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Deutliche Niederlage im Topspiel: Die bitteren Erkenntnisse für den FC Bayern

11. Februar 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Der FC Bayern verlor am Samstagabend das Topspiel in Leverkusen deutlich mit 0:3. Fünf Punkte beträgt der Abstand zwischen beiden Teams in der Tabelle nun. Trainer Thomas Tuchel teilte vorher mit, dass in diesem Spiel die Karten auf den Tisch gelegt werden. Der Rekordmeister hatte dabei das deutlich schlechtere Blatt – und muss einiges verändern. 

Bayern: Das Spitzenspiel wird zur bitteren Standortbestimmung

Am Samstagabend musste der FC Bayern die vierte Pflichtspielniederlage der Saison hinnehmen. In Frankfurt, in Saarbrücken, zuhause gegen Bremen und nun gegen Bayer Leverkusen verlor der Rekordmeister. Auch wenn die Partie in Frankfurt am Ende noch höher verloren wurde, so unterlegen wie am Samstag in der BayArena war die Elf von Trainer Thomas Tuchel in einem Spiel noch nicht. Fast keine Torchance, zu viele individuelle Fehler und eine sytemische Unterlegenheit beschreiben kurz und knapp, was in diesem Topspiel fehlte und warum der Sieg für Leverkusen völlig in Ordnung war.

 



Dabei kündigte der Trainer vor dem Spiel noch an, dass es keine große Taktiererei geben werde und die Karten auf den Tisch gelegt werden müssen. Jeder müsse bereit sein für dieses Spiel. Das hat ich in den 90 Minuten aber nicht so angefühlt. Weder auf Seiten der Spieler, noch beim Trainer, der mit der ungewöhnlichen Umstellung auf die Dreierkette auch einen Einfluss nahm. Bayer Leverkusen, das ist die große Schlagzeile nach dem Gipfeltreffen, ist dem Rekordmeister derzeit einen Schritt voraus – mindestens. Die ein oder andere Erkenntnis mehr hält dieses Spiel aber auch bereit.

Bayern passte sich zu sehr dem Gegner an

In den letzten Jahren hat den FC Bayern zumindest in den Topspielen in der Bundesliga sehr häufig eine gewisse Selbstverständlichkeit ausgezeichnet. Der Rekordmeister spielte seinen eigenen Stil, war motiviert, auf den Punkt wach und gewann viele der wichtigen Spiele. In Leverkusen war das nicht der Fall und auch wenn sich Thomas Tuchel zuweilen nicht angemessener Kritik ausgesetzt sieht, hatte er am Samstag doch einen Anteil daran. Die Anpassungen, die er vornahm, mögen in der Theorie klug gewesen sein, sie gingen aber nicht auf. Mit einer Dreierkette spielte der FCB vorher länger nicht mehr, zudem spielte Sacha Boey auf der linken Seite, was er überhaupt nicht gewohnt ist.

Boey Bayern

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Der Neuzugang von Galatasaray musste also nicht nur in einem neuen System, mit neuen Mitspielern, die er erst seit kurzer Zeit kennt, sondern auch auf der „falschen“ Seite agieren. Dass er beim 0:1 schlief – wie allerdings auch die restliche Defensive – ist symptomatisch. Tuchel sprach nach dem Spiel davon, dass Bayern die Anfangsphase dominiert hat und damit lag er auch richtig. Doch ein Spiel dauert eben nicht nur 15, sondern 90 (+ X) Minuten. Die erste Schlafmützigkeit sorgte dafür, dass das Spiel kippte. Es wurde ein Leverkusen-Spiel, auf das Bayern keine Antwort hatte.

Denn die Werkself spielt mit einer Leichtigkeit, zwar mit klaren taktischen Vorgaben, aber auch Freiheiten, instinktiv zu handeln. Und Leverkusen ist eingespielt, spielte mit der gewohnten Ausrichtung, wenn auch personell ein wenig mehr auf schnelles Umschalten und defensive Stabilität ausgerichtet. Diese Leichtigkeit, die Freiheiten, fehlten dem FC Bayern. Die Anpassung an den Gegner ging schief, weil Bayern auf die Steigerung von Leverkusen und das Selbstverständnis keine Antworten fand. Und noch dazu zu spät reagierte, denn nach dem 0:2 war die Partie endgültig gelaufen.

Die Dysbalance im Kader ist noch immer spürbar

Es ist aber nicht nur der Trainer, der für die Gesamtsituation verantwortlich ist. Wie auch? Er hat nur an der Zusammenstellung einzelner Teile des Kaders mitgewirkt. Und es dürfte niemandem die Dysbalance im Aufgebot des Rekordmeisters entgangen sein, die sich teilweise schon seit dem Abgang von Thiago Alcantara entwickelt hat. Bayern hat zu viele dynamische, athletische Spieler im Kader und zu wenige Techniker, die gut mit dem Ball umgehen können. Ja, der Kader ist individuell auf einem hohen Niveau unterwegs, aber die technischen Fehler, die Konter, bei denen in Überzahlsituationen Pässe zwei, drei oder vier Meter zu fest oder zu kurz gespielt werden, haben nichts mit der Ausrichtung zu tun.

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Einige Punkte, die Tuchel schon im Sommer angesprochen hat, haben sich im Endeffekt bewahrheitet. Die Defensive war in der Hinrunde viel zu dünn besetzt, Spieler mussten zwangsweise verheizt werden. Ein klarer 6er, der auch Joshua Kimmich ermöglichen würde, seine Stärken ideal einzubringen, fehlt bis heute. Notlösungen haben es gut gemacht, aber reichen nicht für das absolut höchste Niveau, das Leverkusen aktuell aufbieten kann. Die Kaderplanung der letzten Jahre gehört nicht erst seit Samstagabend hinterfragt, mittlerweile müssten auch die Verantwortlichen realisieren, dass es keine gute Idee ist, mehrere Spieler mit großen Verträgen Jahr um Jahr durchzuschleppen und zu hoffen, sie knüpfen endlich wieder an die Leistungen von vor einigen Jahren an.

Das führt aber wiederum zu einem Teufelskreis, denn aufgrund der angesprochenen, großen Verträge ist es nicht leicht, die Spieler abzugeben. Bayern, auch das erkannte man in Leverkusen, ist derzeit nicht stabil genug, aber auch nicht wehrhaft genug, um sich gegen eine drohende Niederlage zu stemmen, zumindest gilt das nicht für alle elf Spieler auf dem Platz und das ist ein Warnsignal, das mittlerweile nicht mehr ignoriert werden darf.

Ja, rein isoliert betrachtet hatte der Trainer einen entscheidenden Einfluss auf den Spielverlauf am Samstag und auch von ihm sollte man erwarten können, andere, bessere Lösungen zu finden, das Grundkonzept der Mannschaft nicht über den Haufen zu werfen. Aber die wohl größte Erkenntnis, nicht nur aus dem Spiel gegen Leverkusen, hier aber ganz besonders, ist und bleibt, dass es eine Revolution im Kader benötigt. Und das in diesem Sommer.

(Photo by Leon Kuegeler/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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