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Bayern-Konkurrenz in der Bundesliga | Viel Potential, wenig Konstanz

25. Januar 2021 | Spotlight | BY Victor Catalina

Vor nicht allzu langer Zeit dichtete man dem FC Bayern eine Krise an. Nun steht der Rekordmeister sieben Punkte vor der Konkurrenz. Das zeigt einmal mehr, dass es in der Bundesliga zwar viel Talent gibt. Aber nur, wenn dieses auch in Tateinheit mit Konstanz daherkommt, kann man den Münchenern den Spitzenplatz langfristig streitig machen.

Wie ein Satz die Bundesliga seit Jahren prägt

Es ist der Lieblingssatz jedes Funktionärs einer aufstrebenden Bundesligamannschaft: 2013 bemühte ihn Schalkes damaliger Manager Horst Heldt („Wenn Bayern schwächelt, muss Schalke da sein“). Ein Jahr später tat es Max Eberl („Man sucht händeringend einen Bayern-Jäger. Wenn andere schwächeln, wollen wir versuchen, da zu sein“). 2015 kam die Kampfansage aus Dortmund, von Hans-Joachim Watzke („Wir wollen da sein, wenn die Bayern mal schwächeln“). Im Sommer 2018 legte er nach: „Wenn die Bayern einmal schwächeln, dann werden wir sie auch wieder packen“. Auch aus Leverkusen (Roger Schmidt: „Es wäre schade, wenn wir nicht da wären, sollten die Bayern mal schwächeln.“), Wolfsburg (Klaus Allofs: „Wenn die Bayern mal schwächeln, müssen wir da sein.“) und Leipzig (Julian Nagelsmann: „Aber wenn sie schwächeln, müssen die anderen Mannschaften da sein. Dazu gehören wir auch.“) wurde dieser Satz einer Drohgebärde gleich gen München verschickt.

Eines haben all diese Mannschaften gemein: Sie waren eben nicht da, als die Bayern schwächelten. Und das taten sie in den letzten Jahren zur Genüge. 2017/18 hatte sich der BVB, damals unter der Leitung von Peter Bosz, inmitten des Münchener Trubels um die Schwächephase unter und die Entlassung von Carlo Ancelotti fünf Punkte Vorsprung an der Tabellenspitze erarbeitet. Nach der Rückkehr von Jupp Heynckes waren diese innerhalb kürzester Zeit Makulatur.

Bildquelle: imago

Eine Saison später glich der Münchener Herbst einer Geisterbahn. 2:3 in Dortmund, 3:3 gegen Fortuna Düsseldorf. Nach dem dritten Treffer von Dodi Lukébakio war Uli Hoeneß laut eigener Aussage „völlig down“ und dachte „die Welt geht unter“. Neun Punkte Rückstand hatten sie auf Tabellenführer Borussia Dortmund. Dennoch reichte es am Ende zum Titel, weil die Konkurrenz in der Restsaison eben auch ihre Patzer hatte.

In der vergangenen Spielzeit bedeutete der Gladbacher Last-Minute-Elfmeter von Ramy Bensebaini (25) sieben Punkte Vorsprung auf den Rekordmeister. Auch RB Leipzig hatte im späteren Saisonverlauf deren vier, musste sich den Münchenern aber genauso beugen, wie die Mannschaften vor ihnen. Vor Weihnachten hätte sich Bayer Leverkusen die Tabellenführung unter den Baum legen können. Kurz vor dem Ziel ließen sie das verpackte Geschenk jedoch fallen und es zerbrach.

Es liegt letztlich an der Konstanz

Es liegt also keineswegs an der Qualität, dass die Münchener nun erneut sieben Punkte vor der Konkurrenz stehen. Die Bundesliga ist mit allen vier Mannschaften im Achtelfinale der Champions League vertreten. Borussia Mönchengladbach und RB Leipzig setzten sich in den mit Abstand schwersten Gruppen durch. Auch in der Europa League stehen Bayer Leverkusen und die TSG Hoffenheim als Gruppensieger in der Zwischenrunde. Von sechs Mannschaften erreichten vier die Pole Position.

(Photo by Denis Doyle/Getty Images)

Dazu kommt, dass der Kader des FC Bayern im Vergleich zur vergangenen Saison in der Breite schwächer geworden ist. Individuell hochklassige Ergänzungsspieler wie Ivan Perisic (31) oder Philippe Coutinho (28) konnten nicht gleichwertig ersetzt werden. Auch sah man es dem Münchener Spiel an, dass ihnen – besonders in den vollgepackten letzten Monaten – ein Spieler wie Thiago (29) abging, der hervorragend das Tempo eines Spiels bestimmen kann und es zur Regeneration seiner Mannschaft auch verlangsamt. Diese Eigenschaft hätte besonders bei 2:0-Führungen oder in Pokalwettbewerben nützlich werden können. Zusätzlich befinden sich Leistungsträger wie Serge Gnabry (25), Benjamin Pavard (24) oder Alphonso Davies (20) seit längerer Zeit im Formtief oder sind – wie Leroy Sané (25) – nach langwieriger Verletzung noch nicht wieder auf der Höhe ihres Schaffens.

Es geht letztendlich um Konstanz. RB Leipzig verlor am Wochenende trotz zweimaliger Führung bei einer Mannschaft, die bis dahin nur einmal gewinnen konnte (3:1 in Freiburg), Borussia Mönchengladbach hatte – vor allem zu Beginn dieser Saison – mit vielen späten Gegentoren zu kämpfen und Bayer Leverkusen leistete sich kürzlich vier sieglose Spiele in Folge.

Besonders der BVB wirft Fragen auf

Das größte Fragezeichen steht allerdings hinter Borussia Dortmund. Dass diese Mannschaft vor Talent überquillt, ist kein Geheimnis. Allerdings kollidiert dieses jährlich mit der Anspruchshaltung, da zu sein, wenn die Bayern schwächeln. Zu Beginn der Saison waren mit Giovanni Reyna und Jude Bellingham zwei Stammspieler  17 Jahre alt. Topjoker Youssoufa Moukoko ist 16, Jadon Sancho und Erling Haaland jeweils 20. Bedenkt man, dass gerade Spieler in diesem Alter gezwungenermaßen Leistungsschwankungen unterliegen, ist diese Strategie für ein Spitzenteam mindestens einmal fragwürdig.

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Wenn dazu noch Führungskräfte wie Axel Witsel (32), Marco Reus (31) oder Mats Hummels (32) entweder verletzt sind, oder selbst im Formtief stecken und daher die junge Mannschaft nicht anführen können, summiert sich das in einem Berg von Problemen, den selbst fachlich über jeden Zweifel erhabene Trainer wie Lucien Favre (63) oder Edin Terzic (38) nur schwer zu lösen vermögen. Das Ergebnis ist – im Moment – Platz 7.

Die Probleme der Konkurrenz sind keineswegs unlösbar. Dass sie auf hohem Niveau performen können, haben sie mehrmals in dieser Saison nachgewiesen. Sie müssen es nur schaffen, solche Leistungen regelmäßig(er) abzurufen. Bis das der Fall ist, werden einzig die Bayern da sein, wenn sie schwächeln.

(Photo by KAI PFAFFENBACH/POOL/AFP via Getty Images)

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Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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