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Gladbach mit Seoane und vielen Veränderungen: Wohin führt der Borussia-Weg?

11. August 2023 | Spotlight | BY Kilian Thullen

Am heutigen Freitag bestreitet Borussia Mönchengladbach beim Oberligisten TuS Bersenbrück das erste Pflichtspiel der Saison 2023/24. Hinter dem Verein liegen zwei ereignisreiche Monate mit zahlreichen Veränderungen auf allen Ebenen. Die Frage ist: Wie sind diese einzuordnen? 

Borussia Mönchengladbach startet zum dritten Mal in Folge mit einem Trainerwechsel in die neue Spielzeit. Nach der gescheiterten Zusammenarbeit mit Adi Hütter holte man zu Beginn der vergangenen Saison Daniel Farke an den Niederrhein, der mit seiner Mannschaft mittels geduldigem Ballbesitzfußballs den viel zitierten Borussia-Weg wieder einschlagen sollte. „Es ist ein Ansatz, der wieder mehr in Richtung Fußball geht und zu den Stärken unserer Spieler passt“, heizte vor rund einem Jahr Christoph Kramer die ohnehin schon ausgebrochene Euphorie weiter an. Dass eben dieser Ansatz in den Augen vieler Anhänger dafür sorgte, dass einige der sogenannten Grundtugenden vernachlässigt wurden, ließ die Kluft zwischen Verein und Fans immer größer werden.

Die Folge war eine äußerst gereizte Stimmung in Mönchengladbach, die durch zahlreiche Abgänge von Leistungsträgern immer weiter verschärft wurde. Allen im Verein war klar, dass man nun – mal wieder – vor einer richtungsweisenden Saison steht. In einer Generalanalyse wurden deshalb sämtliche Abteilungen im Verein auf den Prüfstand gestellt, kein Stein sollte auf dem anderen bleiben. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren wird dieser Neuanfang seinem Namen aber auch gerecht und geht weit über die Position des Trainer hinaus. Während es auch im Kader zahlreiche Veränderungen gibt wurden gleich sechs (!) Stellen in der sportlichen Leitung neu besetzt.

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Gladbach 2023/24: Neuer Trainer, neues Glück?

Eine dieser sechs Stellen ist die des Cheftrainers. Der Schweizer Gerardo Seoane soll künftig dabei helfen, nun aber endlich den Borussia-Weg wieder zu finden. In den Testspielen wurde bereits deutlich, dass dieser jedoch nicht mehr abwartend und ballbesitzorientiert, sondern vertikal und schnörkellos sein soll. Demnach wird in Mönchengladbach in diesen Tagen viel von Dynamik, Vertikalität und Leidenschaft gesprochen. Eine Identitätskrise? Wohl eher die Antwort auf die zunehmende Entfremdung der Anhängerschaft, die eben diese Attribute immer wieder deutlich einforderte. Fortan möchte man am Niederrhein unterhaltsameren und aktiveren Fußball zeigen, die Zuschauer auf den Rängen wieder mitreißen.

Zum Borussia-Weg gehört aber auch die Rückbesinnung auf jene Philosophie, die die Fohlenelf in den 2010er-Jahren unter der Riege von Max Eberl von einem Abstiegskandidaten zu einem Dauergast in der oberen Tabellenhälfte werden ließ. Demnach sollen externe Talente günstig eingekauft, entwickelt und mit Gewinn weiterverkauft werden (1), Spieler aus dem eigenen Nachwuchs integriert (2) und der Kader mit gestandenen, erfahrenen Spielern ergänzt werden. (3).

Gladbach-Manager Roland Virkus

(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Gladbach: Virkus‘ Mammutaufgabe

Dass man gerade die erste Säule des Borussia-Wegs zunehmend aus den Augen verlor, hat man in Mönchengladbach in diesem Sommer schonungslos zu spüren bekommen. Mit Marcus Thuram (Inter) und Ramy Bensebaini (Borussia Dortmund) verließen zwei absolute Leistungsträger den Verein ablösefrei, obwohl für beide in den vergangenen Transferfenstern lukrative Angebote vorlagen. Hinzu kommt, dass Lars Stindl – ebenfalls ablösefrei – in seine Heimat zum KSC wechselte und Jonas Hofmann sich per Ausstiegsklausel für 10 Millionen Euro Bayer Leverkusen anschloss. Außerdem zog der Premier-League-Aufsteiger FC Burnley die Kaufoption für das zuvor ausgeliehene Eigengewächs Jordan Beyer, der dringend benötigte Einnahmen (15 Millionen Euro) in die Kasse spülte.

Roland Virkus stand also vor der großen Herausforderung, mit geringen finanziellen Mitteln vier Leistungsträger ersetzen zu müssen und gleichzeitig die dringend benötigte Verjüngungskur durchzuführen. „Eine Sache, die wir dem Kader unbedingt zufügen müssen ist Dynamik“, sagte Virkus schon bei der Präsentation Seoanes und stellte damit die Weichen für die Transferaktivitäten der Borussia. Mit Tomas Cvancara (22, 10,5 Millionen Euro), Franck Honorat (26, 8 Millionen Euro) und Robin Hack (24, 1,1 Millionen Euro) wurden gleich drei Offensivspieler verpflichtet, die dieses Attribut mitbringen. In die Kategorie „Jugend“ fallen hingegen die Transfers von Grant-Leon Ranos (19, ablösefrei), Lukas Ullrich (19, ablösefrei) und Fabio Chiarodia (18, ablösefrei). Außerdem wurde Maximilian Wöber (25, Leihe) für den wechselwilligen Elvedi und Julian Weigl (27, 7,2 Millionen Euro) nach voriger Leihe verpflichtet.

Ngoumou als Profiteur der neuen Ausrichtung?

In den Testspielen, von denen Gladbach vier gewinnen konnte und zwei Remis spielte, war die neue Ausrichtung deutlich spürbar. Demnach soll das Verteidigen fortan aktiver und vor allem aggressiver gestaltet werden. „Es muss uns gelingen, eine hohe Intensität ins Spiel zu bringen“, forderte Seoane, der bei der Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch ohnehin auffällig viel über Themen wie Einstellung und Engagement sprach. Dieser Aspekt zieht sich wie ein roter Faden durch die Kommunikation des Trainers bei der Borussia in diesem Sommer. So kritisierte der Schweizer etwa nach dem 5:1-Sieg über Stuttgart lieber die passiven Phasen im Spiel gegen den Ball, statt seine Mannschaft für die teils traumhaft herausgespielten Tore zu loben.

Gladbach-Spieler Nathan Ngoumou

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Auch das Spiel mit Ball hat sich unter Seoane sichtbar verändert. Nach Ballgewinn suchte die Mannschaft in den Testspielen häufig unmittelbar die Tiefe und versuchte, die schnellen Spieler auf den Außenpositionen in Szene zu setzen. Ein Spieler, der merklich von diesem Ansatz profitiert ist Nathan Ngoumou. Während der 23-Jährige in der letzten Saison selten zum Einsatz kam und in seinen wenigen Spielen eher negativ auffiel, gehört er nun zu den Gewinnern der Vorbereitung. Sein gutes Gespür für Tiefenläufe gepaart mit einem unglaublichen Tempo sind eine Waffe, die er im neuen System deutlich besser einbringen kann.

Wohin führt der Borussia-Weg?

In Gladbach wurde in diesem Sommer an vielen Stellschrauben gedreht. Es ist ein Neuanfang, der seinen Namen wirklich verdient hat und eine große Chance für den Verein darstellt, sich wieder auf Altbewährtes zu besinnen und eingerostete Strukturen aufzubrechen. Roland Virkus und seinem Team ist es gelungen, durch kreative Lösungen die zahlreichen Abgänge zu ersetzen und einen schlagkräftigen Kader zu stellen. Zweifellos hat man in Mönchengladbach einiges an Qualität im Kader einbüßen müssen. Dass diese jedoch nicht alleine der Schlüssel zum Erfolg ist, weiß man am Niederrhein wohl besser als irgendwo sonst.

Die kommende Saison wird richtungsweisend für die nahe Zukunft von Borussia Mönchengladbach sein. Sollten sich die zahlreichen Veränderungen auszahlen und die Mannschaft eine stabile Saison im oberen Mittelfeld spielen, könnte dieser Sommer die Grundlage für das neue Gesicht der Borussia der nächsten Jahre sein. Scheitert die Zusammenarbeit mit Seoane jedoch, wird der große Umbruch wohl eher als der K.O-Schlag für einen ohnehin strauchelnden Verein interpretiert werden. Man hat am Niederrhein den viel zitierten Borussia-Weg wieder betreten. Wohin dieser jedoch führt, wird man erst in einigen Monaten beantworten können.

Kilian Thullen

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Kilian Thullen

Bosz, Rose & Co. im Herzen, die Bundesliga im Blick. Seinen Durst nach Gegenpressing und dynamischem Offensivspiel stillt Kilian vor allem in Deutschland. Seit 2018 bei 90PLUS.


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