicht mehr den fröhlichen, direkten, schnellen Fußball, hat Probleme gegen tiefsehende Gegner, findet zu wenige Lösungen mit dem Ball. Bayern hat an technischem Vermögen eingebüßt, wirkt defensiv nicht sattelfest, hat die absolute Dominanz verloren, auch wenn es vereinzelt noch die besonderen Momente und Kantersiege zu sehen gibt. All das sorgt dafür, dass der große Glanz dieses Duells verloren gegangen ist. Was sich übrigens auch im Hinspiel zeigte, als Bayern einen seiner besten und der BVB einen schwachen Tag hatte.

Trotz der Vorzeichen ein wichtiges Spiel für beide

Ist dieses Spiel noch das absolute Topspiel in Deutschland und das Maß aller Dinge? Natürlich nicht. Ein Klassiker bleibt diese Partie trotzdem, alleine schon aufgrund der Historie und Tradition beider Klubs. Und wenn sich die zwei letzten verbleibenden Champions-League-Teilnehmer aus Deutschland in der Bundesliga treffen, kann auch von einem Topspiel gesprochen werden. Qualität hin oder her: Für beide ist dieses Spiel natürlich wichtig. Einerseits, weil gerade schon die Weichen für die neue Saison gestellt werden. In Dortmund, weil von der Frage, ob es erneut für die Königsklasse reicht oder nicht maßgeblich die Budgetplanung beeinflusst wird.

Beim FC Bayern hängt vielleicht sogar noch mehr von der restlichen Saison ab, die mit diesem Spiel eingeläutet wird. Jeder Stein wird in München gerade umgedreht, es gibt fast keinen Spieler, der seinen Platz im Kader für die kommende Saison sicher hat. Genau deswegen hat diese Partie trotz allem ihre Brisanz, ihre Berechtigung als Topspiel, auch wenn der Glanz vergangener Tage verflogen ist. Es ist nicht mehr das elektrisierende Duell vergangener Jahre, das ganz Fußballdeutschland in seinen Bann zieht, aber Geschichten wird auch das Duell am Samstagabend in München schreiben, dafür ist rund um beide Klubs zu viel los.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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