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Bobic bei Hertha BSC: Ausgereizt

11. April 2022 | Spotlight | BY Julius Eid

Kommentar | Unter Fredi Bobic sollte bei Hertha BSC alles besser werden. Doch der Sportdirektor muss mittlerweile aufpassen, nicht schon im ersten Amtsjahr jeglichen Kredit zu verspielen. Das liegt auch an seiner Art, findet Redakteur Julius Eid.

Bobic riskiert – und verliert

Die sportliche Lage bei Hertha BSC ist prekär. Das ist an den Ergebnissen des Klubs genau so ersichtlich, wie an der Tabellenposition. Mit dem dritten Trainer der laufenden Spielzeit stehen die Hauptstädter gerade auf einem direkten Abstiegsplatz, sind das schlechteste Team der Rückrunde. Nur ein einziger Sieg konnte im Jahr 2022 im deutschen Oberhaus gefeiert werden und auch neben dem Platz liegen die Nerven quasi durchgehend blank. Sei es wegen Investor Lars Windhorst oder jetzt wegen Fans, die nach einem desaströsen Derby fordern, dass die Spieler ihre Trikots abgeben. Dabei sollte doch alles besser werden in dieser Saison. Immerhin kam mit Fredi Bobic ein neuer, starker Mann an die Spree, der sich bei Eintracht Frankfurt einen exzellenten Ruf erarbeitet hatte. Doch die bisherigen Entscheidungen des Sportdirektors lassen sich bis jetzt nur als glücklos beschreiben, potentiell waren sie sogar fatal.

Ein gewisser Pal Dardai kam noch in der letzten Saison als Retter zurück, stabilisierte das Team und sorgte für den Klassenerhalt. Seine einzige, nachdrückliche Bitte für die nächste Saison: Bitte nicht noch ein Umbruch. Bobic entschied sich für das Gegenteil, krempelte den Kader wieder einmal gehörig um und setzte dabei vor allem auf ein Attribut: Die sagenumwobene Mentalität. Bereitwillig entzog man der Mannschaft weiter spielerische Qualität, baute lieber darauf, dass Spieler wie Kevin Prince-Boateng als Teilzeit-Motivatoren schon für genug Widerstandsfähigkeit im Kampf um den Klassenerhalt sorgen würden. Unter einem Trainer wie Dardai wäre das vielleicht sogar aufgegangen, doch nach mehreren, auch öffentlich ausgetragenen Disputen zwischen Coach und Sportdirektor traf Bobic die wohl folgenschwerste Entscheidung seiner Amtszeit. Die überaus beliebte Vereinslegende Dardai musste weichen – für Tayfun Korkut. Eine Mannschaft, die nach zahlreichen Transfers im Sommer erneut auf der Suche nach Stabilität war, wurde eines Stabilisators beraubt, dafür ein Trainer installiert der klar als „Bobic-Mann“ gesehen werden kann. Sein Scheitern muss auch als „Bobic-Scheitern“ gesehen werden.

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Bobic ist wütend – aber nicht souverän

Ein unnötiges und unverständliches Risiko, in einer als Übergang gedachten Saison, welches sich nicht rentierte und mit einem nun drohenden Abstieg sogar die mittelfristigen Planungen des Sportdirektors gefährden könnte. Man zog die Reißleine, entschied sich für Felix Magath als Feuerwehrmann. Der hauchte der Truppe etwas mehr Lebenswillen ein, aber ob das alleine reichen wird um eine qualitativ heruntergewirtschaftete Mannschaft, die spätestens mit der Entlassung von Dardai auch der Chance auf die Entwicklung einer einheitlichen, funktionierenden Spielidee beraubt wurde, bleibt mehr als fraglich. Doch das größte Problem von Bobic in Berlin wird immer mehr Bobic selber. Denn es fehlt ihm an Souveränität, an einer Kommunikation, die ihn als den großen Lenker erscheinen lässt, der er sein sollte. Schon in den ersten Wochen der Saison nahm man einigermaßen irritiert zur Kenntnis, wie dünnheutig der ehemalige Profi im aufkeimenden Konflikt mit Dardai auch öffentlich agierte. Mit viel gutem Willen konnte man es damals vielleicht noch unter „Unbequemer Macher“ verbuchen.

Doch mittlerweile stehen nicht mehr die Altlasten der turbulenten Vergangenheit im Fokus der Kritik, sondern die Entscheidungen, die Bobic selber getroffen hat. Was man sich nun von einem starken Mann, dem neuen Lenker an der Spree, erhoffen würde, wäre ein Ausstrahlen von Souveränität. Ein reflektierter Umgang mit den eigenen Fehlern, der einem vermittelt, dass diese erkannt und korrigiert werden können. Doch Bobic wirkt hauptsächlich gereizt. Schmallippig werden sowohl Journalistenfragen als auch die eigenen Fans in regelmäßigen Abständen in die Verantwortung genommen, die doch zu großen Teilen seine eigene ist. Sein Engagement war und ist sicherlich auf eine langfristige und nötige Umstrukturierung ausgelegt, doch schon der erste Schritt droht nun spektakulär zu misslingen. Es ist, gerade im emotionalen Fußballgeschäft, enorm wichtig, dass Entscheidungsträger das Vertrauen der Mannschaft, der Fans, des Vereines genießen, um erfolgreich arbeiten zu können. Mit seinen Auftritten und seiner Art spielt Bobic aber auch an dieser Front mit dem Feuer. 

Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images

Julius Eid

Seit 2018 bei 90PLUS, seit Riquelme Fußballfan. Gerade die emotionale Seite des Sports und Fan-Themen sind Julius‘ Steckenpferd. Alleine deshalb gilt: Klopp vor Guardiola.


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